Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 15.11.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Alev Doğan, Kerstin Palzer, Elmar Theveßen, Ulrich Wickert
Die Gäste (v.l.n.r.): Alev Doğan, Kerstin Palzer, Elmar Theveßen, Ulrich Wickert | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Gehen dem Staat durch das sogenannte Dienstwagenprivileg Steuereinnahmen verloren?

Gehen dem Staat durch das sogenannte Dienstwagenprivileg Steuereinnahmen verloren?

Linken-Chefin Janine Wissler und der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki diskutierten in der Sendung u.a. über die Haushaltspolitik der Bundesregierung. In diesem Zusammenhang forderte Wissler die Abschaffung des sogenannten Dienstwagenprivilegs, durch das dem Staat Milliarden an Steuereinnahmen entgehen würden. Kubicki entgegnete, beim Dienstwagenprivileg handele es sich lediglich um eine Steuervereinfachung, die zu weniger Bürokratie führe. 

Streitpunkt Dienstwagenprivileg: Entgehen dem Staat durch die Regelung Steuereinnahmen? | Video verfügbar bis 15.11.2024

Wissler: "Es gibt eine ganze Menge Subventionen, die wir zum Beispiel gerne streichen würden, an der die FDP festhält, ja? Also, zum Beispiel für Diesel, für Dienstwagen. Es gibt ja schon Subventionen, die Ihnen ganz gut gefallen, weil damit die richtigen Menschen gepampert werden."

Kubicki: "Es gibt für Dienstwagen Subventionen? Welche?"

Wissler: "Ja, natürlich. Das Dienstwagenprivileg ist selbstverständlich auch eine Form von Subvention. Und es gibt natürlich eine ganze Menge klimaschädlicher Subventionen, die man abschaffen könnte."

Kubicki: "Frau Wissler, noch einmal: Das Dienstwagenprivileg heißt nur, dass Sie keinen Einzelnachweis führen müssen, sondern pauschal versteuern können."

Wissler: "Das bringt ja Vorteile."

Kubicki: "Aber mit dem Einzelnachweis können Sie genauso Ihre Fahrten von der Steuer absetzen, vielleicht sogar noch mehr, als wenn Sie es pauschalieren. Es ist nur ein weniger bürokratischer Aufwand, weil die Finanzämter die Einzelnachweise nicht mehr prüfen müssen."

Wissler: "Im Ergebnis würde es aber Milliarden bringen, wenn man es abschaffen würde."

Stimmt das? Gehen dem Staat durch das sogenannte Dienstwagenprivileg Steuereinnahmen verloren?

Nutzt ein Arbeitnehmer seinen Dienstwagen auch für private Fahrten, so muss dies steuerlich berücksichtigt werden. Denn die anfallenden Kosten – von Reparaturen über die Versicherung bis hin zu den Spritkosten – werden in der Regel vollständig vom Arbeitgeber übernommen, sodass dem Arbeitnehmer ein sogenannter geldwerter Vorteil entsteht. Um zu verhindern, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern höhere Gehälter in Form materieller Vorteile auszahlen, ohne dass diese versteuert werden, muss der geldwerte Vorteil ermittelt und dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden. Der geldwerte Vorteil eines privat genutzten Dienstwagens kann gemäß deutschem Steuerrecht auf zwei unterschiedliche Weisen berechnet werden. 

Variante 1: Fahrtenbuch

Der Arbeitnehmer dokumentiert sämtliche Fahrten in einem Fahrtenbuch. Dabei wird vor und nach jeder Fahrt der Kilometerstand erfasst. Außerdem muss kenntlich gemacht werden, ob es sich um eine dienstliche oder eine private Fahrt handelt. Zur Ermittlung des geldwerten Vorteils wird dann die Zahl der privat gefahrenen Kilometer mit den Pkw-Gesamtkosten pro Kilometer multipliziert. Die Pkw-Gesamtkosten umfassen alle beim Unterhalt des Fahrzeugs anfallenden Kosten (Steuern, Reparaturen, Sprit, Wertverlust, etc.) und müssen durch entsprechende Belege dokumentiert werden. 

Variante 2: Ein-Prozent-Regelung

Wem das Fahrtenbuch zu aufwendig ist, für den gibt es eine einfachere Möglichkeit, nämlich die sogenannte Ein-Prozent-Regelung. Hierbei wird der geldwerte Vorteil als monatliche Pauschale berechnet. Grundlage ist der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs. Ein Beispiel: Nutzt der Arbeitnehmer einen Dienstwagen, dessen Bruttolistenpreis bei 40.000 Euro liegt, so beträgt der geldwerte Vorteil monatlich 400 Euro (= 1 Prozent von 40.000 Euro). Zusätzlich muss die Fahrt zum Arbeitsort versteuert werden, nämlich mit 0,03 Prozent des Listenpreises pro einfachen Kilometer. Bei 15 Kilometern Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz wären das im oben genannten Beispiel 180 Euro. Pro Monat müssten also insgesamt 580 Euro als zusätzliches Einkommen versteuert werden. Aufs Jahr gerechnet macht das insgesamt 6.960 Euro. Diese vereinfachte Form, den geldwerten Vorteil zu ermitteln, wird häufig auch als Dienstwagenprivileg bezeichnet. 

Fahrtenbuch oder Ein-Prozent-Regelung: Was lohnt sich für den Arbeitnehmer mehr?

