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FSC – ein Siegel für das gute Gewissen?

FSC-Siegl auf einer Papp-Verpackung
Es gibt 46 nationale FSC-Standards mit unterschiedlichen Regeln. | Bild: SWR

Das FSC-Siegel findet sich auf Produkten aus Holz: also zum Beispiel Verpackungen, Möbeln, Spielzeugen, Büchern und Heften. Dahinter steckt der Forest Stewardship Council, eine internationale Zertifizierungsorganisation für nachhaltige Waldwirtschaft. Ihr selbst erklärtes Ziel ist, die Wälder der Erde umweltgerecht, sozialverträglich und wirtschaftlich zu nutzen. Das Motto: "Wald für alle - für immer". Das klingt gut – und vermittelt den Verbrauchern das Gefühl, mit dem Kauf FSC-zertifizierter Produkte etwas Gutes für den Erhalt gesunder Wälder weltweit zu tun. Aber ist das tatsächlich so?

Drei Interessengruppen bestimmen FSC-Regelwerk

Betriebe können das FSC-Siegel für ihre Produkte erhalten, wenn sie den Wald gemäß den FSC-Prinzipien bewirtschaften. Die Organisation wurde 1993 in Folge des Umweltgipfels in Rio als nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation gegründet. Sie besteht aus drei Kammern: den Waldbewohnern, Naturschutzorganisationen und der Holzindustrie. Diese drei Interessengruppen bestimmen gemeinsam das FSC-Regelwerk. Die von ihnen festgelegten internationalen Regeln werden von den nationalen FSC-Organisationen umgesetzt. Die haben bei diesem Prozess einen gewissen Spielraum, um auf lokale Gegebenheiten oder Konflikte eingehen zu können. Aus diesem Grund existieren mittlerweile 46 nationale FSC-Standards mit unterschiedlichen Regeln, wie das Holz gewonnen werden darf. Für den Verbraucher ist es fast unmöglich, da den Überblick zu behalten.

Monokulturen in früherem Regenwaldgebiet

Eukalyptusplantage in Brasilien
Der atlantische Regenwald in Brasilien wurde fast vollständig gerodet. Heute stehen hier Eukalyptusplantagen. | Bild: SWR

In Südamerika zertifiziert der FSC beispielsweise Hölzer aus Monokulturen auf ehemaligen Regenwaldflächen. Der atlantische Regenwald in Brasilien wurde fast vollständig gerodet. Heute stehen hier große Eukalyptusplantagen. Das Holz ist bei den Forstbetrieben beliebt, weil es schnell wächst. Eukalyptus ist aber schlecht für das heimische Ökosystem. Von Natur aus ist die Pflanze nur in Australien heimisch. Die weitläufigen Plantagen entziehen dem Boden viel Wasser und bieten der brasilianischen Tier- und Pflanzenwelt keinen Lebensraum.

Eukalyptus-Monokultur, wo früher einer der artenreichsten Urwälder stand – obwohl das ökologisch bedenklich ist, können Firmen für das so gewonnene Holz das FSC-Siegel bekommen. Der Grund: Der atlantische Urwald in Brasilien wurde vor 1994 gerodet, also vor der Gründung des FSC. In Urwaldgebieten, die später gerodet wurden, erlauben die FSC-Regeln keine Plantagen. Voraussetzung für die Zertifizierung der Monokulturen ist unter anderem, dass die Holzfirmen die letzten Naturwaldreste erhalten und den Einsatz von Pestiziden minimieren.

Kahlschlag mit schwerwiegenden Folgen

Kahlschlag-Fläche im Urwald aus der Vogelperspektive.
Obwohl der Kahlschlag große Schäden im Ökosystem verursacht, können auch Produkte aus diesem Holz das FSC-Siegel erhalten. | Bild: SWR

Auch in Europa gibt es Beispiele dafür, dass die FSC-Regeln sich nicht immer daran orientieren, was ökologisch am besten für den Wald wäre. Im nordeuropäischen Urwald in Schweden und Russland wird das Holz meist mit Kahlschlag geerntet. Um Gewinne zu erzielen, schlagen die Firmen massenhaft Holz, das später oft zu Zellstoff und Papier verarbeitet wird. Die Erntemaschinen hinterlassen offene Flächen, wo Jahrhunderte alter Wald stand. In dem kalten Klima dauert es lange, bis wieder Bäume nachwachsen.

Obwohl der Kahlschlag große Schäden im Ökosystem verursacht, können auch Produkte aus diesem Holz das FSC-Siegel erhalten. Eine der Bedingungen: Es darf kein kompletter Kahlschlag betrieben werden. Ein kleiner Teil der Bäume muss stehen bleiben. Professor Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, hat im Russischen Urwald, in der Region um Archangelsk, FSC-zertifizierte Kahlschlag-Flächen untersucht und mit solchen ohne FSC-Siegel verglichen. Sein Ergebnis: Die wenigen verbleibenden Bäume auf FSC-zertifizierten Flächen bringen keine messbare Verbesserung für das Urwald-Ökosystem. Die Folgen von Kahlschlag im Urwald sind in jedem Fall gravierend. Pierre Ibisch befürchtet, dass durch Austrocknung und Erwärmung der Kahlschlagflächen dort kein Urwald mehr wachsen wird und die letzten Naturwaldflächen in der Region so verloren gehen.

Die Lösung: Holzverbrauch senken

Holzstapel mit Urwaldholz aus nordeuropäischem Nadelwald.
Weniger Holzkonsum ist die Lösung. | Bild: SWR

Der FSC versucht den Spagat, höchst unterschiedliche Interessen der Waldnutzung miteinander zu vereinen. Naturschutz steht dabei nicht an erster Stelle. Für ein ruhiges ökologisches Gewissen reicht der Kauf von Produkten mit dem Siegel also nicht aus. Dennoch gilt das FSC-Siegel auch bei Naturschutzorganisationen als das beste Siegel für nachhaltige Waldwirtschaft. Denn es gibt bislang keine Alternativen mit strengeren ökologischen Richtlinien. Um Urwälder zu schonen und Wald ökologisch sinnvoll zu bewirtschaften wäre es wichtig, den Holzverbrauch zu senken, zum Beispiel indem weniger Holz- und Papierprodukte konsumiert werden.

Autor: Manuel Gerber (SWR)

Stand: 17.08.2019 15:29 Uhr

Sendetermin

Sa., 17.08.19 | 16:00 Uhr
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Norddeutscher Rundfunk
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