Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 11.10.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Helene Bubrowski, Urban Priol, Robert Habeck
Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Helene Bubrowski, Urban Priol, Robert Habeck | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Welche Maßnahmen beinhaltet das neue Migrationspaket der Bundesregierung?

Welche Maßnahmen beinhaltet das neue Migrationspaket der Bundesregierung?

Vizekanzler Robert Habeck (B’90/Grüne) äußerte sich in der Sendung zum neuen Migrationspaket, auf das sich die Ampel-Koalitionäre kürzlich geeinigt haben. Er erklärte, dass mit den darin enthaltenen Maßnahmen nicht das gesamte Problem der angespannten Migrationslage in Deutschland gelöst werden könne. Die Maßnahmen würden aber dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Welche neuen Regelungen das Migrationspaket im Einzelnen vorsieht, schauen wir uns hier noch einmal genauer an.

Nach der Ampel-Einigung: Was steckt drin im neuen Migrationspaket?

Maischberger: "Ein wichtiges Thema ist das, was Sie heute vorgestellt haben, nämlich die Migration. Sie haben ein Paket geschnürt – wir haben gerade vorhin darüber gesprochen – zum Thema Migration, das auch der CDU/CSU in Teilen entgegenkommt. Nämlich wenn es darum geht, schneller abzuschieben, also das zu erleichtern, dass abgeschoben wird. Oder eben Sach- statt Geldleistungen möglicher machen."

(…)

Habeck: "Das, was heute vereinbart wurde und vorgestellt wurde, das sogenannte Migrationspaket II, ist nicht gemacht worden, um irgendjemandem entgegenzukommen, sondern es ist gemacht worden, um eine Antwort auf eine sehr belastende Situation für viele Menschen, und zwar auch diejenigen, die wirklich Menschen, die fliehen, helfen wollen, zu geben. Nämlich den Druck in den Kommunen bei der Einwanderung ein Stück weit zu lindern oder zu kanalisieren. Ich bin bei dem, was eben die Kommentatorinnen gesagt haben: Mit einer Maßnahme, selbst mit zwei Maßnahmen, selbst mit zehn Maßnahmen wird man das Gesamtproblem nicht lösen können. Aber was hilft, sind meiner Ansicht nach drei Säulen, und zwei von denen sind [im Migrationspaket] adressiert worden. Und die dritte wäre gut, wenn sie bald käme. Erstens: Die Leute, die hier sind und im Sozialsystem sind, möglichst in Arbeit bringen. Dann müssten die Kommunen nicht mehr für sie zahlen, dann können sie ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen. Diejenigen, die sich verdient machen wollen, die sollen auch gerne was verdienen können. Und wenn sie das ausreichend tun, dann können sie auch einen Titel erwerben. Das ist der Kerngedanke hinter dieser Arbeitserleichterung. Zweitens: Möglichst Menschen daran hindern, diese irren Fluchtwege über das Mittelmeer zu gehen. (…) Das ist jetzt nicht Teil des Pakets, aber das würde ebenfalls helfen. Und der dritte Teil ist halt der Abschiebungsteil in diesem Paket. Diejenigen, die keinen Rechtstitel hier erwerben können und die jetzt nach den erleichterten Bedingungen auch nicht durch Arbeitsaufnahme an einen Bleibetitel kommen, müssen schneller zurückgeführt werden, sonst macht es ja keinen Sinn. Das ist zu sagen nicht freundlich, das ist eine Härte, da will ich auch niemandem etwas vormachen. Das ist für die Einzelschicksale sehr, sehr hart. Und auch eine Zumutung für alle, die mit Empathie sich fragen: Könnte ich das auch sein? Was wäre, wenn ich aus diesem Land käme? Für die ist es ganz schwer zu verdauen, aber natürlich gehört es dazu, wenn man ein Recht gewähren will, dass man auch sagen muss, wer nicht zu dem Recht gehört, sonst wären es ja alle. Und dann wäre es kein Recht, dann wäre es sozusagen allgemein. Deswegen macht es Sinn: Schneller integrieren in den Arbeitsmarkt und dann zügiger abschieben, auch diejenigen, die nicht diesen Integrationsweg gehen können."

Maischberger: "Zur Wahrheit gehört, dass Sie eben genau das angesprochen haben, was die Zahl der Ankommenden reduzieren würde. Das aber steht in diesem Migrationspaket nicht drin."

Habeck: "Richtig. Deswegen wäre auch niemals meine Behauptung, mit diesen beiden Maßnahmen lösen wir das Problem. Das wäre totale Augenwischerei. Aber es sind zwei Maßnahmen, die die akute Situation vor Ort ein Stück weit leichter machen können."

Hintergrund: Welche Maßnahmen beinhaltet das neue Migrationspaket der Bundesregierung?

