Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 16.06.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Sophia Maier, Ralf Stegner, Carlo Masala, Karin Prien, Werner Sonne
Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Sophia Maier, Ralf Stegner, Carlo Masala, Karin Prien, Werner Sonne | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie wurde 1962 die Kuba-Krise gelöst?

Wie wurde 1962 die Kuba-Krise gelöst?

SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner plädierte in der Sendung dafür, die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs zu intensivieren. Als historisches Beispiel für die Wirksamkeit von Diplomatie verwies er auf die Kuba-Krise in den 1960er-Jahren. Damals sei eine militärische Eskalation zwischen den USA und der Sowjetunion durch Verhandlungen verhindert worden, so Stegner. Militärexperte Carlo Masala entgegnete, diese Verhandlungen seien erst zustande gekommen, nachdem die USA militärische Konsequenzen angedroht hätten. Die genauen Hintergründe schauen wir uns hier noch einmal näher an.

Als der Kalte Krieg "heiß" zu werden drohte: Wie wurde 1962 die Kuba-Krise gelöst? | Video verfügbar bis 16.06.2026

Stegner: "Ich finde das immer richtig, dass man mit denen redet, deren Auffassung man nicht teilt. Das hat uns übrigens – und das zeigt uns, dass auch in der Sowjet-Phase das alles nicht so friedlich war – den Dritten Weltkrieg erspart in der Kuba-Krise. Weil Kennedy genau das getan hat, nicht militärisch zu reagieren, wie ihm empfohlen worden ist, sondern zu reden, diplomatische Einigung zu erzielen. Die Wissenschaft ist sich darüber einig, Herr Masala, dass das diese Situation war, wo wir am nächsten am Dritten Weltkrieg dran waren."

Masala: "Ja, das teile ich. Aber jetzt noch mal sozusagen, da schlagen wir die Brücke von Kennedy zu Willy Brandt: Kennedy hat angefangen diese Halbentspannungspolitik zur Sowjetunion zu betreiben, nachdem er der Sowjetunion, Chruschtschow, sehr klar signalisiert hat, wenn du die Seeblockade durchbrichst um Kuba, schießen wir deinen Tanker in Grund und Boden. So, dann sind die Sowjets abgedreht, dann war erst mal sozusagen die heiße Phase vorbei. Dann fing die Entspannung an. Also hier wieder: Militärische Stärke und Entschlossenheit gekoppelt mit Verhandlungsangeboten, genau so wie bei Willy Brandt."

Stegner: "Fakt ist, er hat das Gegenteil dessen getan, was ihm geraten worden ist von der Öffentlichkeit. Und ich sage nur, die Lehre aus den Weltkriegen ist auch –"

Masala: "Nee, Fakt ist, er hat den Sowjets angedroht, sie zu beschießen mit ihrem Tanker, wenn sie die Blockade durchbrechen. Es tut mir leid, das ist historischer Fakt."

Hintergrund: Wie wurde 1962 die Kuba-Krise gelöst?

Die sogenannte Kuba-Krise gilt als Höhepunkt des Kalten Krieges, und nicht wenige Historiker vertreten die Einschätzung, dass das Risiko eines Dritten Weltkrieges nie höher war als in jenen 13 Tagen im Oktober 1962.

Sowjetunion stationierte Atomraketen auf Kuba

Auslöser der Krise war die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf der Karibikinsel, die am 14. Oktober 1962 von einem US-Aufklärungsflugzeug entdeckt wurden. Die Raketen vom Typ SS-4 bzw. SS-5 konnten mit Atomsprengköpfen bestückt werden und hatten eine Reichweite von bis zu 4.500 Kilometern. Damit hätten sie neben der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. auch alle wichtigen Industriestädte der USA erreichen können. Die Vorwarnzeit hätte nur fünf Minuten betragen.

Am Abend des 22. Oktober 1962 informierte der damalige US-Präsident John F. Kennedy die Weltöffentlichkeit im Rahmen einer Fernsehansprache über die in Kuba stationierten Raketen. Außerdem kündigte er eine Seeblockade rund um Kuba an, um weitere Waffenlieferungen aus der Sowjetunion zu unterbinden. Wörtlich sagte Kennedy: "Alle für Kuba bestimmten Schiffe, gleichgültig welcher Nationalität sie sind oder von welchem Hafen sie kommen, werden, falls festgestellt wird, dass sie als Fracht Offensivwaffen an Bord haben, abgewiesen." Wie weit die USA bei der Durchsetzung der Blockade im Ernstfall gehen würden, ließ Kennedy in seiner Rede zunächst offen. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums machte jedoch wenig später deutlich: "Wir werden, falls das notwendig ist, russische Schiffe versenken."

US-Präsident Kennedy forderte Abzug der Raketen – und drohte mit Gegenschlag

Darüber hinaus rief Kennedy den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow zum Abzug der bereits vorhandenen Raketen aus Kuba auf. Für den Fall eines sowjetischen Angriffs drohte der US-Präsident mit einem Gegenschlag. "Wir werden weder voreilig noch unnötigerweise die Folgen eines weltweiten Atomkrieges riskieren, bei dem selbst die Früchte des Sieges nur Asche auf unseren Lippen wären – aber wir werden auch niemals und zu keiner Zeit vor diesem Risiko zurückschrecken, wenn wir uns ihm stellen müssen", erklärte Kennedy in seiner Fernsehansprache. Chruschtschow hingegen verkündete öffentlich, die Blockade nicht zu akzeptieren, und versicherte, die stationierten Raketen dienten allein der Verteidigung.

