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Jahresrückblick 2019

Die Themen und Bilder des Jahres 2019

Kämpferin für Klimaschutz: Greta Thunberg ist im Jahr 2019 allgegenwärtig. Auf Demos unter Schülern und dort, wo die Mächtigen zusammenkommen, um über das Klima zu diskutieren. Immer dabei ihr Pappschild, auf dem "Skolstrejk för klimatet" steht, Schulstreik fürs Klima. Im Januar campiert sie vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos, sie tritt bei einer Klimakonferenz in Wien auf. Per Segelboot reist sie nach New York, um vor den Vereinten Nationen zu sprechen. In der emotionalen Rede am 23. September ruft sie den UN-Delegierten zu: "Wenn ihr nichts tut, werden wir euch niemals vergeben!". Dann geht es zurück nach Europa zum Weltklimagipfel in Madrid. "Wir", das sind hunderttausende Schüler weltweit, die inspiriert von der 16-Jährigen Greta unter dem Motto "Fridays for Future" Freitag für Freitag auf die Straße gehen statt in die Schule – und damit gesellschaftliche Debatten in Gang setzen. Über zivilen Ungehorsam, über eine vermeintlich oberflächliche Jugendgeneration und über die Rolle jedes Einzelnen bei der Bekämpfung der Erderwärmung. Für ihr Engagement wird Thunberg im Dezember der alternative Nobelpreis verliehen.  | Bild: dpa/picture alliance / Michael Kappeler

Kämpferin für Klimaschutz: Greta Thunberg ist im Jahr 2019 allgegenwärtig. Auf Demos unter Schülern und dort, wo die Mächtigen zusammenkommen, um über das Klima zu diskutieren. Immer dabei ihr Pappschild, auf dem "Skolstrejk för klimatet" steht, Schulstreik fürs Klima. Im Januar campiert sie vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos, sie tritt bei einer Klimakonferenz in Wien auf. Per Segelboot reist sie nach New York, um vor den Vereinten Nationen zu sprechen. In der emotionalen Rede am 23. September ruft sie den UN-Delegierten zu: "Wenn ihr nichts tut, werden wir euch niemals vergeben!". Dann geht es zurück nach Europa zum Weltklimagipfel in Madrid. "Wir", das sind hunderttausende Schüler weltweit, die inspiriert von der 16-Jährigen Greta unter dem Motto "Fridays for Future" Freitag für Freitag auf die Straße gehen statt in die Schule – und damit gesellschaftliche Debatten in Gang setzen. Über zivilen Ungehorsam, über eine vermeintlich oberflächliche Jugendgeneration und über die Rolle jedes Einzelnen bei der Bekämpfung der Erderwärmung. Für ihr Engagement wird Thunberg im Dezember der alternative Nobelpreis verliehen.

Quo vadis Groko? Klimapaket, Grundrente, Digitalisierung. Im November zieht die Große Koalition Halbzeitbilanz und stellt sich selbst ein gutes Zeugnis aus. Doch der Druck auf CDU und SPD von außen und von innen wird immer größer. Dafür sorgen schlechte Wahlergebnisse bei drei Landtagswahlen im Osten (Brandenburg, Sachsen, Thüringen) und den Europawahlen. Bei der SPD sorgt der Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles Anfang Juni für Verwerfungen. Vizekanzler Olaf Scholz (r.) verliert im Bewerberduo mit Klara Geywitz das Nachfolgerennen gegen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken aus dem Lager der Groko-Skeptiker. Kanzlerin Angela Merkel (Mitte) ist nicht mehr CDU-Vorsitzende. Ihre Nachfoglerin, Annegret Kramp-Karrenbauer (l.), seit Juli auch Verteidigungsministerin, will sich als Kanzlerkandidatin mit deutlich konservativem Profil in Stellung bringen.

