SENDETERMIN Mo., 29.10.07 | 21:00 Uhr | Das Erste

Ronny Riecken – Der Mädchenmörder

Grab
Die Trauer um die Mädchen war groß. | Bild: Photos.com

Es ist der 19. März 1998, als Manfred Nytsch verzweifelt vor die Kameras tritt. "Lass' unser Kind frei, du zerstörst unser Leben", appelliert er an den Entführer seiner Tochter. Drei Tage zuvor hat Nytsch das Fahrrad seiner elfjährigen Christina an der Straße gefunden. In Strücklingen, ihrem Heimatort, beginnt die größte Suchaktion, die es in Deutschland nach einer Entführung je gegeben hat. In ganz Europa wird über den Fall berichtet. Doch alle Hoffnung ist vergeblich. Fünf Tage nach ihrem Verschwinden wird Christinas Leiche gefunden. Sie ist grausam missbraucht und brutal ermordet worden. Der Täter: ein 30-jähriger Familienvater, Ronny Rieken.

"Der Ronny hat mir schon als kleines Kind Angst gemacht." "Seine Taten waren von unvorstellbarer Brutalität." "Ich fürchte jeden Tag, dass Ronny Rieken wieder aus dem Gefängnis kommt." Noch heute, beinahe ein Jahrzehnt später, ist der Name Ronny Rieken in seiner Heimat allgegenwärtig. Was ist das für ein Mann, der die Menschen im Oldenburger Land erschauern lässt? – "Ich bin keine Bestie. Ich habe die Mädchen doch nur erwürgt. Wenn ich sie auch noch zerstückelt hätte, dann wäre ich eine Bestie." Als Ronny Rieken diesen Satz in seiner Gefängniszelle sagt, ist sein Gesicht ausdruckslos. Seine Eiseskälte jagt Angst ein.

Ronny Rieken stammt aus desolaten Familienverhältnissen. Der Vater sitzt wegen Kindesmissbrauchs ein, die Mutter schlägt den Sohn regelmäßig blutig. Liebe und Vertrauen kennt er nicht. Schon als Jugendlicher gerät er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Mit 21 Jahren wird Rieken zum ersten Mal wegen einer brutalen Vergewaltigung verurteilt. Das Opfer ist seine Lieblingsschwester, die zwei Jahre jüngere Ramona. Was folgt, ist eine Reihe fataler Fehleinschätzungen der Justiz. In einem Berufungsverfahren wird das ursprüngliche Urteil von zehn Jahren auf fünfeinhalb Jahre herabgesetzt. Im Gefängnis wird die sexuelle Problematik unterschätzt; eine Therapie findet nicht statt. Nach dreieinhalb Jahren wird Ronny Rieken entlassen, wegen guter Führung. Eines hat Ronny Rieken aus seinem Verbrechen gelernt: In Zukunft wird er sich auf kleine Mädchen konzentrieren. Die wehren sich nicht wie Erwachsene.

Direkt nach seiner Entlassung 1995 heiratet Ronny Rieken, führt ein scheinbar glückliches Familienleben. Doch dann verliert er einen seiner Aushilfsjobs, fährt den ganzen Tag herum – auf der Jagd nach kleinen Mädchen. Seinen Kindern, zwei Jungen und ein Mädchen – bei der Verhaftung sechs Monate, zwei und drei Jahre alt –, widmet er sich immer dann besonders, wenn er ein schlechtes Gewissen hat. Nach seiner Verhaftung wird die Polizei ermitteln, dass Rieken monatlich 8.000 Kilometer zurückgelegt hat.

Ronny Rieken – ein Mann mit zwei Gesichtern? Nachbarn beschreiben ihn als freundlich und hilfsbereit. Doch er missbraucht Kinder aus der Familie. Er hat Sex mit seiner 14-jährigen Schwägerin, vergewaltigt eine Nichte seiner Frau. Viele ahnen oder wissen es, niemand spricht darüber. Im Jahr 1996 entführt und vergewaltigt er ein elfjähriges Mädchen, lässt sie anschließend wieder laufen. Zehn Tage lassen ihre Eltern aus Angst vor der Schande verstreichen, bevor sie zur Polizei gehen. Eine Mauer der Schweigens umgibt Ronny Rieken. Der 16. März ist ein trüber, nasskalter Tag. Rieken ist wieder einmal unterwegs. Christina Nytsch ist ein fröhliches und sportliches Mädchen, überaus beliebt bei jedem, der sie kennt. Ronny Rieken reißt sie von ihrem Rad und sperrt sie in seinem Kofferraum ein. Er fährt an eine Stelle am Küstenkanal, nur wenige Kilometer entfernt. Er zieht sich einen Nylonstrumpf über den Kopf, bevor er Christina herausholt. Der Tod des kleinen Mädchens ist unvorstellbar grausam.

Der Film dokumentiert den ersten Massen-DNA-Test in Deutschland. 16.400 junge Männer waren aufgerufen, eine Speichelprobe abzugeben. Er zeigt, wie es den Polizisten gelang, Ronny Rieken in einer spektakulären Aktion eine weitere Tat, den Mord an der 13 jährigen Ulrike Everts, zu beweisen und berichtet von einer überforderten Justiz, die Furchtbares hätte verhindern können: eine Dokumentation über das Schicksal zweier Mädchen, die sterben mussten, weil zu viele Menschen geschwiegen haben.

Angeklagt wird Ronny Rieken wegen zweifachen Mordes und mehrfacher Vergewaltigung in insgesamt 14 Fällen. Am 27. November 1998 wird er zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Tat festgestellt. Wahrscheinlich wird er das Gefängnis nie wieder verlassen.

Film von Annette Baumeister und Jobst Knigge

Sendetermin

Mo., 29.10.07 | 21:00 Uhr
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