Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 25.06.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Markus Feldenkirchen, Anna Schneider, Verena Hubertz, Albrecht von Lucke, Karl-Theodor zu Guttenberg, Omid Nouripour
Die Gäste (v.l.n.r.): Markus Feldenkirchen, Anna Schneider, Verena Hubertz, Albrecht von Lucke, Karl-Theodor zu Guttenberg, Omid Nouripour | Bild: WDR / Thomas Kierok

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Kann die Bundeswehr aus Datenschutzgründen keine Reservisten kontaktieren?

Kann die Bundeswehr aus Datenschutzgründen keine Reservisten kontaktieren?

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Omid Nouripour (B’90/Grüne) sprachen in der Sendung u.a. über die personelle Aufstellung der Bundeswehr. Dabei ging es auch um die Bedeutung von Reservisten. Das Problem: Aus Gründen des Datenschutzes könne die Bundeswehr diese Menschen nicht mehr ohne Weiteres kontaktieren. Die Hintergründe schauen wir uns hier genauer an.

Datenschutz: Kann die Bundeswehr derzeit keine Reservisten kontaktieren?

Maischberger: "Herr zu Guttenberg, Sie waren der Verteidigungsminister bis 2011. Jetzt gibt es Datenschutzprobleme, die Reservisten einzuziehen. Man hat vielleicht die Namen, aber auf keinen Fall die Adressen. Wie konnte das passieren?"

zu Guttenberg: "Also ich meine, unsere Privatsphärenobsession in diesem Lande ist ja mittlerweile auch Legende. Also das zeigt sich in dieser Frage auch. Wie das passieren konnte, weiß ich im Einzelnen nicht, weil mein Rücktritt dem zuvorkam. Die Umsetzung der Aussetzung der Wehrpflicht war eine, die dann auch in die Verantwortung meines Nachfolgers fiel. Ich sage das jetzt nicht als Ausflucht. Es wäre möglicherweise auch mir als Versäumnis passiert, also ich schließe das gar nicht aus."

Maischberger: "Die Kreiswehrersatzämter wurden quasi geschlossen und damit sind diese Daten weg gewesen."

zu Guttenberg: "Ja, aber es heißt dann immer, jetzt sind die Gebäude nicht mehr da, man könnte gar nicht mehr einziehen, Kreiswehrersatzämter –"

Maischberger: "Die Daten sind weg."

zu Guttenberg: "Da hätte ich aber Sie gerne alle gehört dann in dem Moment, wenn man sagt, man hält das weiterhin vor."

(…)

Maischberger: "Kriegt man es denn gebacken, den Datenschutz so zu verändern, dass die Bundeswehr diese Daten vom Einwohnermeldeamt dann kriegt?"

Nouripour: "Ja."

Maischberger: "Okay. Schön. Das ist eine schnelle Problemlösung, da warten wir drauf."

Nouripour: "Die müssen andere bewerkstelligen. Aber es gibt ganz viele Länder in der EU, die haben ähnliche Richtlinien, die können das auch. Das könnten wir auch. Aber ich bleibe dabei, die Freiwilligkeit sollte Vorrang haben, und dann sollten wir uns mal angucken, ob es funktioniert."

Hintergrund: Kann die Bundeswehr aus Datenschutzgründen keine Reservisten kontaktieren?

Angesichts der angespannten Sicherheitslage in Europa will Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Zahl der Bundeswehrsoldaten in den nächsten Jahren deutlich aufstocken. Im Rahmen des NATO-Gipfels in Den Haag bekräftigte Pistorius sein Ziel, die aktiven Streitkräfte um 60.000 Soldaten zu verstärken. Gleichzeitig betonte er die Bedeutung von Reservisten, deren Zahl langfristig auf 200.000 steigen soll. Aktuell gibt es in Deutschland nur knapp 51.000 aktive Reservisten, die regelmäßig an Bundeswehrübungen teilnehmen. Um diese erhebliche Personallücke zu schließen, will das Verteidigungsministerium nicht nur einen neuen Wehrdienst einführen, sondern auch bereits vorhandene Reservisten, die nicht mehr aktiv in die Bundeswehr eingebunden sind, reaktivieren.

Denn als Reservist gilt der Definition nach jede Person, die mindestens einen Tag in der Bundeswehr gedient und ihren Dienstgrad seither nicht verloren hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Person ausschließlich ihren Grundwehrdienst abgeleistet hat, als Soldat auf Zeit tätig war oder als Berufssoldat. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erhält jeder ganz automatisch den Status "Reservist".

