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Lebenslänglich für Vera Brühne

Vera Brühne
Vera Brühne: Ihr Fall lässt viele Fragen offen | Bild: WDR

Sie ist noch immer eine attraktive Frau. Eine, die mit 90 Jahren ihr Schweigen bricht und Gerechtigkeit fordert: 'Warum ist mir das passiert? Was war die Voraussetzung für so ein furchtbares Leben?' Tagtäglich habe sie sich das gefragt, erzählt Vera Brühne heute. All die Zeit, die sie als 'Lebenslängliche' im Frauengefängnis Aichach inhaftiert war. 1979, nach 18 Jahren Haft, wurde sie vom damaligen bayerischen Ministerpräsident Franz-Josef Strauß begnadigt.

Vera Brühne kann bis heute nicht begreifen, warum sie vor 40 Jahren verurteilt wurde. Gemeinsam mit ihrem Bekannten Johann Ferbach soll sie im April 1960 den Münchner Arzt Dr. Otto Praun und seine Geliebte Elfriede Kloo ermordet haben. Lebenslänglich, lautete das Urteil des Schwurgerichts im Juni 1962. Es war der Aufsehen erregendste Prozess der Bundesrepublik. Täglich drängelten sich Tausende von Schaulustigen vor dem Münchner Gerichtsgebäude: Brave Hausfrauen, biedere Bürger und Reporter. Sie warteten auf die hoch gewachsene, schöne, blonde Frau, von der die Boulevardpresse schrieb, sie sei eine geldgierige Lebedame.

Wochenlang wurde die Öffentlichkeit mit immer neuen Details aus dem angeblich so verruchten Leben der Vera Brühne gefüttert. Die Geliebte Prauns soll sie gewesen sein. Auf eine Villa in Spanien soll sie es abgesehen haben. Das Urteil über sie war in der Öffentlichkeit längst gesprochen, noch bevor der Schwurgerichtsprozess richtig begonnen hatte. Nichts davon sei wahr, sagt Vera Brühne damals wie heute. 'Ich war von der Presse schon für schuldig erklärt worden, das Gericht konnte sich von dieser Vorverurteilung nicht befreien.' Verbittert über all die Lügen, die über sie damals verbreitet wurden, zog sie sich zurück, verweigerte seit damals jede Stellungnahme. Jetzt hat sie ihr Schweigen gebrochen und dem WDR in einem ausführlichen Interview ihre Geschichte erzählt, zum ersten Mal seit ihrer Begnadigung 1979. Nach wie vor beteuert Vera Brühne, inzwischen 90 Jahre alt, ihre Unschuld. Naiv sei sie gewesen. Eine einfache Hausfrau, die nicht verstehen konnte, wie sie da hineingeraten war. Die Ermittlungen wurden schlampig geführt, der Prozess enthielt zahllose Ungereimtheiten.

Der Film von Michael Gramberg deckt Widersprüche und platte Lügen im Urteilsspruch von 1962 auf. Offensichtlich hat Vera Brühne 18 Jahre lang unschuldig hinter Gittern verbracht, wurde Opfer eines politischen Komplotts, bei dem die wahren Mörder im Verborgenen blieben. Dr. Otto Praun, den Vera Brühne gemeinsam mit ihrem bekannten Johann Ferbach im April 1960 ermordet haben soll, hatte sein erhebliches Vermögen keineswegs als Arzt erwirtschaftet, sondern als Waffenhändler im Dienst des Bundesnachrichtendienstes. Hinweise, dass die Mörder im Auftrag des BND handelten, gedeckt vom damaligen Bundesverteidigungsministerium unter Franz-Josef Strauß, sind bis heute nicht schlüssig widerlegt worden. Recherchen von Journalisten und Bundestagsabgeordneten wurden behindert, ein Wiederaufnahmeverfahren abgelehnt. Fast 40 Jahre nach dem Aufsehen erregenden Mordprozess will Vera Brühne endlich Gerechtigkeit.

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