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Frühwarnung in Japan

September 1923

Gedenkhalle im Yokoamicho Park
Gedenkhalle im Yokoamicho Park | Bild: SWR

Nur selten öffnet sich die Tür zum Keller unter dem Yokoamicho Park mitten in Tokio. Hier wird verwahrt, was von Menschen nach einer Erdbebenkatastrophe übrig bleibt. Es ist die Asche von Tausenden, beim Beben verbrannt, danach nicht zu identifizieren.

Am 1. September 1923, mittags, erschüttert ein Erdbeben der Stärke 7.9 den Großraum Tokio. 140.000 Tote werden später geschätzt. So genau weiß man das nicht. Feuerstürme jagten durch die Stadt, viele Menschen verschwinden einfach mit ihren Holzhäusern in den Flammen.

Tokios Norden: Rettung nur bei Vorwarnung

Verkehr in Tokio
Verkehr in Tokio | Bild: SWR

Heute wissen die Bewohner der Megastadt: es kann jederzeit wieder passieren, in der Rushhour, die Stadt steht eben auf schwankendem Grund. Doch Tokio besteht nicht nur aus den modernen Häusern mit ihren Glitzerfassaden der Innenstadt. Viele Bewohner leben noch immer in schnell gebauten Häusern, aufgebaut nach dem Beben von 1923, nach 1945 oder in den Boomjahren. Im Stadtteil Kyojima im Norden der Stadt steht Haus an Haus, viele sind aus Holz, mit Gasleitungen für Heizung und Kochen. Im Erdbebenfall ist eine Katastrophe nicht zu vermeiden. Es sei denn, die Bewohner würden rechtzeitig gewarnt!

Sekunden für die Rettung

Erdbebenzentrale in Tokio
Erdbebenzentrale in Tokio | Bild: SWR

Der Japanischen Wetterdienstes (JMA) betreibt seit 2008 das landesweite Erdbeben-Frühwarnsystem. Erdbeben gibt es in Japan jeden Tag. Das Frühwarnsystem macht sich dabei eine Laune der Natur zunutze. Ein Erdbeben erzeugt zuerst sogenannte P-Schockwellen im Untergrund. Die sind sehr schnell, nicht für Menschen spürbar. Erst danach kommen die stärkeren S-Schockwellen, die an der Oberfläche Zerstörungen hervorrufen. Wenn man also die P-Wellen misst, hat man einen Zeitvorsprung.

Landesweit gibt es etwa 1000 moderne Sensoren, die diese P-Wellen messen können. Sie sind an die Großrechner des Wetterdienstes gekoppelt. Automatisch wird daraus eine Frühwarnung generiert und mit Informationen zum Ort und zur Stärke des Bebens weitergegeben. Das gibt den Japanern heute eine Vorwarnzeit von fünf bis 30 Sekunden, je nachdem wo das Beben stattfand. Diese Zeit reicht immerhin aus, um die Atomreaktoren in der Umgebung abzuschalten, die Computerdaten der Unternehmen zu sichern und die Schnellzüge anzuhalten.

Wenn das Handy ruft in der Nacht

Frühwarnsystem
Frühwarnsystem | Bild: SWR

Per Mobilfunk werden die Warnungen in Sekundenbruchteilen verteilt.
Minoru Eto war an der Entwicklung der Handysysteme beteiligt, die heute Millionen Menschen vor Großbeben warnen. Das Problem für die Warn-Server des japanischen Mobilfunkanbieters NTT Docomo: Japan ist 3000 km lang. Wenn es in Tokio bebt, sollen die Handynutzer im Süden nicht gewarnt und erschreckt werden. Also haben sie ein System entwickelt, das eine solche Warnung nur an die Nutzer schickt, die sich im Umfeld eines Bebens befinden.

Adressen & Links

Erlebnisberichte Erdbeben Tokio/Yokohama 1923 (engl.):
www.cbsnews.com
www.baxleystamps.com

Aktuelle Infos zu Beben in Japan auf der Website der Japan Meteorological Agency (engl.)
www.jma.go.jp

Earthquake Early Warning Workshop der Kyoto University 2009 (engl. )
www.eqh.dpri.kyoto-u.ac.jp

Erklärung des NTT Docomo (Mobilfunkanbieter Japan) Warnsystem "Area Mail" (engl.)
www.ntt-review.jp

Autor: Michael Hänel (SWR)

Stand: 03.11.2015 14:39 Uhr

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