Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 24.09.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Rainer Hank, Melanie Amann, Hendrik Streeck, Ralf Stegner, Joachim Llambi, Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Die Gäste (v.l.n.r.): Rainer Hank, Melanie Amann, Hendrik Streeck, Ralf Stegner, Joachim Llambi, Marie-Agnes Strack-Zimmermann | Bild: WDR / Melanie Grande

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie viel russisches Flüssiggas kommt nach Deutschland und Europa?

Wie viel russisches Flüssiggas kommt nach Deutschland und Europa?

Die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und der Bundestagabgeordnete Ralf Stegner (SPD) diskutierten in der Sendung u.a. über die russischen Flüssiggaslieferungen in die EU. Strack-Zimmermann nannte diese einen "Skandal", an dem es nichts zu beschönigen gebe. Stegner machte den Vorschlag, die in der EU eingefrorenen Vermögenswerte russischer Unternehmen für den Wiederaufbau in der Ukraine zu verwenden. Doch wie viel Flüssiggas importieren Deutschland und die EU tatsächlich aus Russland? Und ist der Vorwurf, hierdurch den Krieg in der Ukraine mitzufinanzieren, gerechtfertigt? Die Faktenlage dazu schauen wir uns hier noch einmal genauer an.

Energieimporte: Wie viel russisches Flüssiggas kommt nach Deutschland und Europa? | Video verfügbar bis 24.09.2026

Strack-Zimmermann: "Sorry, das ist ein Skandal. Da gibt’s auch überhaupt nichts zu beschönigen. (…) Wir haben einzelne Länder, die immer noch, und das ist eine Perversion, Flüssiggas kaufen, also Geld überweisen, mit dem gleichzeitig die Kriegskasse gefüllt ist. Das ist ein Skandal und ich bin froh, dass die Kommissionspräsidentin endlich dafür Sorge tragen will. (…) Ich könnte Ihnen auch Firmen nennen, in der Bundesrepublik, in Nachbarstaaten, die nach wie vor Geschäfte mit Russland machen, als ob es dieses Morden in der Ukraine nicht gäbe."

Stegner: "Was man tun könnte, sind die Assets, die hier liegen auf Banken, dass man da nicht nur die Zinserträge verwendet, sondern dass man das nutzt, um den Wiederaufbau in der Ukraine zu finanzieren. Denn wenn jemand einen Krieg anfängt, andere Länder zerstört, finde ich, kann man sagen, das ruiniert nicht den Bankenstandort Deutschland, wenn man sagt, in solchen Ausnahmefällen wird das Geld dafür benutzt. Dafür bin ich schon lange, dass man das macht."

Hintergrund: Wie viel russisches Flüssiggas kommt nach Deutschland und Europa?

Donald Trump hat bei der UN-Vollversammlung am 23.09.2025 seine Forderung an die europäischen Staaten erneuert, kein Öl und Gas aus Russland zu kaufen. "Sie müssen unverzüglich alle Energiekäufe aus Russland einstellen", sagte Trump. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine wird der Europäischen Union (EU) vorgeworfen, sie habe sich zu abhängig von Russland gemacht und beziehe trotz bestehender Sanktionen weiter Energie aus Russland. Um die Hintergründe besser zu verstehen, lohnt es sich, die Energieimporte und Sanktionen genauer zu betrachten.

Bisherige Sanktionen

Seit dem Angriff auf die Ukraine hat die EU zahlreiche Sanktionspakete gegen Russland verhängt, insgesamt 18. Diese richteten sich zu Beginn vorwiegend gegen Einzelpersonen und Organisationen, mittlerweile zunehmend auch gegen bestimmte Wirtschaftszweige wie den Energiebereich. Bereits das fünfte Sanktionspaket, das im April 2021 beschlossen wurde, enthielt ein Einfuhrverbot für Kohle und andere feste fossile Brennstoffe aus Russland. Zwei Monate später folgte das sechste Sanktionspaket, das die Einfuhr von Rohöl und raffinierten Erdölerzeugnissen aus Russland schrittweise verbot.

Für Länder, die durch ihre geografische Lage besonders abhängig von russischen Öl-Lieferungen über Pipelines waren, gab es aber Ausnahmen, diese galten für Bulgarien, Kroatien und Tschechien. Die weiteren Sanktionspakete schrieben Preisobergrenzen für russisches Roh- und Erdöl, Verbote über die Beförderung derselben Produkte sowie ein Verbot für die Einfuhr von verflüssigtem Propangas fest. Flüssigerdgas, kurz LNG (Liquefied Natural Gas), hingegen blieb lange unberührt von den Sanktionen der EU. Erst im 14. Sanktionspaket im Juni 2024 wurde ein Verbot gegen russisches Erdgas erlassen. Demnach darf auf EU-Gebieten kein russisches Flüssigerdgas mehr verladen werden, wenn es danach an Drittstaaten weiterverkauft werden soll. Zudem gab es ein Verbot für Investitionen zur Fertigstellung russischer LNG-Projekte. Außerdem verabschiedete die EU Maßnahmen gegen "Putins Schattenflotte". Damit sind Schiffe aus Drittländern gemeint, die russisches Erdöl über die Ozeane transportieren. Meist handelt es sich dabei um ältere Tanker, die normalerweise bereits ausgemustert würden. Diese Schiffe genügen häufig nicht den aktuelle Sicherheits- und Umweltstandards und fahren nicht unter russischer Flagge. Sie führen zudem gefährliche Praktiken wie Öltransfers auf dem offenen Meer durch und schalten ihre Transponder aus. Für sie gilt u.a. ein Zugangsverbot an allen EU-Häfen. Laut EU sind die russischen Einnahmen durch die Ölpreisobergrenze und die Sanktionen gegen die Schattenflotte um 38 Milliarden zurückgegangen. Demnach lagen die Einnahmen Russlands im März 2025 13,7 Prozent unter jenen vom März 2023 und gut 20 Prozent unter jenen vom März 2022. Im Sommer 2025 wurde schließlich das endgültige Aus für Nordstream 1 und 2 beschlossen.

