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Hamburg – Hafen der Maschinen

Von allen sieben Weltmeeren kommen sie nach Hamburg, in den größten Seehafen Deutschlands. Seit über 800 Jahren schlägt hier das Herz der Stadt. Aber der Takt hat sich verändert. Zeit ist Geld. Lange Liegezeiten kann sich kein Reeder mehr leisten: Lastwagen ohne Fahrer, Kräne ohne Kranführer, der Container-Terminal Altenwerder wirkt wie ausgestorben. Kein Mensch – nirgends. Eine Welt aus Eisen und Stahl, beherrscht von Maschinen und Rechnern. Und das rechnet sich. Denn Computer machen keine Fehler, übersehen keinen Container und brauchen keine Pause.

In der Hand der Brückenfahrer

Blick aus der Brücke
Blick aus der Brücke | Bild: NDR

Trotzdem geht es nicht ganz ohne Menschen. André Maus ist einer derjenigen, den kein Computer ersetzen kann. Sein Arbeitsplatz liegt in 50 Metern Höhe, unter ihm das Schiff. André Maus ist Containerbrückenfahrer. Er befördert die Container vom Schiff an die Hafenkante. André Maus: "Es sieht einfacher aus, als es ist. Das muss man sich vorstellen wie ein Pendel. Heute ist ja noch einigermaßen windstill. Also bei Sturm oder so, da ist das schon anders. Das kann ganz schön schaukelig werden."
Da ist Feingefühl nötig, das kein Roboter ersetzen kann. Aber natürlich hilft die Technik. Im Display sieht Maus, zu welchem Platz er den nächsten Container bringen soll. 30 bis 40 Container schafft er im Durchschnitt pro Stunde. André Maus: "Es gibt welche, die sind schneller, es gibt welche, die sind schlechter. Also Übung macht den Meister. Also es ist noch kein Brückenfahrer vom Himmel gefallen. Die natürlich frisch anfangen, die sind natürlich längst nicht so schnell wie einer, der jetzt schon drei, vier Jahre Brücke fährt."
Per Funk steht André im Kontakt mit dem Deckeinweiser. Der letzte, der hier mit Zettel und Stift hantiert und Nummern durchstreicht. Jeder Container hat einen unverwechselbaren Code, der zum Beispiel Besitzer und Herkunft verrät.

Der High Tech-Hafen hat einiges an Romantik eingebüßt, aber dafür ist die Arbeit hier körperlich viel leichter geworden. Früher war Hafenarbeit ein Knochenjob. Zehntausende von Schauerleuten wurden per Barkasse zur Arbeit über die Elbe gefahren. Unter Deck erwartete sie schweißtreibende Arbeit: zum Beispiel Bananenstauden ausladen. Eine Staude wiegt zwischen 30 und 50 Kilo.

AGVs statt Menschen

Unscheinbare Kisten revolutionierten die Hafenarbeit. 1967 kam das erste Vollcontainerschiff in Hamburg an - mit gerade einmal 87 Containern. Heute sind Riesen mit 4.000 Containern nichts Ungewöhnliches. Nach gerade einmal 48 Stunden sind alle Stahlkisten von Bord geräumt.
An der Hafenkante werden die Container auf die nächste Station verladen – auf sogenannte AGVs. Das steht für "automatic guided vehicles" - zu deutsch "automatisch gelenkte Fahrzeuge". Jedes sucht sich seinen eigenen Weg. Sie orientieren sich per Funk, im Boden sind 16.000 Transponder eingelassen. Menschen dürfen das Gelände nicht betreten. Dann stoppt das gesamte System. Die AGVs sind eine Weiterentwicklung aus dem Hafen von Rotterdam.
Philipp Mühlenhardt kümmert sich als Technischer Leiter um die AGVs: "In Rotterdam fahren die Transporter auf festen Leitlinien, Schleifen, die im Boden versenkt sind. Und das macht erforderlich, dass sich die Fahrzeuge eben an bestimmte Routen halten. Unsere Fahrzeuge können sehr flexibel eingesetzt werden." Die AGVs fahren sogar selbständig an die Zapfsäule, wenn ihr Bordcomputer Ebbe im Tank meldet. Das Nachfüllen übernimmt ein Roboter. 1.200 Liter Diesel passen in den Tank. 48 Stunden können die AGVs damit fahren - und sie kommen sich dabei nie in die Quere.
Philipp Mühlenhardt: "Die gehen sehr höflich miteinander um, und sie können auch aufeinander warten. Festgelegt wird das alles durch die Transportaufträge, die die Fahrzeuge erhalten. Da gibt es natürlich Transportaufträge unterschiedlicher Priorität. Ein Transportauftrag, der wichtiger ist, gibt dem Fahrzeug auf der Fläche dann eine Art Vorfahrt. Und die Vorfahrt muss dann von einem anderen Fahrzeug entsprechend gewährt werden."

Auch im Containerlager läuft alles vollautomatisch. In jedem Lagerblock fahren zwei Stapelkräne. Weil sie unterschiedlich hoch sind, können sie völlig unabhängig voneinander arbeiten. Das verdoppelt die Umschlagsleistung: Statt 25 können hier bis zu 50 Container pro Stunde bewegt werden.

Nur Menschen können mit Fehlern von Menschen rechnen

Der Leitstand des Terminals liegt in einem unscheinbaren Bürogebäude: Hier sitzen die Choreografen des Maschinenballetts. Eine Software organisiert das Ineinandergreifen der automatischen Arbeitsabläufe. Die Menschen an den Bildschirmen kontrollieren nur noch, dass alles reibungslos vonstatten geht. Erst ganz am Ende der Transportkette ist wieder Handarbeit gefragt: Wenn die Container auf LKW geladen werden, steuern Menschen die Greifer. Roboter wären zu gefährlich. Sie könnten Fernfahrer verletzen, die versehentlich zu nah an ihrem LKW stehen. Nur Menschen können mit Fehlern von Menschen rechnen. Es gibt also Grenzen der Automatisierung – sogar am Container-Terminal Altenwerder, dem modernsten Hafen der Welt.

Adressen & Links

Die Hamburger Hafen und Logistik AG ist Betreiber des Containerterminals in Altenwerder:
www.hhla.de

Der Hamburger Hafen bietet auf seinen Internetseiten zahlreiche Informationen
www.hafen-hamburg.de

Autorin: Josy Wübben (NDR)

Stand: 12.08.2015 13:49 Uhr

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