Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 17.01.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Alexander Kissler, Anna Mayr, George Weinberg, Oliver Kalkofe, Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Die Gäste (v.l.n.r.): Alexander Kissler, Anna Mayr, George Weinberg, Oliver Kalkofe, Marie-Agnes Strack-Zimmermann | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Rief Donald Trump die Kapitol-Stürmer zu friedvollem Protest auf? Hat Nancy Pelosi den Einsatz der Nationalgarde blockiert?

Rief Donald Trump die Kapitol-Stürmer zu friedvollem Protest auf? Hat Nancy Pelosi den Einsatz der Nationalgarde blockiert?

Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl Marie-Agnes Strack-Zimmermann und George Weinberg von den "Republicans Overseas Germany" diskutierten in der Sendung über eine mögliche zweite Präsidentschaft Donald Trumps. In diesem Zusammenhang stritten sie auch darüber, inwieweit Trump für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 verantwortlich zu machen ist. George Weinberg verwies auf die Rede, die Trump vor den Ausschreitungen gehalten hatte. Darin, so Weinberg, habe der abgewählte Präsident die Demonstranten zu friedvollem Protest aufgerufen. Größere Verantwortung für die Eskalation trage hingegen die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, weil sie die Bitte des Weißen Hauses abgelehnt habe, die US-Nationalgarde an diesem Tag zur Sicherung des Kapitols einzusetzen, sagte Weinberg. 

Sturm auf das US-Kapitol: Rief Trump zu friedvollen Protesten auf?

Maischberger: "Wie können Sie sagen, dass Donald Trump damit nichts zu tun hat?"

Weinberg: "Sie haben, liebe Frau Maischberger, Sie haben diese Bilder genauso manipuliert…"

Strack-Zimmermann: "Ach, jetzt kommt die Nummer."

Weinberg: "…wie der Kongress, dieser Untersuchungsausschuss. Sie haben nämlich rausgelassen, was er gesagt hat. Protestierer: 'peaceful' und 'patriotically'. Und das haben Sie nicht gezeigt."

Strack-Zimmermann: "Schauen Sie sich mal das Bild an. Bei Nancy Pelosi im Büro. Ist das 'peaceful'? Dem würde ich was erzählen mit seinen Schuhen auf meinem Schreibtisch. Sorry."

Maischberger: "Wir haben gekürzt, aber wir haben nicht manipuliert. Möchte ich noch mal sagen."

Weinberg: "Also, diese zwei Worte sind entscheidend für das, was da passiert ist."

Maischberger: "Okay."

Weinberg: "Außerdem hat Trump und das Weiße Haus die Pelosi gebeten, die National Guard zwei Tage vor den Demonstrationen, vor der Versammlung dort [zu postieren], um die Sicherheit des Kapitols zu sichern. Das hat die Pelosi abgelehnt."

Stimmt das? Rief Donald Trump die Kapitol-Stürmer zu friedvollem Protest auf? Hat Nancy Pelosi den Einsatz der Nationalgarde blockiert?

Die in der Sendung diskutierte Rede hielt Donald Trump am 6. Januar 2021, dem Tag, an dem der Kongress den Wahlsieg des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden bestätigen sollte. Trump, der bei der Wahl im November 2020 knapp 7 Millionen Wählerstimmen ("Popular Vote") und 74 Wahlmännerstimmen ("Electoral Vote") weniger als Biden erhalten hatte, akzeptierte seine Niederlage nicht. Immer wieder behauptete er, die Wahl sei von den Demokraten manipuliert worden, ohne dass er konkrete Beweise dafür vorlegen konnte. Zahlreiche Nachzählungen und Untersuchungen konnten keinerlei Wahlfälschung oder -manipulation nachweisen. Auch die von Trumps Wahlkampfteam selbst beauftragten externen Prüfer fanden keine Indizien. Sämtliche gerichtliche Klagen Trumps gegen das Wahlergebnis – insgesamt waren es 62 – wurden bis heute zurückgewiesen. Dennoch rief er seine Anhänger via Twitter dazu auf, am 6. Januar 2021 nach Washington, D.C. zu kommen, um gegen die Bestätigung des Wahlergebnisses auf die Straße zu gehen. 

