"Stark und zwingend: Drei Indizien für Mord"

Von Heinrich Wille, Rechtsanwalt

Uwe Barschel 1987
Uwe Barschel, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, bei seiner "Ehrenwort-Pressekonferenz" 1987 | Bild: NDR/ECO Media/Ingo Wandmacher

Der Tod von Uwe Barschel im Oktober 1987 galt in der veröffentlichten Meinung zunächst fast einhellig als Selbstmord. Nach einer repräsentativen Umfrage von 2012 sind nur noch 13 % der Befragten dieser Ansicht, 45 % nehmen Mord an und der Rest hat keine Meinung, teils auch wegen Unkenntnis des Sachverhalts junger Leute.

Die Vertreter der Suizidtheorie haben sich bis heute nicht mit den Gegenargumenten auseinander gesetzt: Barschel wies kein präsuizidales Syndrom auf, keine Depressionen, hatte gute familiäre Einbindungen und persönliche Freunde, positive Kontakte zu behandelten Ärzten, konkrete alternative Lebenspläne auch über den Tag hinaus. Das Nahtoderlebnis des Flugzeugabsturzes hatte tiefe lebensbejahende Spuren hinterlassen.

Den angeblichen Entschluss zu einem Selbstmord hätte er erst sehr spät treffen können – nach der Ehrenwortpressekonferenz. Dann wäre aber keine Zeit zur Organisation geblieben: Die todbringenden Medikamente hatte er nicht, sonst hätte er sich auf Gran Canaria kein Schlafmittel besorgen müssen. Ein Sterbehelfer ist pure Fiktion. Was bleibt, ist nur der Tablettenmissbrauch; entscheidend ist insgesamt die Primärpersönlichkeit, die bis zuletzt kämpferisch war.

Der Anfangsverdacht auf Mord gründet sich maßgeblich auf das toxikologische Gutachten, dass eine Einnahme des todbringenden Barbiturats in willenlosem Zustand angenommen hat. Dieser Anfangsverdacht besteht unstreitig bis heute fort. Für Mord sprechen darüber hinaus drei Indizien, zwei starke und ein zwingendes.

Die Indizien

1. In einem 5cl Whiskyfläschchen der Hotelzimmerminibar wurde Diphenhydramin nachgewiesen, das sich auch in Barschels Körper befand; ferner war das Fläschchen mit Wasser ausgespült: verdeckte Beibringung und Spurenbeseitigung (oder Wassertrinken aus dem Minifläschchen mit Hineinspucken von Medikamentenspuren?).

2. Aus chemischen Untersuchungen der Schuhe Barschels und der Verschmutzungen des Badvorlegers folgt die Existenz eines Lösungsmittels, da anders die Durchdringung eines Polyurethanlacks im Innenschuh nicht erklärbar ist; Dimethylsulfoxid oder ein gleichwirksamer unbekannter Stoff. Dies macht bei Suizid keinen Sinn.

3. Ein Hemdknopf des Oberhemdes von Barschel wurde so abgerissen, dass er selbst dies aus anatomischen Gründen nicht getan haben kann: Er wurde mit beträchtlicher Kraft senkrecht von oben nach unten abgerissen, so dass ein Stück Hemdstoff mit ausgerissen wurde; zudem war es der zweite Knopf von oben (die Krawatte blieb angelegt). Es sind manchmal die scheinbar kleinen Dinge, die den Ausschlag geben.

Und das Motiv?

Uwe Barschel hatte mit Sicherheit langjährige Kontakte zu der internationalen Szene des Waffenhandels und eine Vielzahl damit verbundener Informationen, die er drohte "auszupacken". Er war auf den Weg zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Welche Informationen die Täter zum Handeln gebracht haben, ist gleichgültig; maßgeblich ist, was diese meinten, er hätte sagen können. So geschah mit dem Ermittlungsverfahren, was mit ca. 50% aller Ermittlungsverfahren passiert: Einstellung, Täter unbekannt.

Mehr zu Rechtsanwalt Heinrich Wille

Heinrich Wille, Jahrgang 1945, hat im Fall Barschel von 1994 bis 1998 die Ermittlungen als Oberstaatsanwalt geleitet. 2011 erschien sein Buch "Ein Mord, der keiner sein durfte. Der Fall Uwe Barschel und die Grenzen des Rechtstaates".

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