Ordeeer! Im schier unendlichen Brexit-Chaos sammelt der Parlamentspräsident des Unterhauses, John Bercow, mit seinen Ordnungsrufen und Ermahnungen Sympathiepunkte für die angeschlagene britische Demokratie. Am 31. Oktober hält "Mr. Speaker" seine letzte Rede und tritt ab. Brexit-Hardliner Boris Johnson folgt bereits im Juli der am Brexit gescheiterten Theresa May auf den Posten als Premier. Der endgültige EU-Austritt wird mehrfach verschoben. Nun soll er 2020 vollzogen werden. Bei den Neuwahlen 12. Dezember erreicht Johnson mit seinen Tories die erforderliche Mehrheit. Nun kann er den von ihm nachverhandelten Brexit-Vertrag im Unterhaus durchsetzen. Die Labour-Partei um Oppositionsführer Jeremy Corbyn ist abermals an der Urne gescheitert. Im Bild: die drei Protagonisten: Bercow, Johnson und Corbyn – von Künstlerin Andrea Deans überlebensgroß als Pappfiguren nachempfunden.

Neuseeland trauert: Am 13. Juni verübt ein australischer Rechtsextremist im neuseeländischen Christchurch einen antimuslimischen Anschlag auf zwei Moscheen. Er erschießt 51 Menschen. Die Tat überträgt er live im Internet. Das jüngste der Opfer ist drei, das älteste 71 Jahre alt. Dutzende weitere Menschen werden verletzt, bevor die Polizei den Täter überwältigt. Im Bild: Angehörige und ein Polizist bei der Beerdigung von Attentatsopfern.

Am Abend des 15. April bricht am Dach der Pariser Weltkulturerbekirche Notre-Dame ein Feuer aus. Der historische Dachstuhl und der mittlere Spitzturm stürzen ein. Der Innenraum der Kirche ist ein Trümmerfeld. Ein technischer Defekt soll den Brand ausgelöst haben. Frankreich ist erschüttert, Menschen weltweit nehmen Anteil. Staatspräsident Emmanuel Macron verspricht, Notre-Dame binnen fünf Jahren wiederaufbauen zu wollen. Fast eine Milliarde Euro an Spendengeldern kommt dafür zusammen. Dutzende Architektenentwürfe gehen ein. Ob der Wiederaufbau derart schnell erfolgen kann, ist jedoch fraglich. Sachverständige wie die frühere Kölner Dom-Baumeisterin Barbara Schock-Werner, die Hilfe aus Deutschland koordiniert, sind skeptisch. Auch mehr als ein halbes Jahr nach dem Brand sind die beauftragten Firmen noch immer mit der Einsturz-Absicherung der Kathedrale zugange.

Walter Lübcke, Regierungspräsident in Kassel. Er wird in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni im Garten seines Hauses im nordhessischen Istha erschossen. Der mutmaßliche Täter: ein bekennender Neonazi und vorbestrafter Rechtsextremist. Nach seiner Verhaftung gesteht er die Tat zunächst, widerruft das Geständnis aber später. In der Einlassung nennt er als Grund für die Ermordung Lübckes dessen Äußerungen bei einer Bürgerversammlung im Jahr 2015. Auf dieser hatte sich der CDU-Politiker für die Aufnahme von Flüchtlingen stark gemacht.

Hongkong in Aufruhr: In der chinesischen Sonderverwaltungszone kommt es erstmals im Juni zu großen Protesten gegen ein Auslieferungsabkommen mit Peking. Die Aktivisten, angeführt vom Studenten Joshua Wong, werfen Regierungschefin Carrie Lam vor, das liberale Rechtssystem auszuhöhlen. Fast täglich gehen seither vor allem junge Menschen auf die Straße. An den größten Kundgebungen beteiligen sich mehr als eine Million Menschen. Immer wieder kommt es zu teils heftigen Gewaltausbrüchen. Polizei und Demonstranten gehen mit Tränengas und Molotowcocktails gegeneinander vor. China droht militärisch einzuschreiten, die USA und andere westliche Staaten unterstützen die Demokratiebewegung. Die Lage bleibt angespant.

