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Der Retter der Störe

Rückschau: Störe im Meer statt Sushi auf dem Teller

Er kann 1.000 Kilogramm schwer werden und ist oft mehrere Meter lang. Der Stör ist der größte Süßwasserfisch der Welt und wird mit bis zu 150 Jahren älter als ein Mensch. Der schätzt ihn aber eher als Delikatesse auf den Speisekarten hochpreisiger Restaurants: Insbesondere der Beluga-Stör – er gilt als „König der Störe“ – liefert nämlich die Zutat vieler feiner Diners: Kaviar. Einer sieht sie jedoch lieber in freier Wildbahn als auf Porzellantellern oder Sushi-Laufbändern: Fischzuchtmeister Hans Bergler. Er züchtet den Fisch im beschaulichen Wöllershof in der Oberpfalz – und schöpft dessen Wert nicht aus Kilopreisen, sondern aus dem Bewusstsein die Art so erhalten zu können.

Störzucht – sinnvoll, aber nicht einfach

Störzucht
Zuchtanlage | Bild: SWR

Ein wenig archaisch wirkt der Stör, dessen prähistorische Spuren bis in die Zeit der Dinosaurier zurückreichen. Im 19. Jahrhundert noch in großen Mengen vorhanden und verspeist – Hamburger Dienstboten setzten gar per Gesindeordnung durch, ihn nicht öfter als dreimal wöchentlich essen zu müssen – gilt er heute in vielen Teilen der Meere als beinahe ausgestorben. In den Becken des Teichwirtschaftlichen Beispielsbetriebs von Hans Bergler tummeln sich deshalb sechs der etwa 30 bekannten Störarten. Er verkauft sie, um sie dort anzusiedeln, wo sie bedroht sind. Die Züchtung ist jedoch eine heikle Angelegenheit – Geduld und Geschick sind gefordert: Störe brauchen nämlich bis zu 20 Jahre bis zur Geschlechtsreife und lassen sich nur schwer auf künstliches Futter umstellen. Allein dabei verliert der Betrieb zwischen 10 und 25 Prozent der Tiere.

Besamung

Bereits die Besamung ist – nicht nur für die Tiere – eine anstrengende Sache. In einem Betäubungsbecken wird das Männchen in einen etwa zehnminütigen Schlaf versetzt. Die kurze Zeitspanne muss reichen, um sein Sperma zu entnehmen. Bis zu 250 Milligramm können dabei jedes Mal zusammenkommen, einmal jährlich findet die Prozedur statt. Nun ist das Weibchen an der Reihe. Es ist ebenfalls betäubt und merkt deshalb nicht, wie ihr sanft die Eier ausmassiert werden. Anstatt diese für einen geschätzten Preis von zehntausend Euro pro Kilogramm als Kaviar zu verkaufen, mischen die Störzüchter die Eier unter permanenter Bewegung mit dem Sperma. Währenddessen erholen sich die Tiere in einem Ruhebecken. Aus einem Brutbehälter, dem ständig sauerstoffreiches Wasser zugeführt wird, schlüpfen nach etwa sechs Tagen dann die ersten kleinen Fische.

Umstellung auf Trockenfutter

Frischgeschlüpfte Babystöre
Frischgeschlüpfte Babystöre | Bild: SWR

Die Baby-Störe wachsen, ein paar Wochen oder Monate lang. Dann folgt das wohl risiko- und verlustreichste Kapitel der Störzucht: die Umstellung auf Trockenfutter. „Es ist der schwierigste Teil, einen Fisch, der sich mehrere Millionen Jahre nicht verändert hat, schlagartig in die Zivilisation zu holen – und an Trockenfutter zu gewöhnen“, erklärt Bergler den „Stör-Faktor“, bei dem er manchmal ein Viertel der Tiere verliert. Wie die Umstellung in seinem Betrieb funktioniert, verrät er nicht. Jeder arbeite da schließlich mit dem ein oder anderen Trick. Störe essen auch nicht einfach, was ihnen unter die Nase geworfen wird. Der Knochenfisch, dessen Gehirn in einen großen Knochen eingebettet ist und dessen Körper Knochenplatten stabilisieren, verfügt über einen extrem harten Mund. Den stülpt er vor, um mit Geschmacksrezeptoren seine Nahrung zu finden. Wie ein Staubsauger saugt er sie ein und kaut sie durch. Was schmeckt, wird geschluckt, alles andere wieder ausgespuckt.

Neue Heimat in Rumänien

In Wöllershof aber bleiben immer genügend Tiere für den Verkauf übrig – nicht zur Kaviargewinnung, sondern zur Ansiedlung. Die Umsatzzahlen stimmen trotzdem, der Stör ist ein wahrer Wirtschaftsfaktor. Bergler liefert seine Fische beispielsweise bis nach Rumänien, etwa 1.600 Kilometer gen Osten. Transportiert werden oft mehrere Hundert Störe in Spezialbehältern und über Nacht. Dann ist es kühler – und stressfreier für die großen Tiere. In Rumänien trägt Berglers Betrieb dazu bei Fischbestände aufzubauen, Fischereibetriebe auszurüsten und die Fischerei nach vorne zu bringen. Bis 2016 dauert das Verbot des Störfangs in Rumänien noch – und es bleibt zu hoffen, dass sich die Störbestände auch dank der Lieferungen aus Deutschland bis dahin erholt haben.

Adressen & Links

Teichwirtschaftlicher Beispielsbetrieb Wöllershof
92721 Störnstein
Tel.: (09602) 36 72

Autor: Mario Damolin (SWR)

Stand: 16.09.2015 13:51 Uhr

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