SENDETERMIN So., 26.08.07 | 21:45 Uhr | Das Erste

Heinz Rühmann

Heinz Rühmann als Dr. Watson
Heinz Rühmann als Dr. Watson in "Der Mann, der Sherlock Holmes war". | Bild: WDR/dpa/Dieter Klar

In Filmen wie "Die Feuerzangenbowle", "Der Hauptmann von Köpenick" und "Die Drei von der Tankstelle" war er der kleine Mann ganz groß: Heinz Rühmann. Mit seinem verschmitzen Lächeln spielte er sich in die Herzen der deutschen Zuschauer. Doch privat war der gute Freund des Publikums ein Mann voller Widersprüche.

Die Dokumentation "Legenden: Heinz Rühmann" blickt erstmals hinter die Kulissen und zeigt den wohl beliebtesten deutschen Schauspieler als Privatmann. "Rühmann war nicht komisch, er spielte nur komische Rollen", verrät beispielsweise eine ehemalige Filmpartnerin. Doch diese Rollen, die ihm so auf den Leib geschnitten waren, machten ihn nie wirklich glücklich. Wie gerne hätte der kleine Komiker einmal einen großen tragischen Helden gemimt, wie sehr hasste er es, wenn die Menschen abseits der Bühne über ihn lachten.

Schauspielkollegin Margot Hielscher erinnert sich: "So wie Rühmann aus dem Auto stieg, standen sofort Leute da und grinsten und lachten. Und das ärgerte ihn." Nichts verabscheute er so wie den Medienrummel um die eigene Person. Auch die Kollegen hielt er auf Distanz: Kein Auf-die-Schulter-Klopfen, keine Umarmung, kein freundliches Klaps auf den Rücken.

Auf der Bühne mimte Rühmann perfekt den schüchtern-lausbübischen kleinen Mann, der es durch Pfiffigkeit und Frechheiten zu etwas bringt. Doch so jovial wie im Film erlebte Heinzpeter Rühmann seinen Vater nur selten: "Zuhause war er eigentlich eher der Arbeitsmensch, der ruhige, zurückgezogene, vollkommen disziplinierte Arbeiter an seinen Rollen." Rühmann lebte ein Leben nach der Uhr. "Ich hab mir nie erlaubt, auch nur eine Tasse Kaffee irgendwo zu trinken, weil ich wusste, dass er wartet und unglücklich ist und dass man so schnell wie möglich heim muss", erzählt seine Witwe Hertha Rühmann.

Beim Fliegen suchte Rühmann die Einsamkeit, doch lang allein sein konnte er nie. Er brauchte immer jemanden um sich. Halt fand er bei den Frauen an seiner Seite: seinen drei Ehefrauen Maria Bernheim, Hertha Feiler und Hertha Droemer und seiner Geliebten Leny Marenbach.

Geboren 1902 in Essen als Sohn eines Gastwirts, wuchs Rühmann nach dem Selbstmord des Vaters bei seiner Mutter in München auf. Der Durchbruch zum Filmstar gelingt ihm bereits 1930 mit einer Hauptrolle in "Die Drei von der Tankstelle", einer höchst erfolgreichen "Tonfilm-Operette". Sie verschafft ihm einen Vertrag mit der Ufa. Von der Gage kauft sich der begeisterte Sportflieger 1931 sein erstes Flugzeug.

Schnell avanciert Rühmann auch unter den Nazis zu einem der meistbeschäftigten Komiker des deutschen Films. Doch seine Frau Maria Bernheim ist Jüdin. Er steht vor der Wahl: Karriere oder Emigration. Vier Jahre schiebt Rühmann die Entscheidung vor sich her, ein Verhaltensmuster, das sein Sohn Heinzpeter Rühmann gut kennt: "Unangenehmen Themen ist er aus dem Weg gegangen, regelrecht ausgewichen." Dabei besteht die Ehe längst nur noch auf dem Papier. Seit 1935 ist Rühmann mit einer Kollegin, der Schauspielerin Leny Marenbach, liiert.

