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Saure Brise vom Traumschiff – Umweltprobleme für Häfen

Frachter
Frachter | Bild: NDR

Nahezu 90 Prozent des globalen Gütertransports laufen über Seewege: Mehr als 50.000 Schiffe sind unterwegs, um Waren weltweit und dabei möglichst günstig an deren Bestimmungsorte zu verschiffen. Nach Hamburg zum Beispiel, dem modernsten Containerhafen der Welt.

Saure Brise vom Traumschiff

Wenn Herbert Nix auf einer Barkasse zum Mikrofon greift, will er den Mitfahrern nicht nur über die entlegenen Länder erzählen, von denen aus Containerriesen und Luxusliner ihren Weg bis hierher gefunden haben. Während er an den haushohen Bordwänden im Hamburger Hafen vorbeischippert, geht es auch nicht nur um Bruttoregistertonnen, Höchstgeschwindigkeiten oder die Fracht in den Containern an Deck, sondern vor allem um die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Hafenwirtschaft. Herbert Nix gehört dem Verein „Rettet die Elbe e.V.“ an. Er interessiert sich für das, was die Kolosse tief im Inneren mitführen. Genauer: Das, was sie im Tank haben – nämlich Schweröl.

Eine Belastung für die Umwelt, wenn Frachter illegal ihre Tanks auf hoher See auswaschen oder heimlich Altöl ins Meer kippen: „Die Schiffe haben weder Abgasfilter, noch Katalysatoren. Das heißt, sie pusten Feinstaub und eine gefährliche Mischung aus Schadstoffen direkt in die Luft“, erklärt Herbert Nix auf seiner alternativen Hafenrundfahrt.

Schwimmende Sondermüllverbrennung

Bunker C Öl
Bunker C Öl | Bild: NDR

Der Treibstoff, mit dem die Seeschifffahrtsflotte unterwegs ist, hat es in sich: Schweröl, auch Bunker C Öl genannt, ist ein Abfallprodukt aus Ölraffinerien. Die schwarze, zähe Masse muss erst auf etwa 100 Grad erhitzt werden, bevor sie flüssig genug ist, damit Motoren sie verbrennen können. Der klumpige Kraftstoff ist für die Umwelt oft giftiger als Benzin oder der Flugzeugtreibstoff Kerosin. An Land sprengt der Sprit jeden Grenzwert: Bis zu dreitausendfach höher ist der Schwefelgehalt als im PKW-Diesel erlaubt. Auf hoher See aber scheinen die Werte zweitrangig, was hier zählt ist der Preis. Umweltschonendere Kraftstoffe sind zwar genauso auf dem Markt wie Katalysatoren, im Wettbewerb der Reedereien bleibt bei sinkenden Aufträgen aber kaum Platz für Extraausgaben. So dümpelt auf den Meeren eine ganze Flotte „schwimmender Sondermüllverbrennungsanlagen“, wie Herbert Nix sie nennt, mit dem Unterschied, dass sie ihre Abgase ungereinigt in die Luft blasen.

Abgasfahnen von 1.000 Kilometer Länge

In den vergangenen Jahren sind die Abgase der Handelsschiffe endlich in den Fokus der Forschung gerückt. Ein durchschnittlicher Frachter mit etwa 8.000 Containern an Bord verbraucht bei flotter Fahrt etwa 250 Tonnen Brennstoff pro Tag. Die 125 Kilogramm Ruß, die dabei täglich durch den Schornstein gehen, summieren sich bei allen Handelsschiffen zusammen auf 130.000 Tonnen pro Jahr – ein Schadstoffausstoß, der dem von 350 Millionen Autos entspricht.
Neben Ruß und Feinstaub blasen die Schiffe klimaschädliches CO² und Stickoxide in die Luft, was nicht allein zur Klimaerwärmung beiträgt, sondern auch das Algenwachstum fördert, wenn die Auspuffwolken vom Regen in die Meere gewaschen werden. Aber nicht nur die Natur hat unter den Emissionen zu leiden: Forschungsflüge des Deutschen Luft- und Raumfahrtszentrum ergaben, dass die Konzentration von Feinstaub, Schwefel und CO² zwar auf den Haupthandelsrouten und in den Häfen am höchsten ist – aber auch tief im Binnenland, bis zu 1.000 Kilometer weit entfernt von diesen Transitbereichen, sind die Werte noch im gesundheitsschädlichen Bereich. Eine Studie der EU geht von jährlich 60.000 Toten aus, die an Feinstaubemissionen aus Schiffsmotoren sterben, 30 Prozent davon in Europa.

Stinkende Luxusliner

Queen Mary 2
Queen Mary 2 | Bild: NDR

Die Turbinen der Queen Mary 2 bringen es auf eine Leistung von 40 Megawatt – eine kleine schwimmende Stadt. Auch im Hafen qualmt es aus den Schornsteinen, denn eine Stromversorgung von Land ist meistens nicht vorgesehen. Schiffe lassen also auch an der Kaimauer die Motoren laufen und blasen ihre Abgase weiter in die Luft Landstromprojekte wie beispielsweise in Lübeck sind selten: Seit August 2008 können sich Schiffe hier an Steckdosen im Hafen anstöpseln. Solange Schiffe aber noch nicht flächendeckend die Maschinen abstellen, wenn sie be- und entladen werden, bleibt die Belastung hoch. Die USA wollen deshalb eine 400-Kilometer- schadstoffarme Zone vor ihrer Küste einrichten. Auch in Europa wird diskutiert, wie man sich vor der Umweltbelastung durch Schiffssprit besser schützen kann. So herrschen auf Nord- und Ostsee zwar bereits reduzierte Schwefelwerte, noch dürfen Eigner die Schadstoffobergrenze von LKW aber um das 1.500fache überschreiten.

Während sich diese Grenzwerte in den kommenden Jahren vorrausichtlich für Nord- und Ostsee weiter verschärfen, werden Möglichkeiten diskutiert die Umweltverschmutzung weiter zu reduzieren. Vom Emissionshandel, wie er auf dem Land bereits eingeführt ist, bis zu Steuererhebungen reichen die Vorschläge. In einigen Ländern sind Vorschriften bereits verschärft worden. So dürfen in skandinavische Häfen nur Schiffe einlaufen, die einen Katalysator vorweisen können. So lange aber nicht der Verbrauch der Schiffsmotoren reduziert, der Schwefelgehalt im Sprit gesenkt und die Reinigung der Abgase verbessert werden, wird Herbert Nix auch weiter seinen Runden durch den Hafen drehen und auf die qualmenden Schornsteine der Containergiganten zeigen.

Adressen & Links

Auf der Homepage des Vereins "Rettet die Elbe!" e.V. gibt es Informationen über Umweltbelastungen der Schifffahrt:
www.rettet-die-elbe.de

Informationen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt über die Messungen des Schadstoffausstoßes von Schiffen:
www.dlr.de

Die Aktionskonferenz Nordsee informiert über ökologische Probleme durch die Schifffahrt:
www.aknev.org

Die International Maritime Organization setzt sich für eine sichere und effektive Schiffahrt ein (engl.):
www.imo.org/

Autor: Andreas Orth (NDR)

Stand: 18.09.2015 14:17 Uhr

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