Bei welcher Berechnungsvariante der geldwerte Vorteil niedriger ausfällt, ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Entscheidende Faktoren sind dabei der Bruttolistenpreis des Dienstwagens, die jährliche Gesamtfahrleistung sowie die Menge privater Fahrten. Grundsätzlich lässt sich feststellen: Wer einen teuren Dienstwagen wenig privat fährt, der kommt mit dem Fahrtenbuch in der Regel günstiger davon. Legt man mit dem Dienstwagen aber weite Strecken zu privaten Zwecken zurück, ist die Ein-Prozent-Regelung steuerlich oft vorteilhafter. 

Was bedeutet das für die Steuereinnahmen des Staates?

Zahlreiche Experten gehen davon aus, dass der geldwerte Vorteil mit einem Prozent in vielen Fällen zu niedrig bemessen ist. Wie oben gezeigt, hängt das aber stark von der Anzahl privat gefahrener Kilometer ab. Aufgrund der Vielzahl der Einflussfaktoren sowie der begrenzten Datenlage sind repräsentative Aussagen hier schwer zu treffen. Die Denkfabrik Agora Verkehrswende hat sich der Frage mit einer Beispielrechnung genähert. Das Szenario: "Ein Angestellter bekommt einen neuen, gut ausgestatteten VW Passat (Listenpreis 47 500 Euro) für drei Jahre als Dienstwagen gestellt, den er auch privat nutzen darf. An den Tankkosten muss er sich generell nicht beteiligen. Nach der Ein-Prozent-Regel müssen jährlich 5700 Euro versteuert werden, zuzüglich des Nutzungswerts für die Fahrt mit dem Dienstwagen zur Arbeit. Dieser wird bei 10 Kilometern einfachem Arbeitsweg mit 1700 Euro veranschlagt. In der Summe müssen so jährlich insgesamt 7400 Euro als geldwerter Vorteil versteuert werden." Die Autoren vergleichen diesen Betrag nun mit den Kosten, die bei einem privat angeschafften Auto anfallen würden: "Bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung betragen die Kosten für Wertverlust, Diesel, Versicherung, Steuern und Reparaturen laut dem Autokostenrechner des ADAC rund 12 400 Euro." Der Angestellte mit Dienstwagen muss in diesem Beispiel also jährlich 5.000 Euro weniger versteuern, als es gemäß der realen Fahrzeugkosten angemessen wäre. Bei Anwendung des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent bedeutet das eine Steuerersparnis von 2.100 Euro pro Jahr. Die Autoren weisen jedoch selbst darauf hin, dass sich aus einem solchen Beispiel keine repräsentativen Aussagen ableiten lassen. 

Ebenso schwer lässt sich feststellen, wie hoch der Ausfall an Steuereinnahmen insgesamt ist, der sich aus der pauschalen Besteuerung ergibt. Hier kursieren lediglich Schätzungen. Die Agora Verkehrswende beziffert den Einnahmenausfall auf "mindestens drei Milliarden Euro im Jahr, Tendenz steigend". Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) geht in seiner Schätzung von 3,5 bis 5,5 Milliarden Euro pro Jahr aus.

Innerhalb der Ampelkoalition ist die pauschale Dienstwagenbesteuerung umstritten. Die Grünen wollen sie stärker an den CO2-Ausstoß des jeweiligen Autos knüpfen, um Anreize zum klimafreundlicheren Verkehr zu setzen und Einnahmen für den Staat zu generieren. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner betont hingegen, dass es sich bei der Ein-Prozent-Regelung in erster Linie um eine steuerliche Vereinfachung handele, die es den Nutzerinnen und Nutzern erspare, ein Fahrtenbuch zu führen. Würde die Regelung abgeschafft, kämen für den Staat keine nennenswerten Mehreinnahmen heraus, so Lindner. Das ist eine Frage der Perspektive: Gemessen am Bundeshaushalt 2024, der eine Gesamtsumme von rund 446 Milliarden Euro umfasst, würden Mehreinnahmen zwischen drei und fünf Milliarden Euro einem Anteil von etwa 0,9 Prozent entsprechen. 

Ist das sogenannte Dienstwagenprivileg eine Subvention?

Ursprünglich wurde die Pauschalbesteuerung von Dienstwagen als Vereinfachung des Steuersystems eingeführt. Rein steuerrechtlich gilt sie nicht als Subvention und wird auch nicht im Subventionsbericht aufgeführt, in dem die Bundesregierung alle zwei Jahre über Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes informiert. Viele Experten sind jedoch der Meinung, dass die Ein-Prozent-Regelung inzwischen in sehr vielen Fällen den Charakter einer Subvention hat, weil durch die Regelung viele Arbeitnehmer weniger Einkommen versteuern müssen, als wenn sie sich den Gegenwert der erhaltenen Sachleistungen als Gehalt auszahlen lassen würden. 

Fazit: Das sogenannte Dienstwagenprivileg bezeichnet die Möglichkeit, private Fahrten mit dem Dienstwagen pauschal besteuern zu lassen. Ein Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs wird dann monatlich dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet. Auf diese Weise soll der geldwerte Vorteil abgegolten werden, den der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter durch die private Nutzung zukommen lässt. Ob diese Ein-Prozent-Regelung den geldwerten Vorteil auch angemessen abbildet, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Legt der Arbeitnehmer mit dem Dienstwagen weite Strecken zu privaten Zwecken zurück, kann es sein, dass er durch die Ein-Prozent-Regelung Steuern spart. Diese Einsparungen repräsentativ zu beziffern, ist aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren aber kaum möglich. Ebenso schwer lässt sich feststellen, wie hoch der Ausfall an Steuereinnahmen ist, der sich hieraus insgesamt für den Staat ergibt. Diesbezügliche Schätzungen schwanken zwischen drei und fünf Milliarden Euro pro Jahr.

Stand: 16.11.2023

Autoren: Tim Berressem