Gespräch mit Christiane Paul

Sie spielt die Hauptrolle: Elke Seeberg

»Das eigene Kind verschwunden, die berufliche Legitimation verloren, von fast allen verraten – schlimmer kann es ja kaum sein.«

Unterm Radar: Elke Seeberg (Christiane Paul) ist Richterin.
Elke Seeberg, gespielt von Christiane Paul, ist Richterin und alleinerziehende Mutter. | Bild: WDR / Nik Konietzny

Was hat Sie bei der ersten Lektüre des Buches mehr gepackt: die Figur der Elke Seeberg oder die politische Dimension der Geschichte?

Letztlich war natürlich beides für mich hochinteressant. Zum einen das emotionale Erleben dieser Frau, die einer ja fast unglaublich schwer vorstellbaren Situation ausgesetzt ist: ihre Tochter verschwindet spurlos – ein großes, fast archaisches Thema. Und dann zum anderen die politische Dimension des Stoffes und die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist.

Wie haben Sie sich auf den Dreh vorbereitet?

Elmar Fischer und ich haben uns häufig getroffen und über das Buch und das Thema gesprochen. Das war schon eine relativ lange Vorbereitung. Im Hinblick auf die politische Dimension des Films habe ich unter anderem das Buch "Der NSA-Komplex" gelesen, mir die Dokumentation über Snowden "Citizenfour" angeschaut und mich weitestgehend mit dem Thema Überwachung beschäftigt. Und ich habe mich natürlich mit dem Beruf meiner Figur auseinandergesetzt. Was ist das für ein Beruf, den sie ausübt? Wie sieht ein typischer Tagesablauf aus? Und wie ihr Büro? In welchem Umfeld lebt sie? Das wollte ich schon alles wissen.

Und wie haben Sie es erfahren?

Ich habe drei, vier Tage lang bei einer Richterin am Landgericht hospitiert.

An welchen Details könnte der Zuschauer merken, dass Sie sich so intensiv mit dem Beruf der Richterin auseinandergesetzt haben?

Das ist jetzt in diesem Fall nicht so viel. Man sieht von ihrem beruflichen Alltag ja relativ wenig, auch weil einige Szenen dem Schnitt geopfert worden sind. Aber es ging für mich einfach darum zu verstehen, was das für Menschen sind, die sich diesen Beruf aussuchen. Man wählt einen Beruf ja aus bestimmten Gründen, und der Beruf macht auch etwas aus einem. Ich hatte mich mit Jura und dem ganzen Drumherum nie beschäftigt, deshalb war diese Hospitanz für mich sehr wichtig.

Und wie schafft man es, sich in eine derart emotionale Ausnahmesituation zu bewegen, in der sich Elke Seeberg befindet?

Tja, keine Ahnung. Das ist schwierig zu erklären. Man macht es einfach. Klar, natürlich beschäftigt man sich damit, ich habe mir zum Beispiel das Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen angesehen, um moderne Folter zu verstehen, soweit das überhaupt möglich ist. Ich wollte wissen: Was bedeutet das, was geht da eigentlich vor?

Wie aufwühlend war dann der eigentliche Dreh?

Ich habe den Kameramann letztens noch einmal getroffen, und er sagte: Mensch, siehst Du entspannt aus. Und ich sag: Ja klar ... Während der Dreharbeiten war ich natürlich nicht entspannt. Das war schon eine ziemliche Tour de Force und sehr anstrengend, sich die ganze Zeit in diesem emotionalen Gebäude aufzuhalten und sich vorzustellen, was das bedeutet, wenn einem alles entgleitet. Das eigene Kind verschwunden, die berufliche Legitimation verloren, von fast allen verraten – schlimmer kann es ja kaum sein. Im Endeffekt kann man so etwas natürlich nicht vollständig imaginieren. Da kann man noch so oft überlegen, was wäre wenn: Wenn die Katastrophen wirklich geschehen, dann ist mit Sicherheit alles ganz anders.

Man hört, Sie hätten relativ schnell auf die Maske verzichtet.

Ja, ich habe einen Kaffee gekriegt, dann wurde mir einmal durch die Haare gestrichen, und das war’s. Elmar Fischer war das schon ziemlich wichtig, und mir selbst war auch vollkommen klar, dass es in so einem Fall gar nicht anders geht. Du spielst sonst gegen ein Make-up. Ich weiß, wie ich aussehe, wenn es mir schlecht geht. Elke Seeberg geht es schlecht, und ich musste zeigen, dass ihr die ganze Situation an die Substanz geht. Ohne Maske erreicht man dann einfach eine größere Authentizität und für die Zuschauer eine größere Nähe zur Figur.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Elmar Fischer generell?

Als Schauspielerin lässt man sich ja immer wieder auf neue Aufgaben und Konstellationen ein, und Elmar Fischer und ich kannten uns noch nicht. Nun ist es so, dass man gerade bei so einem emotionalen Stoff Hilfe braucht: jemanden, der einem den nötigen Raum schafft und Wege ebnet – und das war Elmar. Durch seine Art, das Team und damit auch mich zu führen, hat er sehr schnell Vertrauen geschaffen. Wir haben dann auch viel geredet, wie machen wir das, was verlangt die nächste Szene?

Heino Ferch war für Sie hingegen kein ganz Unbekannter ...

Ja, Heino und ich kennen uns ganz gut, wir haben zwei große Filme zusammen gemacht, das ist aber schon länger her, und uns dann beim "Adlon" wiedergesehen. Ich habe mich echt total gefreut, nach all der Zeit mal wieder mit ihm zusammen zu arbeiten. Überhaupt war das eine durch und durch super Ergänzung. Als mir Elmar in der Vorbereitungsphase erzählt hat, wer jetzt schon wieder zugesagt hat, habe ich jedes Mal einen Luftsprung gemacht.

Lesen und sehen Sie Nachrichten eigentlich anders, seit Sie sich mit Terror und Terrorabwehr beschäftigt haben?

Es gibt Kollegen, die sich damit sehr viel mehr beschäftigen als ich. NSA, Überwachungsstaat ... Komischerweise kriegen mich diese Themen ganz, ganz schwer, warum das so ist, kann ich wirklich gar nicht so recht erklären. Völlig anders ist es zum Beispiel, wenn es um die Situation der Flüchtlinge geht.