Erst als Rühmann das Berufsverbot droht, stimmt er einer Scheidung zu. Gleichzeitig organisiert er die Wiederverheiratung seiner Ex-Frau mit einem schwedischen Kollegen, der ihr so die Emigration nach Schweden ermöglicht. "Ich möchte nicht sagen, dass er sich frei gekauft hat", sagt Sohn Heinzpeter Rühmann. Doch genau so sehen es viele bis heute, auch der jüdisch-stämmige Film-Produzent Arthur Brauner. Für ihn bleibt Rühmann ein "charakterlich schwacher Mann".

Als der Zweite Weltkrieg beginnt, ist Rühmann den Nazis zu wertvoll, um ihn an der Front als Kanonenfutter zu verheizen. Noch in den späten Kriegsjahren dreht er einen Film nach dem anderen, darunter auch 1944 "Die Feuerzangenbowle". Nach Kriegsende gründet Rühmann seine eigene Filmgesellschaft, seine erste Bruchlandung. Es dauert sieben Jahre, bis er die Schulden getilgt hat. Obwohl Rühmann in Goebbels Ufa-Filmreich groß geworden ist, gelingt ihm auch im Nachkriegsdeutschland an seine früheren Erfolge anzuschließen. Filme wie "Charleys Tante", "Der Hauptmann von Köpenick" und "Der brave Soldat Schwejk" entstehen.

1994 stirbt im Alter von 92 Jahren der Mann, den Wim Wenders einmal als "das lebende Denkmal des kleinen Mannes im deutschen Film" bezeichnet hat.

Ungewöhnlich offen reden Rühmanns letzte Ehefrau, sein Sohn und seine Schwiegertochter sowie ehemalige Kollegen über Ihre Erfahrungen mit dem Ausnahmeschauspieler. Sie gewähren intime Einblicke in das private Leben Rühmanns und offenbaren seine Stärken, seine Schwächen und seine Widersprüche. Dank der uneingeschränkten Unterstützung durch Rühmanns Familie gelingt es dem Film nah an den Menschen Heinz Rühmann heranzukommen. Unveröffentlichte Privatbilder und Amateurfilme, die zum großen Teil seitens der Familie erstmals zur Verfügung gestellt wurden, zeigen Rühmann von bisher unbekannten Seiten.

Film von Sebastian Dehnhardt

Sebastian Dehnhardts Filmographie

Sebastian Dehnhardt, Jahrgang 1968, ist seit 1992 als freier Autor für verschiedene Fernsehsender tätig. Auf dem Gebiet der historischen Dokumentation zeichnet er für zahlreiche Produktionen verantwortlich, für ZDF-Porträts über Hess und Freisler in der Reihe "Hitlers Helfer" (1996 und 1998), für den Film über Johannes Paul I. in der Reihe "Vatikan – Die Macht der Päpste" (1997) und für den Film über Leni Riefenstahl in "Hitlers Frauen" (2001). Weitere ZDF-Filme sind "Der Jahrhundertkrieg – Tödliche Falle" (2002), "Die SS – Mythos ODESSA" (2002), "Die Gefangenen – Die Heimkehr der Zehntausend" (2003), "Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte" (2004). In ARD-Reihen ist Sebastian Dehnhardt als Autor und Regisseur für Filme wie "Die Waffen-SS – Hitlers letztes Aufgebot" (1998) und "Schlachtfeld Vietnam – Der schmutzige Krieg" (2000) verantwortlich. Für die ARD-Dokumentation "Die Vertriebenen – Hitlers letzte Opfer" erhielt Sebastian Dehnhardt den Bayerischen Fernsehpreis 2001, für die ZDF-Dokumentation "Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte" den Deutschen Fernsehpreis (2004) und 2005 den EMMY für "Das Drama von Dresden". Seit Januar 2002 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Produktionsfirma broadview.tv GmbH in Köln.

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