Die Eckpunkte des sogenannten Migrationspakets II wurden am gestrigen Mittwoch (11.10.23) von Vizekanzler Robert Habeck (B’90/Grüne) in Berlin umrissen. Die darin enthaltenen Maßnahmen konzentrieren sich auf zwei Schwerpunktthemen innerhalb der Migrationspolitik. Einerseits geht es um den Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete, andererseits um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber.  

Die Bundesregierung plant demnach, Asylbewerbern unter gewissen Voraussetzungen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. So sollen Asylbewerber in Sammelunterkünften künftig schon nach sechs statt nach neun Monaten eine Arbeit aufnehmen können. Ausgenommen sind Menschen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern kommen oder bei der Einreise ihre Identität verschleiert haben. Geduldeten Personen – also Menschen, die sich nicht rechtmäßig in Deutschland aufhalten, aber aus bestimmten Gründen vorerst nicht abgeschoben werden können – soll der Zugang zum Arbeitsmarkt in Zukunft ebenfalls erleichtert werden. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt noch nicht vor. Er soll zeitnah vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstellt werden. 

Auch Sachleistungen für Asylbewerber sind Gegenstand des Papiers, das der maischberger-Redaktion vorliegt. Die Bundesregierung begrüße es demnach, wenn Länder und Kommunen prüfen würden, ob Sachleistungen statt Geldleistungen ausgegeben werden können. Auch der Nutzung von Geldkarten stehe die Ampel offen gegenüber. Sowohl Sachleistungen als auch der Einsatz von Geldkarten sind bereits jetzt möglich, viele Kommunen berichten aber von einem hohen bürokratischen Aufwand bei der Umsetzung. Darüber hinaus sieht das Migrationspaket vor, die Unterstützung für Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften zu kürzen, weil sie geringere Verpflegungskosten zu tragen haben als Geflüchtete, die dezentral untergebracht sind.

Die Rückführung abgelehnter Asylbewerber soll im Zuge des Pakets vereinfacht werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) legte am Mittwoch (11.10.23) einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Demnach soll abgelehnten Asylbewerbern in Haft die drohende Abschiebung künftig nicht mehr angekündigt werden. Auch bei Menschen, die mindestens ein Jahr lang geduldet waren, denen aber die Duldung aberkannt worden ist, muss eine Abschiebung nicht mehr mit einer Frist von einem Monat angekündigt werden. Bei Familien mit Kindern unter 12 Jahren bleibt eine Ausnahme bestehen. Der Ausreisegewahrsam, der richterlich angeordnet werden kann, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und die betroffene Person fortgesetzt ihre Mitwirkungspflichten verletzt hat, soll nach dem neuen Gesetzentwurf von zehn auf 28 Tage verlängert werden. Darüber hinaus sollen verurteilte Schleuser in Zukunft schneller außer Landes gebracht werden. Zudem sollen die Rechte der Behörden zur Identitätsfeststellung von Asylbewerbern erweitert werden. Auf diese Weise sollen Ausreisepflichtige schneller erkannt werden. 

Die Ampel-Koalition diskutiert seit Monaten über den Umgang mit den hohen Migrationszahlen in Deutschland. Besonders die Grünen positionierten sich lange gegen eine Verschärfung der Einwanderungsregeln. Die Zustimmung Deutschlands zur EU-Krisenverordnung, einem zentralen Bestandteil der EU-Asylreform, kam erst nach einer Intervention von Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Kabinett zustande. Auf das neue Migrationspaket II einigten sich Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (B’90/Grüne) und FDP-Chef Christian Lindner am Dienstag (10.10.23) in einer vertraulichen Sitzung, wie Tagesschau und FAZ übereinstimmend berichteten.

Am Freitag (13.10.23) erwartet Scholz den Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sowie den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), und dessen MPK-Stellvertreter, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), zu gemeinsamen Gesprächen im Kanzleramt. Das Thema Migration soll dabei eine zentrale Rolle spielen.

Die beiden Gesetzesvorhaben von Bundesinnenministerium und Bundesarbeitsministerium zur Umsetzung des Migrationspakets II sollen laut FAZ-Informationen parallel im Bundestag beraten und noch im November verabschiedet werden.

Fazit: Das sogenannte Migrationspaket II, auf das sich die Ampel-Koalitionäre am Dienstag (10.10.23) geeinigt haben, umfasst Maßnahmen, die einerseits den Zugang von Asylbewerbern zum Arbeitsmarkt beschleunigen und andererseits die Rückführung abgelehnter Asylbewerber vereinfachen sollen. Zum Thema Rückführung hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, den das Kabinett in den nächsten Wochen beschließen soll. Aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt es bislang noch keinen Gesetzentwurf. Dieser soll aber schnell erarbeitet werden. Geplant ist eine gleichzeitige Verabschiedung beider Vorhaben im November.

Stand: 12.10.2023

Autor: Tim Berressem