SENDETERMIN Fr., 30.12.11 | 09:05 Uhr | Das Erste

Legenden

Mit beinahe 106 Jahren ist er der älteste aktive Bühnenkünstler der Welt. Seit nunmehr 88 Jahren steht Johannes Heesters auf der Bühne. Er ist der letzte Überlebende der Generation Rühmann, Albers und Co. Seine Fans sind mit ihm gealtert und halten „Jopie" liebevoll die Treue, aber auch junge Menschen sind fasziniert von der lebenden Legende. Er ist inzwischen blind und völlig auf seine fast 46 Jahre jüngere Ehefrau Simone angewiesen, aber wenn er singt, dann ist seine Stimme klar und fest, der Text sitzt und wenn er auf der Bühne steht, wie kürzlich im „Jedermann" in der Rolle von „Gott", dann geht von ihm immer noch ein großer Zauber aus. Und man versteht, warum Heesters Zeit seines Lebens ein Frauenliebling war. Ein weicher Macho mit Samthandschuhen und Frack.

Er schaut zurück auf ein ganzes Jahrhundert, das sich mit all seinen Glanzpunkten und Katastrophen in seiner Biografie spiegelt. Es gibt daran viel Licht, aber auch braune Schatten - wie bei vielen Künstlern, die in den 30er Jahren in Deutschland für gute Laune sorgte. Der Niederländer Heesters wurde dafür in seiner Heimat verachtet. Erst mit 104 Jahren ging sein Herzenswunsch in Erfüllung: Er konnte in seiner Geburtsstadt gastieren. Aber auch in Deutschland gab und gibt es heftige Kontroversen um seine Rolle im Dritten Reich. Er sei immer „unpolitisch" gewesen, sagt er bis heute. „Ich wollte Karriere machen. Ich bin 1936 nicht zu den Nazis gegangen, ich bin zu den Deutschen gegangen" erzählt er heute. Und er hat die Größe zu sagen, dass er sich heute für vieles schämt.

Im Mittelpunkt dieser anrührenden, differenzierten Filmbiografie der ARD-Reihe „Legenden" steht das vermutlich letzte große Interview mit Heesters selbst, in dem er offen über sein Leben, seine Karriere und seine beiden großen Lieben spricht. Es zeigt einen Heesters, der sich im Interview mit dem fast 70 Jahre jüngeren Filmemacher Philipp Engel trotzig eine Zigarette ansteckt und der mehrfach abbrechen will, weil er „jetzt wirklich keine Lust mehr hat, über den alten Kram zu reden" und der sich dann doch öffnet, ebenso wie die anderen Familienmitglieder, Freunde und Weggefährten. Offen erzählen die beiden Töchter Wiesje und Nicole über den Vater, den liebevollen Familienmenschen und charmanten Frauenhelden, der trotz seiner Affären ihrer Mutter, der Schauspielerin Louise "Wiske" Ghijs, ein Leben lang treu verbunden war. „Er wusste, wo sein Hafen ist", erzählt Tochter Wiesje. Zuhause war er der strenge, aber liebevolle Papa und brave Ehemann, der sich gerne verkleidete und die Familie immer wieder mit Scherzen überraschen konnte. Diesen bubenhaften Charme hat er sich bis ins hohe Alter bewahrt, weshalb sich auch seine zweite Frau Simone, trotz des großen Altersunterschiedes, in ihn verliebt hat.

Auch Simone Rethel Heesters spricht erstaunlich offen - über ihre Ehe, die Angst vor dem Tod und ihren Mann, dessen große „Herzenswärme" sie vor allem bezaubert habe. Gemeinsam mit den Töchtern aus erster Ehe, Nicole Heesters und Wiesje Herold, sowie dem Schwiegersohn Pit Fischer zeichnen sie das Bild des privaten Johannes Heesters. Für seine Dokumentation hat HR-Autor Philipp Engel außerdem den langjährigen Pianisten Uli Kofler, den Freund und Manager Jürgen Ross sowie eine Reihe weiterer Weggefährten getroffen. Entstanden ist ein sehr nahes, differenziertes Porträt eines Mannes, der schon aufgrund seines Alters zweifellos eine Ausnahmeerscheinung ist, eine lebende Legende eben.

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Fr., 30.12.11 | 09:05 Uhr
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