Adrenalin-Kick

Interview mit Lena Urzendowsky

Saras (Lena Urzendowsky) Begegnung mit ihrer Chatbekanntschaft endete traumatisch.
Saras Begegnung mit ihrer Chatbekanntschaft endete traumatisch. | Bild: SWR / Andreas Wünschirs

Lena, die Rolle der Sara, die du in diesem Film spielst, ist deine erste Hauptrolle. Wie fühlte sich das an?

Es war ein tolles Gefühl, dass man mir das Vertrauen geschenkt hat, diese Figur zu spielen! Ich war natürlich stolz, gleichzeitig aber aufgeregt, es sind ja sehr anspruchsvolle Szenen dabei. Während der Dreharbeiten war ich dann aber ruhiger und konzentriert, denn ich will ja, dass alle zufrieden sind, mit dem was ich spiele. Ich bekomme dann immer so einen angenehmen Adrenalin-Kick. Es gab mir auch eine große Sicherheit, dass Florian Schwarz jede einzelne Szene vorab mit mir besprach, egal wie klein, oder groß sie war.

Es gibt in diesem Film einige Szenen mit dir, die den Zuschauer bedrücken, anrühren und auch erschrecken. Welche war für dich die größte Herausforderung?

Für mich gab es vor allem eine Szene, die ich emotional als besonders anstrengend und schwierig zu spielen empfand. Es war ein bisschen, als hätte ich meine ganzen Zweifel in diese eine Szene gelegt. Dabei war es weniger die eigentliche Missbrauchsszene in der Hütte, die ich als Herausforderung empfand, sondern die danach, in der ich das Sperma von dem Jungen auf meinem Ärmel entdecke und mich ein unglaublicher Ekel überkommt. Diese Situation war mir einfach total fremd. Da habe ich ins Blaue gespielt. Anschließend war ich sehr erschöpft. Schön war immer, dass sowohl Devid Striesow als auch Louis Hofmann mich bei schwierigen Szenen nach jedem Take in den Arm genommen haben. Überhaupt war die Zusammenarbeit mit beiden toll!

War dir das Thema Cybergrooming bekannt?

Ich wusste überhaupt nicht, was das ist und habe erstmal im Internet recherchiert, als ich die Einladung zum Casting bekam. Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema bin ich gegenüber bestimmten Bereichen von Social Media skeptischer geworden.

Inwiefern?

Naja, zum Beispiel bei Freundschaftsanfragen auf Facebook von Leuten, die ich nicht kenne. Früher habe ich dann oft geschrieben: "Kennen wir uns?". Jetzt ignoriere ich sie einfach oder lösche sie sogar. Ich bin also etwas vorsichtiger geworden, was den Kontakt zu fremden Menschen angeht. Es hat sich etwas geändert, seit ich weiß, dass es Cybergrooming gibt. Man kann sich aus unterschiedlichen Gründen – zum Beispiel aus Neugierde – dazu verführen lassen, mehr von sich preis zu geben und vertrauensseliger zu sein, als einem hinterher lieb ist. Das ist gefährlich. Mir ist aber eines ganz wichtig: Unser Film will auf keinen Fall vor dem Internet Angst machen, er kommt auch nicht mit dem Zeigefinger daher oder will ein Aufklärungsfilm sein. Wir möchten nur das Bewusstsein dafür schaffen, dass man sich im Netz mit Informationen über sich selbst gegenüber Fremden zurückhalten und wachsam sein sollte.

Konntest du dich denn gut in Sara hineinversetzen?

Absolut! Beim Lesen des Drehbuchs und bei meiner Vorbereitung auf die Rolle habe ich zwar häufiger gedacht: "Mensch, Sara, wie naiv, wie dumm bist du denn, mach das nicht!". Aber im Kontext konnte ich jeden Schritt, den sie macht, total nachvollziehen. Sara ist ja noch halb Kind, aber schon halb Frau und möchte ein bisschen so sein wie ihre frühreife Freundin, die bereits viel weiblicher und selbstbewusster ist als sie. Sie ist einfach unsicher und wünscht sich einen Freund, aber vor allem eine Bestätigung für ihr Selbstwertgefühl. Und genau dann kommt dieser Kevin und sagt ihr das, was sie hören will! Der hat exakt den richtigen Moment abgepasst, durchschaut sie und wickelt sie um den Finger. Sara fühlt sich natürlich geschmeichelt, macht das, was er will, und ist glücklich – bis sie in die Falle tappt. Ich hoffe, dass viele Menschen diesen Film sehen, egal welchen Alters!