Die Rede hielt Trump am Mittag des 6. Januar 2021, vor der geplanten Kongresssitzung, in einem Park nahe des Weißen Hauses. Etwas über eine Stunde lang sprach Trump zu seinen Anhängern. Die Rede kann hier im Wortlaut nachgelesen oder in voller Länge angesehen werden.

Darin wiederholte Trump seine Behauptung, die Wahl sei von den Demokraten manipuliert worden. Den damaligen Vizepräsidenten Mike Pence rief er dazu auf, die Wahlmännerstimmen aus den besonders umkämpften Bundesstaaten im Kongress zurückzuweisen und die Zertifizierung des Wahlergebnisses somit zu blockieren. Seine Anhänger forderte Trump schließlich auf, mit ihm zusammen vor das Kapitol zu ziehen und gegen die Anerkennung des Wahlergebnisses zu demonstrieren. 

Was sagte Trump wörtlich?

Inwieweit Donald Trump für die anschließende Eskalation der Demonstration verantwortlich ist, damit beschäftigte sich der US-Senat später eingehend in einem Amtsenthebungsverfahren (engl. Impeachment) gegen Trump. Zwar war er bereits aus dem Amt gewählt worden, doch durch eine nachträgliche Amtsenthebung hätte er außerdem nicht nur seine Pensionsansprüche verloren, sondern wäre auch lebenslang für Ämter auf Bundesebene gesperrt worden. Eine erneute Präsidentschaftskandidatur wäre damit unmöglich gewesen. 

Zentraler Gegenstand des Amtsenthebungsverfahrens war ebenjene Rede, die in unserer Sendung diskutiert wurde. Wie unser Studio-Gast George Weinberg argumentierten auch Trumps Verteidiger, ihr Mandant habe zu friedvollen Protesten aufgerufen. Dabei verwiesen sie auf eine Textpassage, in der Trump wörtlich sagte: "I know that everyone here will soon be marching over to the Capitol building to peacefully and patriotically make your voices heard." Auf Deutsch: "Ich weiß, dass gleich alle hier zum Kapitol marschieren werden, um friedlich und patriotisch Ihrer Stimme Gehör zu verschaffen."

Die umfangreiche Rede enthält aber auch viele Passagen, die die Ankläger als Anstachelung der Demonstranten durch Donald Trump betrachteten. Im Rahmen des Impeachment-Verfahrens konzentrierte man sich auf folgende Passage: 

"All of us here today do not want to see our election victory stolen by emboldened radical-left Democrats, which is what they’re doing. And stolen by the fake news media. That’s what they’ve done and what they’re doing. We will never give up, we will never concede. It doesn’t happen. You don’t concede when there’s theft involved. [...] And after this, we’re going to walk down, and I’ll be there with you, we’re going to walk down, we’re going to walk down. [...] And we fight. We fight like hell. And if you don’t fight like hell, you’re not going to have a country anymore."

Auf Deutsch:

"Niemand von uns hier will heute sehen, dass unser Wahlsieg von ermutigten radikal-linken Demokraten gestohlen wird, was sie gerade tun. Und gestohlen wird von der Fake-News-Presse. Denn das haben sie getan und das tun sie gerade. Wir werden niemals aufgeben, wir werden niemals [die Wahlniederlage] einräumen. Das wird nicht geschehen. Man räumt nichts ein, wenn Diebstahl stattgefunden hat. [...] Und danach werden wir hinuntergehen, wir werden hinuntergehen. [...] Und wir kämpfen. Wir kämpfen wie der Teufel. Und wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben."

(Anm. d. Red.: Die mit […] gekennzeichneten Auslassungen wurden zum Zwecke der besseren Nachvollziehbarkeit des Zitats vorgenommen. Sie sind nicht sinnverändernd. Für den vollständigen Wortlaut verweisen wir auf den oben angeführten Link.)

Insgesamt 20-mal kommt das Wort "fight" in der Rede vor, die die Ankläger als Anstachelung und Aufforderung zum folgenden Aufruhr werteten, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und zahlreiche weitere Personen verletzt wurden, darunter 140 Polizisten. Laut Aussagen einer ehemaligen Mitarbeiterin des Weißen Hauses wusste Donald Trump zum Zeitpunkt der Rede, dass einige seiner Anhänger bewaffnet waren.