Aktuell gibt es in Deutschland etwa 10 Millionen ehemalige Soldatinnen und Soldaten. Der Großteil steht der Bundeswehr allerdings nicht mehr als Reservist zur Verfügung – entweder aus gesundheitlichen Gründen oder durch das Überschreiten der Altersgrenze von 65 Jahren. Neben den 51.000 aktiven Reservisten (siehe oben) bleiben etwa 900.000, die nicht an regelmäßigen Übungen teilnehmen, aber theoretisch verfügbar wären. Diese Gruppe wird als Allgemeine Reserve bezeichnet.

Doch wie bereits in der Sendung deutlich wurde, kann die Bundeswehr diese Personen nicht ohne Weiteres kontaktieren. Denn nach dem Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 wurden auch die Kreiswehrersatzämter aufgelöst. Sie waren bis dahin dafür zuständig, die Adressen der Reservisten zu erfassen und aktuell zu halten. Diese Datenbank existiert nun nicht mehr. Ein Umstand, den der Vorsitzende des Reservistenverbands, Patrick Sensburg, kürzlich gegenüber der "Financial Times" beklagte. Man habe den Kontakt zu den Ehemaligen verloren, sagte Sensburg dem Bericht zufolge. "Wir wissen nicht einmal, wie fit sie körperlich sind, ob sie noch einmal dienen möchten." Die derzeitigen Datenschutzbestimmungen in Europa und Gesetze in Deutschland hätten die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten weiter erschwert. So ist es der Bundeswehr derzeit nicht möglich, die aktuellen Adressen bei den Einwohnermeldeämtern abzufragen. Auch der Reservistenverband, dem ehemalige Soldaten freiwillig beitreten können und der somit über einen Teil der Daten verfügt, darf diese nicht mit der Bundeswehr teilen.

Der "Financial Times" zufolge prüfe das Verteidigungsministerium nun, wie man den Datenschutz "mit den Anforderungen der Reservistenarbeit – und der Wiederaufnahme der militärischen Erfassung und Überwachung, die wir im Rahmen eines neuen Wehrdienstmodells anstreben" wieder in Einklang bringen könne. Ob das Ministerium eine entsprechende Gesetzesänderung erwirken kann, ist noch offen.

Bevor die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde, regelte Paragraph 15 des Wehrpflichtgesetzes (WPflG), dass zur Erfassung wehrpflichtiger Personen die Daten aus dem amtlichen Melderegister genutzt werden dürfen. Diese Regelung müsste aktualisiert und an geltende Datenschutzrichtlinien angepasst werden, damit die Bundeswehr in Zukunft Personen anschreiben darf, die für den Wehrdienst in Frage kommen.

Wer schon einmal einen Werbebrief von der Bundeswehr erhalten hat, könnte sich an dieser Stelle fragen: Warum ist das erlaubt? Woher weiß die Bundeswehr, wo ich wohne? Und warum weiß sie dann nicht, wo die Reservisten wohnen? Die Antwort findet sich in Paragraph 58c des Soldatengesetzes (SG). Hier ist klar geregelt, dass die Meldebehörden der Bundeswehr regelmäßig Namen und Anschriften von Staatsbürgern zur Verfügung stellen, die im nächsten Jahr volljährig werden. Diese Daten dürfen aber ausdrücklich nur dazu genutzt werden, die Adressaten über Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr zu informieren. Zudem muss die Bundeswehr die Daten spätestens nach Ablauf eines Jahres wieder löschen. Auch gibt es die Möglichkeit, der Datenübermittlung im Voraus zu widersprechen.

Fazit: Tatsächlich ist es der Bundeswehr aktuell nicht möglich, die knapp 900.000 inaktiven Reservisten in Deutschland zu kontaktieren. Denn die dafür notwendige Datenbank wurde nach der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 aufgelöst. Geltende Datenschutzbestimmungen verbieten es der Bundeswehr außerdem, personenbezogene Daten bei den Meldebehörden oder beim Reservistenverband abzufragen. Um das in Zukunft zu ermöglichen, kündigte das Bundesverteidigungsministerium an, eine entsprechende Gesetzesänderung zu prüfen.

Stand: 26.06.2025

Autor: Tim Berressem