Kapitänin in Haft: Die deutsche Schiffsführerin und Aktivistin der Hilfsorganisation Sea Watch, Carola Rackete, wird von der italienischen Polizei festgenommen, als sie mit 40 Migranten an Bord nach wochenlangem Abwarten den Hafen von Lampedusa anläuft. Das hatte der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini zuvor untersagt. Salvini beschimpft Rackete als Verbrecherin. Der Vorfall sorgt europaweit für Aufsehen und löst vorübergehend eine diplomatische Krise aus. Rackete beruft sich auf See- und Menschenrecht. Ein Ermittlungsrichter stellt sie trotzdem in Italien unter Hausarrest. Einige Tage später wird dieser aufgehoben, Rackete ist frei. Sie verlässt die Sea-Watch Crew. Zurück in Deutschland engagiert sie sich weiter für Menschenrechte. Und für den Klimaschutz: Der Klimawandel sei eine der Hauptursachen, warum Menschen flüchteten, sagt die 31-Jährige.

Plötzlich Europa: Es ist ein Verhandlungscoup, eine echte Überraschung. Nach tagelangen, zähen Verhandlungen einigen sich die EU-Regierungschefs im Juli auf Ursula von der Leyen, zum Zeitpunkt deutsche Verteidigungsministerin, als neue Chefin der Kommission in Brüssel. Der eigentlich Kandidat der Union, CSU-Politiker Manfred Weber, geht leer aus. Am ersten Dezember nimmt von der Leyen mit ihrem Team aus 26 Kommissaren offiziell ihre Arbeit auf.

Der Regenwald brennt: Im südlichen Amazonasbecken wüten im September die schlimmsten Waldbrände seit vielen Jahren. Hunderte Hektar Urwald fallen den Flammen zum Opfer. Trockenheit begünstigt, dass sie sich rasend schnell ausbreiten. Schuld an den meisten der mehr als 80.000 Brände hat: der Mensch. Oft handelt es sich um Brandrodung für Acker- oder Weideland. In den schwer zugänglichen Gebieten in der Grenzregion zwischen Brasilien und Bolivien kommen die Einsatzkräfte kaum nach, die vielen Glutnester zu löschen. Der im Januar ins Amt gewählte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro stellt sich indes auf die Seite der Viehzüchter, Bauern und Großgrundbesitzer, die für viele der Brände verantwortlich sind. Kritik der internationalen Gemeinschaft blockt er ebenso ab wie Soforthilfen der G-7-Staaten.

Es ist eine denkwürdige Leichtathletik-Weltmeisterschaft am Persischen Golf. Zwei Wochen in der Hitze von Doha, Ende September und Anfang Oktober. Sie bleiben im Gedächtnis, weil sie zeigen, dass man Sportbegeisterung nicht erzwingen kann. Viele Plätze bleiben leer im Stadion, bei den Siegerehrungen sowieso. Die hohen Temperaturen verlangen den Athleten viel, manchmal zu viel ab. Aus deutscher Sicht aber überstrahlt ein Erfolg alles: Der 21-jährige Niklas Kaul aus Mainz gewinnt Gold. Das erste eines deutschen Zehnkämpfers seit mehr als 30 Jahren. Es ist die wohl größte Überraschung dieser WM. Unmittelbar nach der letzten Disziplin, dem 1500-Meter-Lauf, sagt er am ARD-Mikrofon: "Keine Ahnung, wie das passiert ist. Ich bin nicht der beste Zehnkämpfer, der hier angetreten ist, aber vielleicht der konstanteste." Kauls Medaille ist eine von zwei goldenen für Deutschland (neben Malaika Mihambound im Weitsprung) und eine von insgesamt fünf des DLV-Teams.

