SENDETERMIN So., 01.11.09 | 17:03 Uhr | Das Erste

Berufswunsch Bestatter

Auszubildende tragen einen Sarg zu einem Grab
Auszubildende tragen einen Sarg zu einem Grab. | Bild: NDR

Wie tief muss ein Grab ausgehoben werden? Wie viele Stühle sollte man bei einem ökumenischen Begräbnis für Priester und Messdiener einplanen? Und wenn der Sargdeckel nach einer offenen Aufbahrung geschlossen wird, auf welcher Seite wird er dann zuerst aufgesetzt? Alles prüfungsrelevante Fragen – für Bestatter. Geklärt werden sie im Bundesausbildungszentrum der Bestatter in Münnerstadt in Oberfranken.

Beruf mit Zukunft

Der alltägliche Umgang mit dem Tod muss erlent werden
Der alltägliche Umgang mit dem Tod muss erlent werden. | Bild: NDR

Erst seit 2003 ist Bestatter ein Ausbildungsberuf. Davor wurde das Handwerk meist innerhalb von Familienbetrieben weitergegeben. Auch heute werden die meisten Bestatter noch in den Beruf hineingeboren, aber es interessieren sich auch immer mehr Quereinsteiger dafür. Pinar hat früher in einem Nagelstudio gearbeitet, jetzt ist sie in ihrem zweiten Lehrjahr zur Bestatterin. Ihr Umfeld tat sich zunächst schwer mit der neuen Berufswahl, aber die 24-jährige war fest entschlossen: „Mein Vater war gestorben und wir hatten so einen schlechten Bestatter, da hab ich gedacht, ich will es besser machen.“
Bessere Bestatter, die es schaffen, alte Rituale mit neuen Ideen zu verbinden, die wollen sie im Bundeszentrum ausbilden. Erfahrene Bestatter geben hier ihr Wissen an die nächste Generation weiter, meistens ehrenamtlich. Neben den Schulungsräumen gibt es hier auch einen Lehrfriedhof – das ist europaweit einzigartig. Eine gute Ausbildung ist wichtig, auch für Bestatter. Gestorben wird zwar wirklich immer, ein sicherer Job ist der Beruf des Bestatters aber nur für die, die ihn wirtschaftlich umsetzen und psychisch aushalten können. „Es bringt nicht viel, wenn du da mit den Freunden drüber redest, was du da siehst jeden Tag, was du da erlebst,“ sagt Bestattermeister Peter Sandleitner, „du brauchst jemanden, der die gleichen Erfahrungen auch schon gemacht hast. Und darum ist der Austausch hier ganz wichtig.“
Bei Peter Sandleitner lernen die Auszubildenden in Münnerstadt, wie man ein Grab aushebt. Es ist körperlich anstrengende Arbeit, die zum Beruf des Bestatters einfach dazu gehört. „Das ist nicht nur beim Grabmachen so“, sagt Claudia, „sondern auch wenn ein Verstorbener abgeholt wird. Die wiegen ja nicht alle nur 60 Kilo.“

Rituale im Wandel

Aufbau einer Trauerzeremonie
Aufbau einer Trauerzeremonie. | Bild: NDR

Die Auszubildenden kommen aus ganz Deutschland nach Münnerstadt und bringen ganz unterschiedliches Wissen mit. Jedes Bundesland hat eigene Bestattungsgesetze und jeder Friedhof eigene Regeln. Ein Grab auszuheben gehört beispielsweise nicht überall selbstverständlich zu den Aufgaben eines Bestatters. Für Städte ist es oft lukrativer, diese Aufgabe vom eigenem Personal machen zu lassen.
Aber nicht nur die Gesetzeslage unterscheidet sich von Ort zu Ort – Je nach Region gibt es auch andere Rituale. Nur im katholischen Süden Deutschlands ist die traditionelle Erdbestattung auch heute noch die häufigste Beisetzungsform. Für die meisten Auszubildenden sind längst Einäscherungen der Normalfall. Die Bestattungskultur in Deutschland verändert sich: Das professionalisierte Sterben im Krankenhaus und engagierte Dienstleister haben viele Rituale unnötig gemacht. Der Friedhof verliert als Ort der Trauer an Bedeutung, weil die Gesellschaft mobiler geworden ist.
All diese Veränderungen haben auch Einfluss auf den Beruf des Bestatters. In den letzten Jahren haben die Hinterbliebenen immer mehr Verantwortung für die Verstorbenen abgegeben. Das kann eine Entlastung sein, aber auch zu Entfremdung führen, sagt Bestattermeister Peter Sandleitner: „Früher sind die Toten zwei bis drei Tage zuhause geblieben und die Angehörigen konnten Abschied nehmen. Sie konnten verstehen und dann auch wieder loslassen. In den letzten Jahren wurde der Tod hingegen extrem verdrängt. Die Verstorbenen wurden sehr schnell abgeholt und zum Friedhof gebracht und den Angehörigen wurde nicht die Chance gegeben, Abschied zu nehmen.“

