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Biosprit aus Algen

Am anderen Ende der Welt, rund 20.000 Flugkilometer von Europa entfernt, liegt das Traumland vieler Weltenbummler: Neuseeland. Aber das begehrte Reiseziel hat neuerdings ein Problem. Mit steigendem Umweltbewusstsein und dem enormen Schadstoffausstoß einer langen Flugreise, wächst das schlechte Gewissen vieler Urlauber.

An einer Lösung arbeitet momentan eine Firma in Marlborough an der Nordspitze der Südinsel Neuseelands. In den Abwasserbecken einer kommunalen Kläranlage züchtet sie Mikro-Algen für einen neuen Biosprit.

Algen ernten rund um die Uhr

Der Leiter der Firma ist Barrie Leay. Sein Experten-Team arbeitet seit zwei Jahren an dieser bahnbrechenden Technologie. Barrie Leays Firmenwagen fährt auch schon mit Algensprit: "Algen-Biosprit hat mehr Potential als jede andere Kraftstoffquelle, weil er sehr produktiv ist," hebt der Firmenchef hervor, "wir können rund um die Uhr ernten, anstelle von ein- bis zweimal im Jahr wie bei den meisten Biospritpflanzen. Die bisher durchgeführten Tests haben gezeigt, dass Algensprit CO2-Emissionen um 90 Prozent reduziert verglichen mit fossilem Brennstoff."

Wie genau aus Algen Biosprit gewonnen wird, verrät Leay jedoch nicht, weil das weltweite Patentverfahren noch läuft. Aber der neue Algensprit solle für alle Verbrennungsmotoren geeignet sein und habe deshalb großes Potential für das gesamte Verkehrswesen, meint der Tüftler.

Ölhaltige Algen

Grünleuchtende Mikro-Algen unter dem Mikroskop
Besonders ölig und auch vermehrungsfreudig: die Mikro-Algen. | Bild: BR

Für seinen Algensprit nutzt Aquaflow alle 6.000 Algen-Arten, die in Kläranlagen vorkommen. Etwa eintausend solcher Mikro-Algen passen in ein menschliches Haar.

Die Mikro-Alge ist die am schnellsten wachsende Biomasse der Welt. Und sie ist extrem ölhaltig. Wasserunlösliche Fette lagern sich in den Zellstrukturen der Algen ab und bilden die Grundlage für den Biosprit.

Arbeitsteilung von Pflanzen und Bakterien

Wie alle Pflanzen arbeiten Algen mit Photosynthese. Dabei wandeln sie das Kohlendioxid aus der Luft und dem Abwasser mit Hilfe von Sonnenenergie in Sauerstoff um. In Symbiose mit Bakterien werden so Schadstoffe im Abwasser abgebaut und das Wasser wird gereinigt. Gelingt es die Algenbiomasse effektiv zu extrahieren, wie Aquaflow behauptet, kann daraus Biosprit gewonnen werden.

Das Verfahren schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe: Neben der Erzeugung von Biosprit reinigt es das Abwasser besser als eine konventionelle Kläranlage.

Deren Abwasser ist nämlich immer noch mit Schadstoffen belastet. "Dieses Glas enthält das Abwasser aus den Klärbecken, wenn es ins Meer geleitet wird", erklärt Leay, "wir lassen dieses Wasser dann durch unseren Prozess laufen, um die Algen zu extrahieren. Heraus kommt ein sehr dicker Algen-Schlamm und klares Wasser. Also wir haben hier einen biologischen Prozess, der das Wasser reinigt, das ansonsten die Gewässer verschmutzen würde."

Ein weiterer positiver Effekt ist, dass jedes Abwasser aus organischem Abfall, wie zum Beispiel aus der Landwirtschaft durch diesen Prozess gereinigt werden kann. Und das bedeutet mehr Biomasse für den emissionsarmen Algensprit.

Flugzeuge schlucken Algensprit

Nach neuen Lösungen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sucht auch die boomende Zivilluftfahrt. Besonders Langstrecken-Linien wie Air New Zealand bangen um ihr Image. Des Ashton ist der Verbindungsmann zwischen Aquaflow und Air New Zealand. Er sieht in dem neuen Biosprit eine große Chance. "Die Air New Zealand befördert Menschen über weite Strecken. Und Neuseeland präsentiert sich als ökologische Marke und die Airline hat das gleiche Image. Ich halte das für eine prima Sache", so der Fluglinien-Berater.

Kein Landverbrauch

Und noch einen Vorteil hat der Algensprit gegenüber anderen Biokraftstoffen. "Wir haben eine riesige Ressource, die kein Agrarland benötigt und keinen Urwald abholzt wie in Indonesien und Brasilien. Das heißt das globale Biosystem wird nicht beeinträchtig, indem man dieses Abfallprodukt verwendet", so Leay.

Ertragreiche Erzeugung

Mikro-Algen sind um ein Vielfaches ertragreicher als andere Biospritpflanzen. So bringen Sojabohnen pro Hektar jährlich zirka vierhundert Liter, Sonnenblumen etwa achthundert und Palmöl um die sechstausend Liter Biosprit. Mikro-Algen dagegen erzielen pro Hektar und Jahr rund 24.000 Liter! Allein aus dem vierzig Hektar großen Areal in Blenheim sollen jährlich eine Million Liter Algen-Biosprit gewonnen werden können.

Studien des Flugzeugherstellers Boeing ergaben, dass Klärbecken auf einer Fläche so groß wie Nordrhein-Westfalen ausreichen, um die gesamte Weltluftfahrt mit Algensprit zu versorgen. So viele Kläranlagen gibt es allemal.

Air New Zealand will noch in diesem Jahr einen Testflug mit Algensprit wagen. Wenn alles gut geht, könnten dann umweltbewusste Weltenbummler ihre Fernreise mit gutem Gewissen genießen.

Autoren: Sarah Spitzner und Ulrich Weissbach

Stand: 27.11.2013 09:02 Uhr

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