Zwei Deutsche gewinnen den Ironman auf Hawaii. Jan Frodeno stellt mit 7:51:13 Stunden einen neuen Streckenrekord auf. Es ist der dritte Erfolg des Kölners bei dem prestigeträchtigsten Triathlonwettkampf überhaupt und das sechste Mal in Serie, dass ein Deutscher als erster ins Ziel läuft. Bei den Frauen gab es das bislang noch nie. Doch in diesem Jahr ist keine schneller als Anne Haug (im Bild) aus Bayreuth. Sie absolviert die Distanzen von 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen in 8:41:58 Stunden.

Er geht: Uli Hoeneß ist seit dem 16. November nicht mehr Präsident des FC Bayern München. Eine Ära endet. Der langjährige Manager und ehemalige Spieler zieht sich aus der vordersten Reihe der Klubführung zurück in den Aufsichtsrat. Unter seiner Führung wurde der FC Bayern zum Aushängeschild des deutschen Profifußballs. Auf Auswärtsfahrten, sagt Hoeneß bei seinem Abschied auf der Jahreshauptversammlung in der Münchner Olympiahalle, wolle er fortan nur noch selten mitfahren.

Rechter Terror in Halle: Am 9. Oktober versucht der bekennende Rechtsextremist und Antisemit Stephan B. vergebens, während des Jom-Kippur-Gottesdienstes schwer bewaffnet in die Synagoge von Halle einzudringen. Es ist der höchste jüdische Feiertag. Draußen tötet er zwei Menschen mit Schüssen, die 40-jährige Jana L. und den 20-jährigen Kevin S. Auf seiner Flucht verletzt er weitere. Dann wird er verhaftet. Auf seinem Rechner finden Ermittler Dateien von Hitlers "Mein Kampf" und einen Mitschnitt des antimuslimischen Attentats im neuseeländischen Christchurch. Polizei und Politik in Sachsen-Anhalt stehen nach dem Anschlag in der Kritik. Der Vorwurf: Die Synagoge war zum Zeitpunkt des Anschlags nicht geschützt. In den Tagen nach der Tat bekunden bundesweit Menschen in den Städten mit Licherketten und Gedenkstunden ihre Solidarität mit den in Deutschland lebenden Juden.

Der entrückte Präsident: Auch in seinem dritten Amtsjahr löst der Staatschef der USA, Donald Trump, weltweit Irritationen aus. Der Handelskrieg mit China, der Streit über die Zukunft der Nato und die Mauer zu Mexiko sind Daueraufreger. Weltpolitisch für Turbulenzen sorgen auch der Truppenabzug aus Syrien, der zu eskalieren drohende Konflikt um das Atomabkommen mit dem Iran und die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens. Im September veröffentlicht das Weiße Haus den Wortlaut eines Telefonats mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenskij, aus dem die Demokraten den Vorwurf des Amtsmissbrauchs ableiten und ein "Impeachment"-Verfahren anstoßen. Ob Trump im Wahljahr 2020 noch Präsident sein wird, ist unklar. In der Ära Trump scheint alles möglich zu sein. Auch, dass er eine weitere Amtsperiode der mächtigste Mann der Welt bleibt.

Freude über den Friedensnobelpreis in Ostafrika: Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed erhält die Auszeichnung für seine Friedensbemühungen im Grenzkonflikt mit Eritrea. Mit der Wahl setzt das norwegische Nobelkomitee ein Zeichen der Hoffnung. Die Krisenregion am Horn von Afrika ist seit Jahrzehnten von Bürgerkriegen und Grenzkonflikten gezeichnet. Zehntausende Menschen starben, Hunderttausende flüchteten. Der 2018 ins Amt gewählte Abiy Ahmed führte im eigenen Land die friedliche demokratische Revolution an und handelte mit dem Nachbarland Eritrea einen historischen Friedensvertrag aus. Im Bild: Eine Frau in der Hauptstadt Addis Abeba mit einem Porträt des Präsidenten.

30 Jahre Mauerfall: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnern bei der Gedenkveranstaltung in Berlin gemeinsam mit den Staatsoberhäuptern Polens, der Slowakei, Tschechiens und Ungarns an die Öffnung der Mauer im November 1989. | Autor Texte: Philipp von Nathusius