Die Märchen-Schmiede

Peter Süß
Dr. Peter Süß sorgt zusammen mit rund 30 Autoren für Liebesleid und -freud am Fürstenhof. | Bild: ARD/Jo Bischoff

Kassenschlager wie "Harry Potter" und "Der Herr der Ringe" bedienen sich vieler klassischer Märchenmotive und schwimmen damit auf der Erfolgswelle. Und auch die TV-Telenovela "Sturm der Liebe" "stibitzt" ab und zu bei Grimm und Co., kreiert mit dem Diebesgut aber ganz zeitgemäße Geschichten rund um Liebe, Macht, Intrigen und Freundschaft. Wer denkt sich das alles bloß aus? Eins sei schon mal verraten: Die "Sturm der Liebe"-Scheherazade, die das Märchen von der Liebe auf den ersten Blick, magischen Banden und weltlichen Klassenunterschieden erzählt, ist ein Mann.

Es war einmal …

Felix, Rosalie und Emma
Emma, das Aschenputtel: Leider war alles nur ein Traum. | Bild: ARD/Jo Bischoff

Felix kniet vor Rosalie nieder. Aber halt, irgendwas stimmt hier nicht! Der Fürstenhof-Geschäftsführer trägt Koteletten, Rüschenhemd und äußerst enge Hosen. Zudem spricht er in Reimform, während er versucht, der prächtig gekleideten Rosalie einen Schuh über den Fuß zu ziehen. Der silberne Pumps will und will partout nicht passen, sodass die Blondine bereits ein Messer zückt, um sich den Fuß zu kürzen. Doch wer ist die unscheinbare Magd dort hinten? Emma! Ihr passt der Schuh wie angegossen. Emma und Felix blicken sich tief in die Augen, bevor sich ihre Lippen finden. Endlich!
Irritiert wacht Emma auf: Alles nur ein Traum!

Träumen erlaubt

Felix, Rosalie und Emma
"Sturm der Liebe": Ein zeitgemäß erzähltes Märchen rund um Emma, Rosalie und Felix. | Bild: ARD/Ann Paur

Nie zuvor wurden die Parallelen zwischen der uralten Erzählform und der Telenovela offensichtlicher als in dieser Traumsequenz.
Die Story rund um "Aschenputtel" Emma und ihre Stiefschwester Rosalie spielt genau wie das Märchen, dem sie ihre Grundkonstellation entliehen hat, am Fürstenhof – nur dass es sich dabei nicht um ein romantisches Schloss, sondern ein oberbayerisches Fünf-Sterne-Hotel handelt. "Unser Format ist ein zeitgemäß erzähltes Märchen", erklärt Dr. Peter Süß, der zusammen mit rund 30 Autoren für Liebesleid und -freud am Fürstenhof sorgt. Was "Sturm der Liebe" aber von einem Märchen grundlegend unterscheide, sei die Einteilung der Figuren in Gut und Böse. "Unsere Figuren vereinen positive als auch negative Charaktereigenschaften in sich", sagt der Chefautor und fährt fort: "Werner Saalfeld ist zum Beispiel so eine Plus-Minus-Figur. Er ist zwar ein skrupelloser, egozentrischer Dickkopf, gleichzeitig aber auch ein gerechter Chef und sensibler Mann."

"Süße" Storys

Seit über zehn Jahren erfindet der 1964 in Wuppertal geborene Autor Geschichten für tägliche Serien – seit Mai 2005 für "Sturm der Liebe". Süß hat die Telenovela also von Anfang an begleitet. "Die Kunst meiner Arbeit besteht darin, die Spannung über einen langen Zeitraum aufrecht zu erhalten", so der 44-Jährige. Außerdem müssten die Nebenhandlungen geschickt mit den Hauptfiguren verknüpft werden. Und: "Um den Sturm am Brausen zu halten, erfinden wir in rasender Geschwindigkeit Geschichten."

Zweimal im Jahr trifft sich Süß mit seinen wichtigsten Autoren zum so genannten "Future". "Futuren ist gemeinsames Geschichtenerfinden auf Knopfdruck", erklärt der Headautor. Dabei werden die Geschehnisse für ein halbes Jahr grob skizziert, damit die Storyliner, bevor sie Woche für Woche die einzelnen Szenen entwickeln, schon eine Idee der Handlung haben. "Die Arbeit eines Dramaturgen besteht zu 50 Prozent aus Kreativität und zu 50 Prozent aus Handwerk", glaubt Süß. Seine Aufgabe bestehe darin, dem Zuschauer emotional verständlich zu machen, was sich Menschen einander antun und warum. "Dabei spielen wir natürlich mit der Erwartungshaltung der Zuschauer und legen auch schon mal falsche Fährten", fügt er schmunzelnd hinzu. Bei alldem müsse ein Dramaturg natürlich 1.000 Regeln im Kopf haben, vom Budget bis zur Logistik.

Weiter Weg ins Abenteuerland

Acht bis neun Wochen vor Dreh beginnt dann die Arbeit der Storyliner. Die Autoren tüfteln dabei tagtäglich an den Geschehnissen rund um den Fürstenhof. Sie unterteilen die Geschichte in Episoden und Szenen, schreiben auf, wer in welcher Szene auftritt, wo die Szene spielt, zu welcher Tageszeit, mit welchen Requisiten und überlegen sich einen Cliffhänger. "Der Cliffhänger ist die letzte Szene einer Episode. Er ist sehr wichtig, denn er soll den Zuschauer auf die nächste Folge neugierig machen", erklärt der Headautor.

Doch mit den Storylines sei es längst nicht getan, denn ein fertiges Drehbuch brauche ja Dialoge. Die Drehbuchautoren legen anhand der Storylines den Schauspielern Sätze in den Mund. "Der beste Dialog ist aber immer der, der nicht auf dem Papier steht, also der, der nur durch Gestik und Mimik funktioniert", ist sich Süß sicher.
Etwa zwei Wochen vor Dreh liegen die fertigen Drehbücher bereit. Jetzt können die Schauspieler ihren Text lernen. Requisiteure, Szenen- und Maskenbildner sowie Beleuchter bereiten sich darauf vor, die Atmosphäre der Szene visuell zu gestalten. Dann heißt es endlich: "Kamera ab – Kamera läuft – und bitte!" Letztlich vergehen nochmals etwa acht Wochen, bis die entsprechenden Szenen über den Bildschirm flimmern.

Romantische Ränkeschmiede

Längst weiß Peter Süß natürlich, ob Zimmermädchen Emma ihren Traumprinzen Felix nach einem langen, steinigen und tränenreichen Weg endlich in die Arme schließen wird – verrät aber nichts. Dafür verspricht der "Sturm der Liebe"-Chefautor für die kommenden Wochen und Monate viele spannende und neue Geschichten und den ein oder anderen neuen Darsteller. Auf seinem Schreibtisch liegen schon die fertigen Drehbücher, die einen ganzen Reigen neuer Intrigen, Eifersüchteleien, freudiger Ereignisse und großer Gefühle spannen – damit am stürmischen Fürstenhof weiterhin keine Flaute aufkommt.

Annette Wild

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