Dennoch endete das Impeachment-Verfahren mit einem Freispruch, da nicht die zur Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit im Senat zustande kam. Im Sinne der Klage mit "schuldig" stimmten 57 der 100 Mitglieder des Senats. Darunter befanden sich sämtliche 50 Senatoren der Demokratischen Partei. Eine Minderheit von 43 Mitgliedern des Senats hielt Trump in der namentlichen Abstimmung für "nicht schuldig". Sieben Senatoren der Republikaner votierten gegen Trump, darunter der Präsidentschaftskandidat aus dem Jahr 2012, Mitt Romney. Der republikanische Fraktionsvorsitzende Mitch McConnell stimmte zwar gegen eine Amtsenthebung, machte aber in seiner abschließenden Stellungnahme Donald Trump de facto verantwortlich für den Sturm auf das Kapitol: "Es besteht keine Frage! Keine! Präsident Trump ist praktisch und moralisch verantwortlich dafür, die Ereignisse an diesem Tag provoziert zu haben. Das steht außer Frage!", so McConnell. Für eine Verurteilung Trumps verwies er jedoch auf den Klageweg vor den ordentlichen Strafgerichten.

Blockierte Nancy Pelosi den Einsatz der Nationalgarde am Kapitol?

Unser Studio-Gast George Weinberg sagte in der Sendung, dass die zum Zeitpunkt des Kapitolsturms amtierende Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, zur Eskalation beigetragen habe, indem sie eine Bitte des Weißen Hauses, die Nationalgarde vor dem Kapitol zu postieren, abgelehnt habe. Diese Behauptung begann schon kurz nach den Ausschreitungen zu kursieren und verbreitete sich vor allem unter Trump-Unterstützern. Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ist dem Thema in einem umfangreichen Faktencheck nachgegangen, auf den wir hier gerne verweisen.

Demnach liegt die Entscheidungsgewalt darüber, ob die Nationalgarde zur Sicherung des Kapitols um Unterstützung gefragt wird, nicht bei der Sprecherin des Repräsentantenhauses, sondern beim sogenannten Capitol Police Board. Dies ist eine Kommission, die sich aus drei Amtsträgern zusammensetzt: dem Architekten des Kapitols, dem Sergeant at Arms des Senats sowie dem Sergeant at Arms des Repräsentantenhauses. Diese drei sind für die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen rund um das Kapitol zuständig. 

Im Vorfeld der Demonstrationen entschieden sie sich gegen einen Einsatz der Nationalgarde. Nachdem der Aufruhr begonnen hatte, forderten sie ihre Unterstützung aber schließlich an. Dabei sprach sich das Capitol Police Board sowohl mit Nancy Pelosi ab als auch mit Mitch McConnell, dem damaligen republikanischen Mehrheitsführer im Senat. Es gibt keine Hinweise darauf, dass einer von beiden den Einsatz der Nationalgarde zu verhindern versuchte. Auch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Weiße Haus oder Präsident Trump vor dem 6. Januar mit der Bitte an Nancy Pelosi herangetreten wäre, das Kapitol von vornherein mit Hilfe der Nationalgarde zu sichern. Die Behauptung ist demzufolge als falsch zu betrachten. 

Fazit: George Weinberg von den "Republicans Overseas Germany" sagte in der Sendung, Trumps Rede, die er unmittelbar vor dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 hielt, habe nicht zur Aufstachelung seiner Anhänger beigetragen. Stattdessen habe er zu friedvollen und patriotischen Protesten aufgerufen. Tatsächlich benutzte Trump diese Worte in seiner Rede: "peacefully" und "patriotically". Jedoch finden sich in der sehr umfänglichen Rede auch zahlreiche Passagen, die durchaus als Aufruf zur Gewalt verstanden werden können – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Trump offenbar um die Bewaffnung einiger seiner Anhänger wusste. George Weinberg sagte außerdem, dass die Demokratin Nancy Pelosi den Einsatz der Nationalgarde zur Absicherung des Kapitols im Vorhinein abgelehnt hätte. Dafür gibt es allerdings keine Hinweise, die Aussage ist als falsch zu betrachten. 

Stand: 18.01.2024

Autor: Tim Berressem