Die Sache mit dem Gas

Für Russland ist die EU aber nach wie vor ein wichtiger Absatzmarkt. Im August 2025 gingen über die Hälfte des russischen LNG-Exports an die EU. Zum Vergleich: 21 Prozent gingen an China und 18 Prozent an Japan. Verglichen mit den Vorjahren ist die Tendenz bisher sogar steigend. Die EU rangiert auf Platz vier der fünf größten Abnehmer russischer fossiler Brennstoffe. Das bedeutet, dass allein im August etwa 1,2 Milliarden Euro und damit etwa 8 Prozent der russischen Exporteinnahmen aus der EU stammen. Laut dem finnischen Thinktank Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) haben europäische Unternehmen damit innerhalb der ersten acht Monate dieses Jahres mehr als elf Milliarden Euro für fossile Energien an Russland gezahlt.

Denn reguläre Flüssiggaslieferungen aus Russland sind von den aktuell geltenden Sanktionen der EU kaum betroffen. Das liegt auch daran, dass viele europäische Länder nach wie vor auf russisches Flüssiggas angewiesen sind, um die ausgebliebenen Pipeline-Importe zu kompensieren. Erdgas machte 2023 mehr als 20 Prozent des Energiemixes der EU aus. Nach einer Auswertung der EU stammten 2024 knapp 19 Prozent des in der EU verbrauchten Erdgases aus Russland.

Wie kommt russisches LNG nach Deutschland?

Das LNG kommt in Tankschiffen aus Russland an europäischen Häfen an. Von dort wird es über Pipelines ins europäische Gasnetz geleitet. Die größten Abnehmer sind Frankreich, Spanien, die Niederlande, Belgien und Italien. Doch ob diese Länder das LNG tatsächlich selber verbrauchen, ist unklar. Denn die Abnehmerländer transportieren das Gas oft weiter in andere europäische Staaten, die in der Statistik meist nicht als Abnehmer auftauchen. Deutschland z.B. weist russisches LNG nicht gesondert aus, da es, wenn überhaupt, aus anderen europäischen Ländern stammt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schätzt den Anteil von russischem LNG in Deutschland auf 3 Prozent.

Ein Unternehmen, das Gas aus Russland bezieht, ist SEFE (Securing Energy for Europe). Früher war es unter dem Namen Gazprom Germania bekannt. Seit 2022 ist SEFE deutsches Staatseigentum. Über die Hafenterminals in Dunkerque in Frankreich, Zeebrugge in Belgien oder im spanischen Bilbao gelangen die Gaslieferungen für SEFE in die EU. Von dort werden sie weiter nach Deutschland transportiert. SEFE begründet die LNG-Lieferungen aus Russland mit unkündbaren Altverträgen. Im laufenden Jahr rechnet das Unternehmen mit etwa 50 LNG-Lieferungen aus der Russischen Föderation.

Durch den LNG-Handel mit Russland finanziere die EU den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit, sagt der Wissenschaftler Petras Katinas von CREA. Ebenso sieht es Julian Schwartzkopff, Gasexperte bei der DUH. Es sei inakzeptabel, dass der Gashandel Putin so viel Geld einbringe.

Der aktuelle geltende Plan des 18. Sanktionspaketes sieht vor, erst ab 2028 auf russisches Flüssiggas zu verzichten. Nach der UN-Vollversammlung sprach sich Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, allerdings dafür aus, dies um ein Jahr vorzuziehen und den Import komplett zu beenden. Diese Neuerung steht nun im 19. Sanktionspaket zur Debatte. Darüber beraten Vertreter der Länder in den kommenden Tagen.

Fazit: Es stimmt, dass trotz des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine weiterhin fossile Energien aus Russland in die EU und nach Deutschland geliefert werden. Die Sanktionen, die von der EU bisher beschlossen wurden, hatten Flüssiggas lange Zeit ausgeklammert. Die EU hat nun angekündigt, diese Lücken in den bisherigen Sanktionspaketen zu schließen und ab 2027 völlig auf fossile Energien aus Russland zu verzichten.

Stand: 26.09.2025

Autorin: Tabea Berger