Thomas Gottschalk

Thomas Gottschalk
Thomas Gottschalk | Bild: ARD / Frank Zauritz

Man könnte denken, er wäre im Fernsehen geboren. Irgendwo auf einer Showtreppe oder einer Wohlfühlsitzgarnitur, im Licht der Studioscheinwerfer, als Sohn der deutschen Samstagabend-Unterhaltung. Tatsächlich aber gab es auch für Thomas Gottschalk ein Leben vor dem Fernsehen.

Er kommt am 18. Mai 1950, Christi Himmelfahrt, in der privaten Frauenklinik von Bamberg zur Welt, auf den Tag genau dreißig Jahre nach Papst Johannes Paul II und drei Wochen nach Jay Leno. Er ist 54 Zentimeter groß und wiegt 4000 Gramm.

Thomas Gottschalk wächst im katholischen Kulmbach auf, ist Ministrant in der Stadtpfarrkirche. Mit Sieben predigt er in unregelmäßigen Abständen im Messgewand vom Wohnzimmersessel. Notfalls auch ganz ohne Gemeinde.

Seine Jahre als Teenager verbringt er zwischen Pop und Kirche. Der Glauben begleitet ihn auch durch die Pubertät, doch längst hat er die liturgische Kleidung gegen immer schrillere Outfits getauscht. Und füllt sein Leben mit der Musik der 60er Jahre. In einem Kulmbacher Tanzlokal arbeitet er als DJ. Zudem ist er ein fanatischer Anhänger von Tony Prince, dem Discjockey von Radio Luxemburg.

Am 25. August 1967 färbt Vizekanzler Willy Brandt das Fernsehen der Bundesrepublik bunt. Es wird sich erst später zeigen: Aber an diesem Tag wird der Grundstein für Gottschalks TV-Karriere gelegt. Später wird er sagen: "Ich bin das erste Kind des Farbfernsehens."

Noch aber ist der damals gerade 17-Jährige überzeugt: "Ich werd' einmal Priester."

Mit 20, das Abitur in der grellbunten Jacketttasche, hängt er den Talar allerdings erstmal in den Schrank. Gottschalk absolviert einen Rednerkurs der CSU in Oberammergau und schreibt kleine Texte für die "Plauderecke" des Bayrischen Rundfunks. Priester will er nicht mehr werden. Gottschalk will ins Radio. Am besten live.

Das klappt schneller, als erwartet. 1971 wird er freier Mitarbeiter bei Bayern 3. Schon fünf Jahre später moderiert er "Pop nach Acht". Jetzt ist er im Radio. Live. Und bleibt dort.

Am Neujahrsmorgen 1984 legt Jürgen Doetz in der Sendezentrale des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen den Schalter um. Das Fernsehen ist nicht mehr nur bunt, es ist nun auch privat.

Gottschalk moderiert da mittlerweile bereits "Thommys Pop-Show" und "Na Sowas!"  im ZDF. Oliver Pocher ist zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt.

Ab 1985 bildet er in der B3-Radioshow mit Günther Jauch, dem späteren Schwiegersohn der Nation, ein kongeniales Duo. Seinen eigentlichen Seelenpartner hat er aber schon längst gefunden: Mike Krüger. Gemeinsam erfinden die beiden das Genre Blödelklamotte und damit auch den deutschen Film neu. Auch wenn sich Willy Brandt spätestens nach "Zwei Nasen tanken Super" geärgert haben wird, im Sommer 1967 nicht doch auf den Selbstzerstörungsknopf gedrückt zu haben.

Die Nasen-Ausflüge an die Fremdschamgrenze schmälern seine Popularität allerdings nur wenig. Im Gegenteil. Am 26. Dezember 1987, Oliver Pocher muss noch einige Wochen auf seien Volljährigkeit warten, übernimmt Gottschalk "Wetten, dass ...?!" von jenem Mann, der ihn einst schon zu Mister Morning bei Radio Luxemburg gemacht hatte: Frank Elstner. Die Fußstapfen Elstners scheinen groß, vielleicht zu groß. Doch Gottschalk begegnet auch dieser Herausforderung auf seine ganz eigene Art: Mit schrillen Outfits und der Saalwetten-Fröhlichkeit des alterslosen Lausbuben. In den folgenden Jahren verschmilzt er mit der Sendung, die er bis auf eine kurze Unterbrechung, als er im Zuge eines Aufbau-Ostprogramms des ZDF Wolfgang Lippert die Showbühne überlässt, fast  24 Jahre durchgängig moderiert.

Die Mauer fällt, Deutschland wird Weltmeister und Gottschalk mit jeder neuen Sendung zum Show-Botschafter der neuen Bundesrepublik, der die internationale Prominenz, egal ob Paul McCartney oder Bill Gates, auf seiner Couch empfängt. Gummibärchendiplomatie zwischen großen Gesten und absurden Wetten.

Nach 151 Sendungen, angeleckten Buntstiften, Patrick Lindner in Unterhose, einer Nacht im Gefängnis und einem Besuch von Kanzler Schröder verlässt Gottschalk "Wetten, dass ...?!" im Dezember 2011.

Für seine Arbeit hat Thomas Gottschalk in den vergangenen 30 Jahren diverse Auszeichnungen erhalten. Er ist Ehrenbürger seiner Heimatstadt Kulmbach und Träger des Karl-Valentin Ordens. Neben dem Goldenen Gong, dem Cicero Rednerpreis und dem Goldenen Schlitzohr wurde ihm zudem der Deutschen Fernsehpreis verliehen, den er wiederum 2008 an Marcel Reich-Ranicki vergeben sollte. Reich-Ranicki lehnte den Preis vor laufenden Kameras ab und traf sich einige Tage später mit Gottschalk zu einem Gespräch über die Qualität des deutschen Fernsehens. Dort sagte er: "Über Ihre Rolle als Moderator wollen wir hier nicht reden." Dabei hätte es viel zu erzählen gegeben. Was damals alles nicht gesagt wurde, gibt es nun täglich im Ersten. Mit Thomas Gottschalk.

Bilder von Thomas Gottschalk