Doch als die Seeblockade – die US-Regierung sprach offiziell von "Quarantäne" – am 24. Oktober 1962 in Kraft trat, verfehlte sie ihre Wirkung nicht. Die sowjetischen Frachter, die bereits auf dem Weg nach Kuba waren, kehrten um. An der grundsätzlichen Haltung der sowjetischen Regierung änderte das aber nichts. Die bereits installierten Raketen blieben auf Kuba. Kennedys Beraterstab, das sogenannte ExComm (Executive Committee of the National Security Council), debattierte daraufhin über militärische Schritte. Die Hardliner innerhalb des Gremiums plädierten für Luftangriffe und nötigenfalls für eine Invasion Kubas durch die US-Armee. Doch Kennedy mahnte zur Zurückhaltung. Denn Chruschtschow hatte mittlerweile in einem Brief die Bereitschaft signalisiert, die Raketen abzuziehen, wenn im Gegenzug die US-Amerikaner eine Invasion Kubas ausschließen würden.

Damit war die Krise aber noch nicht beigelegt. Denn schon einen Tag später richtete Chruschtschow in einem offenen Brief eine weitere Forderung an Kennedy. Der Kremlchef koppelte den möglichen Abzug der russischen Raketen aus Kuba an einen Abzug amerikanischer Jupiter-Raketen aus der Türkei, die dort vier Jahre zuvor unter Präsident Dwight D. Eisenhower stationiert worden waren.

Einigung durch Geheimverhandlungen

Die US-Regierung ließ diese Forderung öffentlich unkommentiert. Gleichzeitig aber nahm Justizminister Robert F. Kennedy geheime Verhandlungen mit dem sowjetischen Botschafter Anatoli Dobrynin auf. Der Bruder des US-Präsidenten stellte Moskau den Abzug der amerikanischen Raketen aus der Türkei in Aussicht, jedoch nur unter der Bedingung, dass dies nicht Teil der offiziellen Vereinbarung würde. Der Grund: Angesichts der bevorstehenden Kongresswahlen im November 1962 sollte der US-Präsident nach außen hin als deutlicher Sieger aus dem Konflikt mit den Sowjets hervorgehen. Chruschtschow akzeptierte das Angebot. Die Raketenstützpunkte auf Kuba wurden abgebaut. Im Gegenzug verzichteten die USA auf eine Invasion Kubas und zogen zwei Jahre später unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Raketen aus der Türkei ab.

Damit endete die Kuba-Krise, die der damalige UN-Generalsekretär U Thant als "gefährlichste Konfrontation der beiden Weltmächte" bezeichnete. Um ähnliche Konflikte in der Zukunft zu verhindern, etablierte man einen direkten Kommunikationsweg zwischen Washington und Moskau, den sogenannten "Heißen Draht", auch bekannt als "Rotes Telefon". Über 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges richteten Russland und die NATO 2015 wieder eine direkte Verbindung zwischen ihren Generalstäben ein. Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim durch Russland angeregt, wieder eine ständige Verbindung für Krisenfälle herzustellen.

Kurz nach der russischen Vollinvasion der Ukraine im Februar 2022 wurde zudem eine direkte Verbindung zwischen dem Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte und Moskau eingerichtet.

Inwieweit die Kuba-Krise als Vorbild für die diplomatischen Bemühungen im Ukraine-Krieg dienen kann, wie es Ralf Stegner in unserer Sendung nahelegte, ist eher fraglich. Anders als damals im Kalten Krieg haben wir es heute mit einem "heißen" Krieg zu tun. Zwar könnte der "Heiße Draht" möglicherweise dazu beitragen, einen Friedensvertrag zu verhandeln. Doch wie aus informierten Kreisen immer wieder zu hören ist, signalisiert der Kreml bislang keinerlei Bereitschaft für Zugeständnisse, wie sie im exemplarischen Fall der Kuba-Krise am Ende von beiden Konfliktparteien gemacht wurden.

Fazit: Wie Ralf Stegner in der Sendung richtig sagte, wurde die Kuba-Krise im Jahr 1962 durch diplomatische Anstrengungen zwischen den USA und der Sowjetunion gelöst. Carlo Masala hat jedoch ebenfalls Recht, wenn er betont, dass den Verhandlungen eine militärische Drohung der Vereinigten Staaten vorausgegangen war. Am Ende erklärten sich beide Seiten bereit, Zugeständnisse zu machen. Im Ukraine-Krieg, der seit Februar 2022 andauert, scheint eine Lösung hingegen weit entfernt, da der Kreml bislang keine Bereitschaft signalisiert, der ukrainischen Regierung in Verhandlungen entgegenzukommen.

Stand: 17.06.2025

Autor: Tim Berressem