Wotan Wilke Möhring

Wotan Wilke Möhring ist Thorsten Falke.
Wotan Wilke Möhring ist Thorsten Falke. | Bild: NDR / Georges Pauly

25 Jahre ist Thorsten Falke jetzt bei der Polizei. Eine halbe Ewigkeit. Was macht ihn eigentlich aus? Julia Grosz nennt ihn den besten Bullen, den sie kennt. Nett, aber wahr? Ein bisschen ist er in seiner Jugend hängen geblieben, hört die Musik, die er schon vor einem Vierteljahrhundert gehört hat, und trägt unter der Lederjacke T-Shirts mit den Bandnamen. Und er trinkt Milch. Fast wie ein Kind. Aber was immer gleichgeblieben ist und auch nicht altert: Falke will helfen. Ist das typisch für einen guten Bullen? So würde er das nie sagen. Wenn er sich doch nur erinnern könnte. Erst eine Stimme, dann ein Gesicht aus der Vergangenheit. Der Mann weiß Einzelheiten, aber Falke tappt im Dunkeln. Wer ist der Mann, der ihn von seiner Jubiläumsfeier weglockt, ihn anschreit, Hilfe fordert und kurze Zeit später tot ist? Enzo Malotti? Denis Demirovic? Alte Fotos aus der Zeit, als der idealistische junge Polizeibeamte Thorsten Falke in seiner Freizeit ehrenamtlich in einem Jugendtreff für Sicherheit sorgen wollte, führen ihn aus dem Nebel. Es gab damals einen Brandanschlag, einen Toten, einen Täter, einen Zeugen. Das Einzige, was Falke damals nicht gelungen ist: zu helfen. „Was würdest Du an meiner Stelle tun?“ Das ist eine harte Frage für einen, der es gewohnt ist, selbst die Fragen zu stellen. Was würde denn Falke an Stelle von Oliver Timmig tun, der gerade mit seiner gesamten Existenz ringt? Und was würde er tun, wenn er Julia Grosz wäre? Die Karriereleiter hinaufsteigen und Abteilungsleiterin beim Landeskriminalamt werden? Oder bei ihm, bei Thorsten Falke bleiben, seine Launen aushalten und nur zwischen den Zeilen und nur ab und zu erahnen, wie sehr sie ihm ans Herz gewachsen ist? Ans Herz, das ihm nun wahrlich nicht auf der Zunge liegt. Schließlich weiß Falke ja oft nicht einmal, was er an seiner eigenen Stelle tun würde.

Wotan Wilke Möhring über den neuen Fall, über Falke als Retter in der Not und den Abschied von Kommissarin Julia Grosz

Kommissarin Julia Grosz eröffnet Falke, dass sie zum BKA wechseln will. Wie reagiert Falke auf den Verlust seiner Partnerin?

Die Art und Weise, wie Falke davon erfährt, verärgert ihn leicht. Aber er weiß, dass der Abschied nichts mit ihrer Beziehung untereinander zu tun hat, sondern mit dem Lebensweg der Kollegin. Wenn es ihr Wunsch ist, für das BKA in Wiesbaden zu arbeiten, dann will er ihr nicht im Weg stehen. Es ist ihre Entscheidung, in die er nicht eingebunden war. Natürlich entsteht da jetzt eine Lücke, die gefüllt werden muss. Das nagt an ihm. Doch es hat ja schon einmal funktioniert, eine neue Partnerin zu finden, warum nicht ein zweites Mal? Zu Falkes 25. Dienstjubiläum gibt Julia ein Konzert in einer Kneipe auf dem Kiez und singt Lieder, die auf ihn zugeschnitten sind. Es ist eine nonverbale Abschieds- und Liebeserklärung an ihren langjährigen Kollegen. Wenn Falke in einer späteren Szene zu ihr sagt, „ich werde dich vermissen“, dann ist es schon ein riesiger Schritt über seinen Schatten.

Im Fall „Was bleibt“ wird Falke von seiner Vergangenheit eingeholt. Ein Unbekannter verlangt vom Kommissar, ein mehr als 20 Jahre altes Versprechen einzulösen. Steht er in dessen Schuld?

