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Essbare Blumen: lecker und gesund

Alte Tradition neu entdeckt

Gelbe Blüten
Blüten nicht für die Vase, sondern für den Teller | Bild: NDR

Was vielfach als Spleen der gehobenen Gastronomie verspottet wird, hat in Wahrheit eine lange Tradition: Blüten essen. Schon die Römer süßten ihren Wein mit Rosenblüten. Den anschließenden Kater kurierten sie mit Veilchen. Auch aus der höfischen Küche der Tudor- und Stuart-Ära waren essbare Blüten kaum wegzudenken. Selbst unsere Großmütter nutzten Ringelblume ganz selbstverständlich als Safranersatz und Gänseblümchen anstelle von Kapern. Diese Tradition schien lange in Vergessenheit geraten, doch in den Bergen nördlich von Málaga lässt ein deutscher Auswanderer sie wieder aufleben.

Blumenernte auf der "Finca"

Mann erntet Blüten
Geerntet wird früh am Tag. | Bild: NDR

Um sieben Uhr morgens schlafen die meisten Bewohner des andalusischen Dorfes Algarrobo noch. Doch einer ist längst unterwegs, denn die besten Köche Spaniens warten auf seine Ware. Peter Knacke hat Deutschland vor einigen Jahren den Rücken gekehrt, um im milden Klima der Axarquía Blumen anzubauen und wie jeden Tag zu ernten. Er und sein Team beginnen möglichst bei Sonnenaufgang mit ihrer Arbeit. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Blüten desto länger in der Küche halten, je früher sie geerntet werden. Was in den vier Gewächshäusern gedeiht, ist nicht für die Vase gedacht. Alle Blüten sind essbar. Rund 50 Sorten gibt es auf der "Finca", wie Knacke sein Land nennt.

Wetterkapriolen

Gewächshäuser
Sonniges Wetter, wenig Wind - das ist nach dem Geschmack der Blumenanbauer. | Bild: NDR

Der Blumenanbau hängt nicht zuletzt vom Wetter ab und das spielt zurzeit im sonst so verwöhnten Südspanien nicht recht mit. "Der Wind macht uns in den letzten Wochen schon ziemlich Probleme. Blüten mögen es nicht, wenn es windig ist. Dann kriegen sie trockene oder braune Ränder. Windbrand nennt man das", erklärt Peter Knacke. Alle seine Pflanzen sind Wildblumen und nicht etwa spezielle Züchtungen. Geerntet wird immer per Hand, um die empfindlichen Blüten nicht zu verletzen. Vorsichtig müssen Knacke und sein Ernteteam dabei auch Insekten und kleine Larven aus den Blüten entfernen, denn Waschen würde ihnen schaden. Umso wichtiger ist deshalb, dass Knacke beim Anbau komplett auf Chemie verzichtet. Nach dem Pflücken werden die Blüten noch direkt vor Ort verpackt und kühl gelagert. So bleiben sie dann etwa sieben Tage haltbar.

Verführerischer Geschmack

Bohnenblüten
Der Geschmack mancher Blüten wird zufällig entdeckt. | Bild: NDR

Was sonst Balkone und Gärten ziert, schmeckt herrlich süß wie das Hornveilchen oder herb wie die Rucola-Blüte. Von vielen der Blumensorten auf der Finca ist wohl bekannt, dass man sie essen kann. Trotzdem sind sie für so manchen noch ein Geheimtipp. Besonders beliebt bei Köchen ist die Agastache mit ihrer minzigen Note. Auch die Kapuzinerkresse steht hoch im Kurs - ebenso wie die Knoblauchblüte.

Manche Geschmacksrichtungen sind reine Zufallsentdeckungen, zum Beispiel die relativ unscheinbare weiße Bohnenblüte. "Dass man die dicke Bohne essen kann, das ist ja schon jahrhundertelang bekannt. Aber dass man auch die Blüte essen kann, das kam raus, als wir irgendwann mal so über die Finca gelaufen sind und die Blüten gesehen haben und einfach mal versuchsweise in den Mund gesteckt haben. Und man merkt einfach, dass die unheimlich parfümiert, lecker, süß und doch wieder nach Bohne schmecken", erzählt uns Knacke.

Auch Nelken sind essbar, aber eher geschmacksarm. Die Aloe-Vera-Blüte wird wegen ihres Aussehens gerne mit Banane kombiniert. Der Geschmack ähnelt aber eher dem der Frühlingszwiebel. Cassis-Salbei ist eine besonders süße Mischung irgendwo zwischen Brombeere und schwarzer Johannisbeere.

Achtung Doppelgänger!

Ein Teil der Sorten, die Knacke in seinen Gewächshäusern zieht, lässt sich gut auch im eigenen Garten anbauen, zum Beispiel die Ringelblume. Und auch Wildblumen von einer Wiese können lecker sein, jedoch sollte alles, was man isst, ungedüngt, ungespritzt und sauber sein. Außerdem sollten Blütenesser sich vor Doppelgängern in Acht nehmen. Peter Knacke kennt hinterhältige Beispiele: "Die Taglilie kann man, wenn sie aufgeblüht ist, leicht verwechseln mit der Lilie. Die Lilie ist giftig, die Taglilie schmeckt fast wie ein Gemüse. Bevor man also anfängt, sich an Blüten zu versuchen und selber zu pflücken, sollte man einfach wissen, was man pflückt."

Kochkunst mit Blüten

Gericht mit Cassis-Salbei-Blüte
Wildkräuter-Blütensalat | Bild: NDR

Peter Knacke hat für diesen Tag genug Blüten geerntet und macht sich schließlich mit einer Auswahl auf den Weg zu Spitzenkoch Ricardo Castro. Jetzt müssen sie dem Urteil des Profis standhalten. Der hat heute einiges vor. Er möchte einen neuen Wildkräuter-Blütensalat zubereiten. Dafür nimmt er jede Menge Ringelblumen und rote Begonien. Als Highlight oben drauf eine feuerrote Cassis-Salbei-Blüte. Dazu möchte er Gazpacho im Glas servieren. In diesem Fall ersetzt er bei der andalusische Gemüsesuppe sämtliche Zutaten durch Blüten - bis auf die Tomaten natürlich.

Das gewisse Etwas im Salat

Das, was Blüten in der Küche ausmacht, sind ihre zahlreichen Aromastoffe. Zwar enthalten sie auch einige Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, doch sind es am Ende viel zu geringe Mengen um ernährungsphysiologisch ins Gewicht zu fallen. Das ist Spitzenkoch Ricardo Castro aber egal. Ihn interessiert das gewisse Etwas der essbaren Blüten: "Für mich ist es die besondere Frische, die Blumen zu einem Gericht beitragen, gerade weil eine Blume vergänglich ist. Ich denke, sie macht einen Salat, der mit Blüten gemacht ist, so außergewöhnlich."

Der Koch zeigt sich am Ende zufrieden. Knackes Blüten haben Wind, Insekten und dem Urteil des Küchenchefs standgehalten.

Autorinnen: Britta Thein, Christine Buth (NDR)

Stand: 13.11.2015 13:09 Uhr

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So., 13.05.12 | 17:00 Uhr