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Die tödliche Liebe der Ingrid van Bergen

Die Schauspielerin Ingrid van Bergen
Ingrid van Bergen erschoss 1977 ihren Geliebten Klaus Knaths. | Bild: WDR/dpa/Istvan Bajzat

20. Juli 1977. Bereits neun Stunden vor Prozessbeginn warten Hunderte Schaulustige vor dem Münchner Justizpalast. Das Sicherheitspersonal kann die Menschenmenge nur mühsam unter Kontrolle halten. Es müssen Barrieren errichtet werden, eine Glastür geht zu Bruch.

Um 9.00 Uhr wird die Angeklagte Ingrid van Bergen durch einen Seiteneingang ins Gerichtsgebäude geführt. Sie soll ihren Geliebten Klaus Knaths erschossen haben: aus Eifersucht. Auf den ersten Blick ein "einfaches" Beziehungsdelikt, wie es nahezu täglich in Deutschland begangen wird. Doch "der Fall Ingrid van Bergen" wird zu einem Sensationsprozess. Ein Fall, der von Beginn an von Theatralik begleitet wird.

Die beteiligten Personen sind prominent, die Umstände nahezu bühnenreif: die Täterin, eine Schauspielerin, die ehemals als blondes Kurvenwunder glänzte und nach wie vor die Rolle ihres Lebens sucht. Das Opfer, ein zwölf Jahre jüngerer Familienvater und Finanzmakler, der sein finanzielles Überleben mit Verhältnissen zu reichen Frauen sichert und schließlich sterbend im verschneiten Rosenbeet gefunden wird. Eine Handvoll mehr oder weniger prominenter Zeuginnen, die ebenfalls Verhältnisse zum Opfer unterhielten. Dazu Rolf Bossi als Staranwalt auf großer Bühne. Und schließlich die Mutter des Opfers, die die Tat am Telefon "live" mitverfolgte.

Im Vorfeld hatten die Medien monatelang über den Fall berichtet, jedes noch so intime Detail über Opfer und Angeklagte verbreitet. In der medialen Aufbereitung wurde aus dem Tötungsdelikt ein Boulevardstück im Milieu der Münchner Schickeria. Auch vor Gericht entsteht der Eindruck einer großen Inszenierung. Die Angeklagte erscheint ganz in schwarz, mit mädchenhafter Gretchenfrisur, spricht druckreif und ohne größere Gefühlsäußerungen. Ist alles nur gespielt? Macht sie das aus Selbstschutz? Aus Berechnung? Oder kann sie gar nicht anders, als in immer neuen Rollen aufzutreten?

In der Tatnacht hat sie stundenlang auf den Geliebten gewartet. Er trieb sich in Bars herum, wie so oft. "Das Ganze hat sich aufgebaut", sagt Ingrid van Bergen heute. "Ich war immer bereit, ihm zu verzeihen. Das ist doch klar. Wenn ein Mann zu mir sagt: 'Ich liebe Dich, es gibt außer Dir keine Frau und nichts anderes', glaubt man das doch allzu gerne." Doch als Klaus Knaths endlich nach Hause kommt, gibt es Streit. Tödlichen Streit.

Sie habe gedacht, dies alles sei nur ein Spiel gewesen und der Revolver nicht geladen, erklärte Ingrid van Bergen den Polizisten, die in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1977 als erste in der Starnberger Villa erschienen. Trotzdem feuerte sie drei Schüsse aus einer Smith Wesson, Kaliber 38. Der erste ging durch ein Fenster, die beiden anderen trafen das Opfer. Und doch wollte sie bis zuletzt geglaubt haben, ihr Geliebter spiele nur, sei nur leicht verletzt. An den genauen Tathergang, so versicherte sie immer wieder, könne sie sich nicht erinnern: "Ich weiß nicht einmal, dass ich geschossen habe. Ich weiß gar nichts."

Der Film von Ulrike Brincker und Rüdiger Liedtke rekonstruiert die Tatnacht und wirft einen Blick hinter die Kulissen der Münchner Schickeria. Die Dokumentation entwickelt das Psychogramm einer Täterin, die nach Liebe und Enttäuschung aus Eifersucht tötet. Den Autoren ist es gelungen, Ingrid van Bergen und deren Anwalt Rolf Bossi vor die Kamera zu bekommen und das "Liebesdrama aus Eifersucht" nach über 30 Jahren mit ihnen gemeinsam noch einmal Revue passieren zu lassen.

Film von Ulrike Brincker und Rüdiger Liedtke

Buch und Regie:

Ulrike Brincker, Rüdiger Liedtke

Redaktion:

Gudrun Wolter/WDR

Kamera:

Jürgen Dahlhoff, Tom Kaiser

Sprecher:

Gert Heidenreich

Schnitt:

Birgit Karass

Ulrike Brincker,

geboren in Köln, absolvierte von 1983–1987 das Studium "Sprachliche und Visuelle Kommunikation" an der Universität Hildesheim. Seit 1986 ist sie freie Journalistin für diverse Illustrierte und Tageszeitungen und von 1988 bis 1992 war sie leitende Redakteurin der "Kölner Illustrierten". Seit 1992 ist Ulrike Brincker freie Mitarbeiterin beim WDR Fernsehen.

Rüdiger Liedtke

Rüdiger Liedtke hat zahlreiche Bücher in den Bereichen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft geschrieben. Er ist Autor einer "Kriminal-Chronik" und zahlreicher Filme in der Reihe "Rückblende" des WDR sowie Autor des Films "In bester Verfassung. 60 Jahre Grundgesetz", ZDF 2009.

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Mo., 12.07.10 | 21:00 Uhr
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