Juristischer Wildwuchs bei Sportwetten

Spielscheine von staatlichen Anbietern vor einen Computermonitor mit Online-Wetten
Spielscheine von staatlichen Anbietern vor einen Computermonitor mit Online-Wetten | Bild: picture alliance / dpa / Federico Gambarini

Wenn am Wochenende die Bundesligisten 1. FC Köln und Hannover 96 gegeneinander antreten, dann geht es nicht nur im Stadion hoch her, sondern auch in den "Wettstuben". Ob in einem lokalen Wettbüro oder virtuell "gezockt" wird, Sportwetten in Deutschland finden in einer rechtlichen Grauzone statt. Das betrifft Spieler und aber auch private Wettanbieter.

So entstand die komplizierte Rechtslage in Deutschland:

Jahrelang hatten die staatlichen Lottogesellschaften in Deutschland das Glücksspielmonopol. Begründet wurde dieses vor allem mit der staatlichen Verantwortung, die Wett- und Glücksspielsucht zu bekämpfen.

EU kippt das Glücksspielmonopol

Im September 2010 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass das staatliche Glücksspielmonopol in Deutschland mit dem EU-Recht unvereinbar sei. Der EuGH bemängelte, dass Deutschland unter anderem durch zu viel Werbung für die Glücksspiele sein selbst gesetztes Ziel der Suchtbekämpfung unterlaufe.

Private Wettanbieter werden erlaubt

Daraufhin einigten sich 2011 die Bundesländer auf einen "Glücksspieländerungsvertrag" (GlüÄndStV), der das Monopol in Teilen bewahren sollte. Nach diesem Vertrag sollte bis 2019 probeweise 20 privaten Wettanbietern erlaubt werden, bundesweit und legal Sportwetten anzunehmen. Fünf Prozent des Spieleinsatzes dort fließen nach wie vor an den Staat – mittels einer Konzessionsabgabe.

EU erneut unzufrieden mit Deutschland

Stellvertretend für die Bundesländer sollte das hessische Innenministerium diese Lizenzen vergeben. Die 20 Konzessionen erwiesen sich jedoch als Eigentor, denn nicht berücksichtigte Wettbewerber reichten Klagen ein. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden stoppte daraufhin die Lizenzvergabe durch das hessische Innenministerium.
Anfang des Jahres urteilte der EuGH in Luxemburg erneut. Die deutsche Glücksspielregulierung verstoße gegen EU-Recht, weil das von zahlreichen Gerichten gekippte staatliche Glücksspielmonopol faktisch fortbestehe.

Verlagerung ins Illegale

Der Versuch, den Sportwettenmarkt behutsam zu öffnen, ist vorerst gescheitert. Die Branche leidet seit Jahren unter der Rechtsunsicherheit bei der Glücksspielregulierung. In dieser Zeit hat sich auf dem Wettmarkt viel getan – illegal.

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EU-Recht und deutsches Recht widersprechen sich. | Bild: pa

Fragen zur aktuellen Rechtslage an den Heidelberger Rechtsanwalt Jörg Hofmann, der auf Glücksspielrecht spezialisiert ist

Frage: Was hat ein Wettanbieter wie beispielsweise Bet3000, tipico, bwin zu fürchten, wenn er mit einer Auslandslizenz ein Wettbüro betreibt?

Jörg Hofmann: Nach jetzigem Recht kann dem Wettbüro die Schließung und eventuell Strafverfolgung drohen. Aber die Wettanbieter können sich dagegen wehren, da das deutsche Recht aktuell gegen höherrangiges Europarecht verstößt.


Frage: Macht sich auch der Spieler strafbar, der beispielsweise in einem Wettbüro sitzt, das offiziell keine Lizenz besitzt?

Jörg Hofmann: Nach § 285 des Strafgesetzbuches ist die Teilnahme an einem unerlaubten Glücksspiel strafbar. Auch hier ist wegen der Europarechtswidrigkeit der aktuellen Sportwettregulierung von einer Anwendbarkeit der deutschen Strafvorschriften vorerst nicht auszugehen.

Frage: Die Branche leidet seit Jahren unter der Rechtsunsicherheit der Glücksspielregulierung. Wie sehen Sie die Zukunft des Wettmarktes?


Jörg Hofmann: Wie seriöse, sichere und marktfähige Sportwettangebote aussehen können, zeigen europäische Staaten. Ein Blick z.B. nach England, Dänemark, Italien und Spanien vermittelt beste Eindrücke, wie Regulierung funktioniert. Wenn die Verantwortlichen den Dialog offen mit Aufsichtsbehörden solcher Länder und - ganz wichtig - auch mit der Industrie führen, wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung getan.