Was ist Cyber-Grooming?

Die 13-jährige Sara (Lena Urzendowsky) freundet sich im Online-Quiz mit Benny an, der angeblich 16 ist,
Die 13-jährige Sara freundet sich im Online-Quiz mit Benny an, der angeblich 16 ist. | Bild: SWR / Andreas Wünschirs

Cyber-Grooming ist ein Kunstwort. Gemeint sind damit Aktivitäten von Erwachsenen im Internet, die gezielt einen sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen vorbereiten. Die Täter sind meist ältere Männer, die sich in sozialen Netzwerken gegenüber jungen Menschen als gleichaltrig ausgeben. Mit einem falschen Profil erschleichen sie sich das Vertrauen der Opfer und fühlen sich in ihrem Tun durch die Anonymität des Netzes sicher.

Die Opfer lernen ihre vermeintlichen Web-Freunde in der virtuellen Welt kennen, verlieben sich und treffen unter falschen Vorstellungen auf ihre Täter. „Kinder und Jugendliche verlieren in der Netzwelt oft die Schutzmechanismen, die in ihrer realen Welt gelten, wiegen sich in Sicherheit und bauen schnell Hemmungen ab“, erklärt Julia von Weiler, Vorstand der Kinderschutzorganisation "Innocence in danger".

Bis zu fünf Jahre Strafe

Ein Kind im Internet aus sexuellen Interessen zu kontaktieren, ist strafbar gemäß § 176 Absatz 4 Nr. 3 Strafgesetzbuches. Seit 2004 ist Cyber-Grooming verboten und kann mit einem Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren bestraft werden.

An diese Belästigungen schließen sich häufig Straftaten wie sexueller Missbrauch, das Anfertigen und oder Weiterverbreiten von kinderpornographischem Material an. Allerdings ist dieser Paragraf auch umstritten. Täter können sich darauf berufen, dass sie ihr Gegenüber für älter eingestuft hätten, monieren Kritiker. Die Beweisführung ist schwierig.   

Täter werden oft zufällig entdeckt

In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Cyber-Grooming-Fälle kontinuierlich gestiegen. Das Bundeskriminalamt (BKA) geht bei diesem Phänomen weiterhin von einer steigenden Tendenz aus, schon wegen zunehmender Nutzerzahlen bei den Sozialen Medien, kostengünstiger Hardware, preiswerter Internettarife sowie dem Ausbau von Hotspots.  

Das Amt weist auf die hohe Dunkelziffer der sexuellen Kontaktversuche in diesem Bereich hin, da nur wenige Delikte angezeigt werden. Oft melden sich dann nicht die Opfer, sondern die Tat wird durch einen Zufall zum Beispiel von Eltern entdeckt. Es ist nicht möglich, konkrete Fallzahlen von Cyber-Grooming anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik-Zahlen (PKS) zu nennen, so das BKA.

Gestaltet Kindern einen Schutzraum im Internet

Cyber-Grooming führt aus Tätersicht sehr viel schneller zum Erfolg als im realen Leben. "Für diese Kriminellen ist das Internet ein paradiesischer Ort mit direktem und ungestörten Kontakt zu ihren Opfern", sagt Julia von Weiler. Und selbst, wenn Kinder über Medienkompetenz verfügen, begeben sie sich in der digitalen Welt schneller in Gefahren oder auf falsche Wege. Die jungen Menschen haben noch wenig Lebenserfahrung, sie sind einem Erwachsenen immer unterlegen und stecken in einer Phase, in der sie sich selbst ausprobieren und entdecken wollen.

Die Psychologin fordert, dass Politik und Internetanbieter endlich ins Tun kommen. "Es muss ein digitaler Kinderschutz geschaffen werden, mit Regeln wie im Straßenverkehr. Wenn Google ein selbstfahrendes Auto starten lässt, wird es auch die technischen Möglichkeiten schaffen können, unseren Kindern eine sichere Umgebung in der digitalen Welt zu ermöglichen. Ebenso Unternehmen wie Facebook, Snapchat oder die Online-Spiele-Industrie."

Autorin: Andrea Rickert


Wie es zu einem Kontakt zwischen einem minderjährigem Mädchen und einem Täter kommen kann, zeigt folgendes Beispiel des Kriminologen Thomas Gabriel Rüdiger eindrucksvoll. In der Online-Community für Jugendliche wird eine elfjährige Nutzerin in einem öffentlichen Habbo-Hotelraum von einem männlichen Spieler angesprochen. Der Täter gibt sich als minderjährig aus und beginnt mit dem Opfer eine virtuelle Wohnung auszustatten. Diese Wohnung besuchen beide täglich, wobei der Täter besondere Möbelstücke, aber auch virtuelle Haustiere (zum Beispiel Katzen- und Hundewelpen) zur Ausstattung kauft. So entwickelt sich zwischen dem Opfer und dem Täter ein Vertrauensverhältnis. Auf diesem aufbauend, überredet der in Wirklichkeit 28-Jährige das Mädchen zu Sex in einem "realen" Hotelzimmer. Überführt wird er durch die Mutter des Opfers, die Gesprächsverläufe mit sexuellen Inhalten auf dem Handy des Kindes entdeckt. Der Täter wurde Ende 2010 zu drei Jahren Haft verurteilt (Middelburg AZ: 2010/12/700056-10)