Ein Vater-Tochter-Konflikt mit ungeahnter Dynamik

Drehbuchautorin Hannah Hollinger im Gespräch

An der französischen Atlantikküste trifft Bea (Julia Koschitz) ihren Führungsoffizier Walter H. (Godehard Giese).
An der französischen Atlantikküste trifft Bea ihren Führungsoffizier Walter H.. | Bild: WDR / Stephanie Kulbach

»Es gibt kein Rezept und keine Parameter, die hundertprozentig auf diese Art von Lebenslauf hinführen.«

Frau Hollinger, wie sind Sie auf das Thema Agententätigkeit für die ehemalige DDR gekommen?

Das Thema an sich wurde mir vom WDR nahe gebracht, von Barbara Buhl aus der Fernsehspiel-Redaktion. An der Geschichte, die ich mir nach gründlichen Recherchen ausgedacht habe, hat mich der Vater-Tochter-Konflikt interessiert, der Generationenbruch, d.h. die innere politische Thematik, die der Film transportieren soll.

Gab es einen konkreten Anstoß für Ihr Interesse, vielleicht sogar einen biographischen Impuls?

Nicht, was die Stasi betrifft, aber durchaus, was den Generationen- Konflikt angeht. Die Vatersuche hat mich sehr persönlich berührt, denn mein Vater war selbst Kriegsteilnehmer und danach nicht in der Lage, darüber zu sprechen, egal, auf welcher Seite er stand.

Demnach gibt es Parallelen zwischen Ihrer eigenen Biographie und der Bea Kanters?

Ja. Mein Problem war, dass ich meinen Vater schon mit 14 Jahren verloren habe und praktisch vaterlos aufgewachsen bin. Deshalb habe ich mich schon früh politischen Themen zugewandt, die mich allerdings zunächst – in meiner Jugend – ziemlich überfordert haben.

Und wie verhielt es sich mit den anderen zentralen Polit-Komplexen, die der Film thematisiert: 68, Revolte, APO etc.? Waren das vertraute oder eher abstrakte Begriffe für Sie?

Das hat mich interessiert, aber keineswegs so berührt und geprägt wie die 68er Generation, denn ich bin einige Jahre jünger als diese Rebellen. Dennoch, fremd war mir diese Thematik nicht, denn ich habe ja die Auswirkungen noch mitbekommen, nicht zuletzt durch meinen Bruder, der sieben Jahre älter ist als ich.

Wie geht man als Drehbuch-Autorin Themen an, die einem nicht von der eigenen Biographie aufgezwungen werden?

Als Autorin kann ich diese Frage generell nicht beantworten, sondern nur sagen, wie ich von Fall zu Fall vorgehe. Mein Prinzip ist es, einen inneren Kontakt zum Thema und zu den Figuren, also eine innere Verbindung zu mir selbst herzustellen. Ich blende sozusagen noch mal zurück: Die Suche nach Identität, Wurzeln, Anbindung, nach Kraft und Stärke. Das hat die "Unsichtbaren Jahre" so interessant für mich gemacht.

Wie und wo haben Sie Ihr Basis-Material zum Thema recherchiert? Haben Ihnen vielleicht sogar Betroffene geholfen, die Methoden der Anwerbung etc. zu erfassen?

Nein, ich habe viel über die Thematik gelesen und mir Dokumentationen angesehen.

Gibt es aufschlussreiche Literatur zum Thema, insbesondere über die Westaktivitäten des MfS?

Ja, die gibt es und besonders auch gute Bücher über die 68er Generation, die Zeit damals und deren Aufarbeitung.

Im Film überlagert das Psycho-Drama eindeutig den Politik-Komplex und doch bleiben Bea, ihre Konflikte und ihre Zwiespältigkeit, eher rätselhaft. War das Absicht?

Es war Absicht, ganz sicher, denn ich glaube, es gibt kein Rezept und keine Parameter, die hundertprozentig auf diese Art von Lebenslauf hinführen. Es gibt lediglich Eckpfeiler, die aufzeigen, wo ein Mensch herkommt, was ihn geprägt hat, wie die Dinge für ihn gelaufen sind – niemals eindeutig, manchmal sogar eher vage.

Eine gewisse Undeutlichkeit- oder Nicht-Endgültigkeit gilt als Ihr Markenzeichen. Ist das Zurückhaltung, Empathie mit ihren Figuren oder schlicht Wahrhaftigkeit?

Das kann man durchaus so sehen. Ich denke, eine zurückgenommene (Autoren-)Haltung ist gewiss eher die wahrhaftigere, denn die wenigsten Menschen sind fähig, ihr Selbst klar auszudrücken und eindeutiges Profil zu zeigen.

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