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Kein Spiel – Kinderarbeit in Deutschland nach 1945

Kein Spiel - Kinderarbeit in Deutschland nach 1945
Erst 1960 wurde Kinderarbeit im Westen Deutschlands offiziell verboten, die DDR dagegen sprach bereits mit ihrer Verfassung 1949 ein Verbot aus. | Bild: Deutschen Spielzeugmuseum Sonneberg

Puppen – für die einen Kinder ein hübsches Spielzeug, für Erika Roth vor allem Arbeit. Schon mit sechs Jahren musste sie nach der Schule der Mutter beim Nähen von Puppenkleidern helfen. Heimarbeit von Kindern war bis in die späten 1970er-Jahre im fränkischen Mönchröden Normalität. Jeden Mittag gingen im Dorf die Fenster auf, die Mütter riefen ihre Kinder heim, zur Arbeit. Als ihre kleine Schwester geboren wurde, musste sich Erika zusätzlich um diese kümmern. "Ich hätte lieber gespielt", sagt sie.

Von täglicher Kinderarbeit kann auch August Meisinger aus dem Schwarzwald erzählen. Als neunjähriger Bub wurde er 1954 von der Mutter weggeschickt, von Neuenburg am Rhein auf einen Bauernhof im Münstertal. Dort musste der schmächtige Junge täglich 30 Kühe auf weit abgelegenen Weiden hüten. Ganz auf sich gestellt, war er dabei vielen Gefahren ausgesetzt, immer in der Angst, nicht alle Kühe wieder gesund zurück zum Hof zu bringen. Die Tiere waren seine einzigen Freunde in dieser Zeit voller Heimweh und harter Arbeit.

Erst 1960 wurde Kinderarbeit im Westen Deutschlands offiziell verboten, die DDR dagegen sprach bereits mit ihrer Verfassung 1949 ein Verbot aus. Und doch kam es auch dort zu Kinderarbeit, zum Beispiel in den Kinderheimen. Alexander Müller aus Plauen in Sachsen musste schon als 13-Jähriger in einem sogenannten "Durchgangsheim" in Karl-Marx-Stadt arbeiten, mit 14 Jahren wurde er "zwangsausgeschult" und musste im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau als Maschinenarbeiter jeden Tag die Norm erfüllen. "Wir haben sogar für den 'Klassenfeind' produziert, für den Westen", meint Alexander Müller. Erst mit der Wiedervereinigung fand die Kinderarbeit in den Heimen der DDR ein Ende.

Dabei sei Kinderarbeit nicht nur negativ zu bewerten, meint der Soziologe Jürgen Bönig. Wenn Kinder frei entscheiden dürften, wann und wie viel sie arbeiten möchten, könne das ihr Selbstwertgefühl stärken.

"Kein Spiel" zeigt eindrücklich ein bislang noch unbekanntes Kapitel der deutschen Geschichte, das bis heute in vielen Familien nachwirkt.

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