Falke hat damals in Billstedt Flüchtlingskindern aus Bosnien Boxtraining gegeben. Nach einem Brandanschlag auf den Klub versprach er einem der verletzten Jungen, er werde alles tun, was in seiner Macht steht, um die Tat aufzuklären. Aber der Täter konnte nie gefasst werden, und das Kind kehrte mit seinen Eltern nach Bosnien zurück. In der Superheldenfantasie des Jungen war Falke der Mann mit der Marke, der alles durfte und alles schaffen konnte. In seiner Vorstellung hätte der Kommissar ihn schützen können, doch er ließ ihn im Stich. Falke erscheint es grotesk, daraus 20 Jahre später ein Versprechen abzuleiten und ihm die Schuld dafür zu geben, dass all die Lebensträume des Mannes zerplatzt sind.

Julia Grosz sagt im Film über Falke: „Der Mensch geht ihm vor dem Fall.“ Lässt sich der Kommissar deshalb auf den geheimnisvollen Fremden ein?

Falke hängt sich rein, weil da jemand in Not ist. Er möchte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, etwas unterlassen zu haben. Falke ist in der Vergangenheit schon mehrmals „Die Welt ein bisschen besser machen“ Wotan Wilke Möhring über den neuen Fall, über Falke als Retter in der Not und den Abschied von Kommissarin Julia Grosz 12 Tatort: Was bleibt um Hilfe gebeten worden. Als Bundespolizist und als Mensch. Er kann solche Rufe einfach nicht ignorieren, fühlt sich schnell moralisch verantwortlich und steht ständig im Zwiespalt mit sich selbst, sich korrekt zu verhalten. Auf der anderen Seite ist es natürlich perfide, seine Hilfsbereitschaft auszunutzen.

Schlägt der Film ein weiteres Kapitel in dem Buch „Falke rettet die Welt“ auf?

Aussagekräftiger ist der Untertitel des Romans: Warum ist Falke Polizist geworden? Die Antwortet lautet: Um die Welt ein bisschen besser zu machen. Er ist immer bestrebt, im Rahmen seiner Möglichkeiten das Richtige, das Gute, das Bessere zu tun. Inwieweit er dabei eingeschränkt wird, liegt nicht in seinem Ermessen. Daran reibt er sich tagtäglich im Polizeidienst und bleibt trotzdem „The Last Man Standing“.

Flüchtlinge, die vor langer Zeit nach Deutschland kamen, fragen im Film: Wer bin ich? Und sie erwarten von Falke eine Antwort darauf. Stößt er einmal mehr an seine Grenzen?

Eine Staatsbürgerschaft, eine Asylberechtigung oder ein Bleiberecht können den Menschen nicht die Frage abnehmen, wer sie sind. Es ist wohl eine lebenslange Aufgabe, der Beantwortung dieser Frage näher zu kommen. Wo will man hingehören? Was muss man dafür tun? Die Suche nach der eigenen Identität an Falke zu delegieren, statt sich selber der Verantwortung zu stellen, ist auf eine rührende Weise lächerlich. Aber im Film führt genau das zu einer Tragödie.

Es ist nicht Ihre erste Zusammenarbeit mit Max Zähle. Was hat Ihnen an seiner Regie gefallen?

Ich habe mit Max Zähle schon 2011 den Oscar-nominierten Kurzfilm „Raju“ gedreht. Auch beim „Tatort“ haben mir seine klare Bildsprache und sein fester Wille imponiert, den Film so zu inszenieren, wie es seinen Vorstellungen entspricht und nicht wie die Umstände es erlauben. Ganz toll finde ich die mehrere Minuten lange, ungeschnittene Anfangssequenz, für die er gegen alle Bedenken lange gekämpft hat. Ob er Kiez kann? Auf jeden Fall. Er kann den Ort und die Menschen, die dort leben. Kiez ist ja auch eine Einstellung. Man hält nicht einfach nur die Kamera drauf, sondern möchte etwas Bestimmtes hervorbringen.

0 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.