Der letzte Blick

Trauernden wird oft geraten, den Verstorbenen so in Erinnerung zu behalten, wie er im Leben war. Viele Menschen haben deshalb heute noch nie einen Toten gesehen. Aber Psychologen haben festgestellt, dass es schwer ist loszulassen, ganz ohne ein Bild des Verstorbenen. Im Bundesausbildungszentrum der Bestatter lernt der Nachwuchs deshalb auch, Verstorbene so zurecht zu machen, dass die ganze Familie Abschied nehmen kann. Felix benutzt dazu ein aktuelles Foto des Verstorbenen: „Damit er nachher auch wirklich so aussieht, wie die Angehörigen ihn zuletzt gesehen haben. Das ist wichtig.“ Der Verstorbene wird gewaschen, gekämmt und geschminkt, damit die Angehörigen ein friedliches Bild von ihm zurückbehalten können.
Das Schließen von Augen und Mund symbolisiert den Kontaktabbruch zwischen den Lebenden und den Toten. Früher wurde Klebstoff benutzt, um die Augen des Toten geschlossen zu halten, heute werden Augenkappen verwendet, die wie Kontaktlinsen unter das Lid gesetzt werden. Ohne diese Kappen würden sich die Augen öffnen, wenn die Leichenstarre wieder nachlässt. Die Technik ist neu, aber das Ritual hinter dem Schließen der Augen uralt: „In vielen Regionen heißt es: Wenn ein Verstorbener die Augen offen hat, dann nimmt er noch einen mit.“ erklärt Heiko Mächerle, der Thanatopraktiker, der die Lehrlinge in “Hygienischer Versorgung“ ausbildet.

Ein schöner Tod – die Beerdigung

Waltraud Mörser unterrichtet ihre Klasse unterdessen im Fach „Dekoration“. Nur wenige Menschen wünschen sich heute noch den dunklen Eichensarg mit weißen Blumen. Die Feier soll möglichst persönlich gestaltet werden, „um wirklich dem Menschen gerecht zu werden, der da beerdigt wird“, sagt Waltraud Mörser.
Weil alte Rituale an Bedeutung verlieren, suchen viele Menschen nach neuen Wegen, um ihre Verstorbenen zu verabschieden: Bestattungen auf hoher See oder auf einem Waldfriedhof, in bunten Särgen oder schnellverrottenden Bio-Urnen – vieles ist heute schon möglich. Das schafft mehr Freiraum für einen ganz persönlichen Abschied. Aber es erhöht auch die Anforderungen an die Bestatter. Sie müssen vieles sein: Trauerhelfer, Handwerker, Eventmanager und Maskenbildner.
Der beste Lohn für die anspruchsvolle Arbeit? Die Dankbarkeit der Angehörigen, sagt Anne, „Ich kann anderen Menschen helfen in schwierigen Zeiten. Ich kann versuchen es ihnen so schön wie möglich zu machen und das bereichert dann deren Leben genauso wie meines.“ Ein guter Bestatter muss eben nicht nur für die Toten, sondern auch für die Angehörigen da sein.

Adressen & Links

Bundesausbildungszentrum der Bestatter
Ansprechpartner: Rosina Eckert
Seminarstraße 8-10
97702 Münnerstadt
Tel.: (09733) 78 71 10

Die Seite des Bundesausbildungszentrum der Bestatter:
www.bestatter.de

Autorin: Christine Buth (NDR)

Stand: 22.11.2012 16:56 Uhr

Sendetermin

So., 01.11.09 | 17:03 Uhr
Das Erste

Sprungmarken zur Textstelle