Regisseur und Drehbuchautor Christoph Stark über den Tatort "Schau mich an"

Sie begreifen, dass es bald weitere Gewalttaten geben wird...
Sie begreifen, dass es bald weitere Gewalttaten geben wird... | Bild: BR/Bavaria Fiction GmbH / Linda Gschwentner

»2011 hatte der 28-jährige Kanadier Luka Magnotta anonym mehrere Videos ins Netz gestellt, in denen er Kätzchen erst quälte und dann zu Tode brachte. Da die Polizei nichts dagegen unternehmen konnte oder wollte, hatten sich weltweit tausende User und Tierschützer zusammengeschlossen, um die Identität des sadistisch veranlagten Täters zu lüften. In monatelanger Arbeit hatten sie im Internet Fotos, Videos und Posts von Magnotta ausgewertet, um ihn schlussendlich ausfindig zu machen. Angetrieben waren sie von der Furcht, auf einem seiner nächsten Videos könnte der Tod eines Menschen zu sehen sein. Sie sollten recht behalten. Im Mai 2012 hatte Magnotta einen jungen Mann vor laufender Kamera getötet, seine Leiche geschändet und Filmaufnahmen der Tat ins Internet gestellt. Magnotta war anschließend nach Berlin geflohen, wo er in einem Internetcafé erkannt und festgenommen wurde. Danach wurde er in Kanada zu lebenslanger Haft verurteilt. 

Amokläufer und Serienkiller handeln aus den unterschiedlichsten Gründen: Frustration, Einsamkeit, Verzweiflung, Hass. Doch ihr Ziel ist oftmals das gleiche: Einmal in ihrem Leben wollen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und damit unvergesslich, ja unsterblich werden. Über Charles Manson, dessen grausame Taten über 50 Jahre zurück liegen, gibt es immer neue Bücher und Filme. Eine Autogrammkarte von ihm wird für 250 Dollar gehandelt, eine Haarsträhne für 2.500. Man kann die Kostüme von John Wayne Gacy kaufen, der in den Siebzigern als Clown verkleidet mehr als 30 Kinder entführte und ermordete. Frauen schreiben verurteilten Serienkillern Liebesbriefe, machen ihnen Heiratsanträge und pilgern ins Gefängnis, um Sex mit ihnen zu haben. 

Als Autor wollte ich mit 'Schau mich an' vor allem Fragen stellen: Was fasziniert uns an diesen Menschen? Wieso lassen wir ihnen so eine Aufmerksamkeit zukommen? Und warum wird nichts dagegen unternommen, dass das Internet das Bedürfnis nach Anerkennung pervertiert, und warum werden unsere Kinder nicht vor offen zur Schau gestellten Grausamkeiten geschützt? Als Regisseur trug ich diese Fragen im Gepäck, wollte aber kein moralisches Lehrstück drehen, sondern einen spannenden und 'unterhaltsamen' Tatort. Damit bin ich ein Teil dieser Maschinerie. Diesen Widerspruch gilt es auszuhalten.«

Drehbuchautor und Regisseur Christoph Stark

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