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USA: Totalüberwachung am Arbeitsplatz

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USA: Totalüberwachung am Arbeitsplatz | Bild: BR
Monitore und Bildschirme
Die Zentrale von IPVideo | Bild: BR

Das ist das Herz der Firma IPVideo - die Schaltzentrale. IP Video verkauft Überwachungstechnik. Hier wird demonstriert, was die Anlage alles kann.

Alles, was wir jetzt tun, wird mitgeschnitten. Und James Ryder, der Chefingenieur, ein ehemaliger Polizeioffizier, zeigt uns, was diese kleinen unauffälligen Helfer an der Decke so alles können.

Alles im Blick: Alles, was in diesem Büroraum passiert, fängt eine einzige Kamera ein: Diese Kamera schafft 180 Grad. Ranzoomen, Details zeigen - technisch kein Problem.

Der Markt für seine Firma ist riesig: 90 Prozent aller Arbeitgeber in den USA nutzen Überwachungstechnik.

»Es ist nun Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie und wozu er diese Technik nutzen will. Wir finden, unsere Technik bringt allen mehr Sicherheit. James Ryder, IPVideo«

In Deutschland hat das Ausspähen von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz immer wieder für Skandale gesorgt: Was bei Lidl und Rewe passierte, ist in Deutschland illegal.

Und wie ist das in den USA?

Diese Schlacht wurde schon vor Jahren vor Gericht ausgefochten und sie wurde verloren. Der Arbeitsrechtler Lewis Maltby hat damals die Kläger beraten. Er zeigt uns altes Beweismaterial: Hotelangestellte, versteckt gefilmt in den Umkleidekabinen. Laut Management eine Sicherung gegen Diebstahl, laut  Gerichtsurteilen ist das jederzeit und rund um die Uhr zulässig. Besonders krass ist der Fall einer Universitätsangestellten:

»Abends nach Dienstschluss zog sie sich im Büro um, um direkt ins Fitnessstudio zu gehen. Vorher hatte sie sorgfältig die Tür abgeschlossen, damit sie keiner beobachten konnte. Und sie wurde dabei versteckt gefilmt - immer wieder. Sie zog vor Gericht und verlor. Lew Maltby, National Workrights Institute«

Der einzige Platz, wo der Arbeitgeber hier in den USA nicht filmen darf, ist die Toilette. Er darf übrigens nicht nur filmen, er kann auch den Ton mitschneiden. Das bestätigt uns James Ryder. Vorausgesetzt nur einer hier im Raum - etwa der Chef - hat zugestimmt, dann darf abgehört werden. In den Kameras sind längst hochsensible Mikros eingebaut.

Der Service der Sicherheitsfirmen geht noch viel weiter. Hier in diesen Computertürmen bewahrt IP Video alle Daten auf - Bild und Ton - , wenn vom Kunden gewollt, auch jahrelang. Gesetzliche Einschränkungen gibt es nicht.

»Wir empfehlen unseren Kunden, ihre Arbeiter und Angestellten aufzuklären, ihnen zu sagen, dass sie rund um die Uhr gefilmt und abgehört werden. James Ryder«

Eine unkenntlich gemachte Frau
Eine unkenntlich gemachte Frau | Bild: BR

Die Frau, die wir hier verdeckt drehen, weiß, dass sie überwacht wird: Ihr Internet, ihre Mails, ihr Handy. Dem musste sie schon bei der Einstellung zustimmen. Sie arbeitet für eine Vermögensgesellschaft an der Wallstreet, bewegt tagtäglich Millionen. Wenn wir sie zeigen, verliert sie sofort ihren Job:

»Natürlich fühlst du dich total ausgeliefert. Ich führe hier nie private Gespräche oder rede offen mit Kollegen. Sie hören und lesen ja alles mit. Sie machen regelmäßig Screenshots von meinem Computer - Überwachung total. Du weißt es und du kannst nichts dagegen machen.«

Antreten zum Drogentest beim Betriebsarzt - in den USA ist das jederzeit möglich und gesetzlich erlaubt. Die Einwilligung, dass man überraschend eine Haarprobe abgeben muss - Standard in Einstellungsverträgen; in Deutschland undenkbar:

»Warum die Arbeitnehmer sich nicht wehren? Sie fürchten um ihren Arbeitsplatz, sorgen sich, wie sie morgen ihre Rechnungen bezahlen sollen. Sie sind so unter Druck, dass sie gar nicht daran denken, sich zu wehren. Lew Maltby«

Emmet Pinkston
Emmet Pinkston | Bild: BR

Emmet Pinkston sucht seit langen einen Job, der seine Qualifikationen entspricht. Doch immer wieder scheitert er und bekommt seine Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt. Emmet ist hochdekorierter Soldat, ausgebildeter Mechaniker und Pilot. Für seine Einsätze im Irak bekam er Tapferkeitsorden. Doch das alles nützt ihm heute nichts, weil einmal ein Scheck von ihm geplatzt ist:

»Für zehn Dollar kann der Arbeitgeber bei privaten Auskunfteien deine Kreditwürdigkeit überprüfen lassen. Zehn Dollar und du bist draußen aus dem Bewerbungsverfahren. Und so ist es mir passiert. Emmet Pinkston«

Für Leute wie Emmet ist es ein Teufelskreis: Wenn du arbeitslos bist, kannst du deine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Weil du Deine Rechnungen nicht mehr bezahlen kannst, bekommst du keinen Job.

Private Firmen sammeln so viele Daten, wie sie bekommen können und verkaufen sie frei Haus: Zehn Dollar für die Kreditauskunft, 60 Dollar für eine Telefonüberwachung.

Die Kosten für die Überwachung spielen heute keine Rolle mehr. Früher war das mal ein Thema, heute nicht mehr. Lew Maltby

Frau vor Bildschirmen
Eine Frau vor Bildschirmen | Bild: BR

Totale Kontrolle für totale Produktivität: Niemand kann mehr während der Arbeitszeit den nächsten Urlaub planen oder bei Ebay einkaufen, wenn bei ihm die Software von Transparent Business installiert ist.

»Alle drei Minuten wird ein Screenshot gezogen. Alle Computerdaten, jeder Anschlag, jede Regung im Netz werden für Produktivitätsmanager aufbereitet. Die Arbeitsproduktivität jedes einzelnen ist jederzeit messbar: Unsere Käufer nutzen diese Software auch dazu, um die unproduktivsten Mitarbeiter herauszufiltern und die werden dann ganz besonders genau untersucht. Alexander Konanykhin, Transparent Business«

Die Zukunft der Arbeit: Hier in den USA hat sie schon begonnen.

Autor: Markus Schmidt, ARD New York

Stand: 29.05.2013 16:06 Uhr

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