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Naher Osten: Ghetto mit Meerblick

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Naher Osten: Ghetto mit Meerblick | Bild: Das Erste

Nach dem Gaza Krieg

Gaza. Nach dem Krieg. Auch dieses Haus wurde von israelischen Bomben getroffen, es gehört Arif El Jamal und seiner Familie. Nun wird wieder aufgeräumt, die Schäden beseitigt, doch der Schock, der sitzt noch tief.

Arif El Jamal

»Ich wachte von dem Einschlag auf, sah die panischen Gesichter meiner Frau, meiner Töchter. Wir versuchten zu fliehen, weil wir noch mehr Bomben erwarteten, mussten aber meinem Sohn Erste Hilfe leisten, eine Tür war auf ihn gefallen, das Bein war verletzt.«

Es wird nicht viel geredet, jeder packt an, man weiß, was zu tun ist.

Arif geht inzwischen zum Gebet. Die Folgen des Krieges sind überall zu sehen.

Die Menschen sind in die Moschee geströmt. Sie danken Gott für das Ende des Waffengangs. Der Imam preist den vermeintlichen Sieg der Hamas, da der palästinensische Widerstand nicht vor den Israelischen Bomben eingeknickt ist.

Nach dem Gebet fragen wir Arif, ob er das auch so sieht

O-Ton Arif El Jamal,

»Ja, wir sind erleichtert. Selbst wenn mein Haus zerstört ist, unser Widerstand hat uns beschützt und so fühlen wir uns nicht mehr nur als ein unterdrücktes Volk. Das ist unser Sieg.«

Ein Sieg also für Gaza? Wirklich?

Im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert Israel unter anderem den Gazastreifen. Bald entdecken Israelis die Schönheit der Strände von Gaza und beginnen, ihre Freizeit dort zu verbringen. Für die Menschen dort ein lohnendes Geschäft, Fischrestaurants in Gaza sind am Shabbat proppenvoll, gleichzeitig finden Tausende Palästinenser Arbeit in Israel.

Doch Israel beginnt Siedlungen im Gaza-Streifen zu bauen. Bald leben rund 7000 jüdische Siedler dort, beschützt von der Armee. Terroranschläge gegen die Siedler gehören aber bald zum Alltag, die Reaktion der Armee ebenso.

1987 beginnt die erste Intifada, der Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzung. Zeitgleich gründet Sheikh Yassin in Gaza die islamistische Hamas, einen Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft.

Doch dann keimt Hoffnung auf. 1993 unterschreiben Israelis und die Palästinenser das sogenannte Osloer Friedensabkommen in Washington.

Doch Hamas versucht mit Selbstmordanschlägen innerhalb Israels den Friedensprozess zu torpedieren. Es beginnt ein Teufelskreis aus Terroranschlägen und Gegenschlägen der Israelis, die schließlich mit gezielten Tötungen die Führer der Hamas und andere Extremisten auszuschalten versuchen.

Im August 2005 entscheidet Israel, komplett aus dem Gaza-Streifen abzuziehen. Die Siedler leisten Widerstand. Vergeblich.

Doch Hamas und Jihadisten feuern weiter Tausende Raketen auf israelische Städte ab. Als 2006 der Soldat Gilad Shalit entführt wird, entscheidet sich Israel zu einer Militäroperation in Gaza, bei der 250 Palästinenser sterben.

Januar 2006: Bei freien Wahlen gewinnt die Hamas im gesamten Palästinensergebiet zum ersten Mal die Mehrheit, muss allerdings mit der rivalisierenden Fatah eine Koalition eingehen. Nur ein Jahr später übernimmt Hamas in einem blutigen Putsch gegen die Fatah die Alleinherrschaft in Gaza.

Die Fronten verhärten sich. Israel riegelt Gaza weitgehend ab. Die Islamisten feuern immer mehr Raketen ab, an manchen Tagen bis zu 200. Im Dezember 2008 kommt es zum Krieg. Israels Armee marschiert in Gaza ein. Nach drei Wochen sind mehr als 1000 Palästinenser und 13 Israelis getötet. Und nun, vier Jahre später, der nächste Krieg, der soeben zu Ende gegangen ist.

Richard C. Schneider im Gespräch mit Avi Primor, ehemaliger Botschafter Israels in Deutschland

»Das klingt nach wunderbarer Zukunftsmusik. Im Augenblick aber gibt es in Gaza viele Probleme. So etwa Nässe und Kälte in den zerbombten Häusern, wie das von Arif Al Jamal. Strom gibt es keinen, das Licht hier ist von unserer Kameralampe. Die Nacht wird also bitterkalt. Auch Arif hat so seine Vorstellung von der Zukunft Gazas.«

Arif El Jamal

»Der nächste Krieg wird kommen. Und er wird noch brutaler, weil unser Widerstand stärker geworden ist. Aber die Israelis werden ihre Ehre nach der jetzigen Niederlage wiederherstellen wollen.«

Wir lassen Arif und seine Familie nun schlafen. Zumindest heute Nacht werden keine Bomben fallen.

Autor: Richard C. Schneider

Stand: 22.04.2014 14:51 Uhr

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