Faktencheck zur Sendung vom 04.05.2025

Faktencheck zur Sendung vom 04.05.2025
Faktencheck zur Sendung vom 04.05.2025  | Bild: NDR/ Thomas Ernst

Bei „Caren Miosga“ finden lebhafte Diskussionen statt, in denen die Gäste oft in schneller Abfolge verschiedenste Argumente, Statistiken und Zitate heranziehen. Es bleibt in einer Live-Talkshow nicht immer die Zeit und Möglichkeit, alle Wortbeiträge und Sachverhalte umfassend und abschließend zu klären. Die Redaktion bietet daher an dieser Stelle einen Faktencheck. Dieser dient nicht allein der Prüfung der Aussagen, sondern soll auch Hintergrundinformationen, aktuelle Entwicklungen und zusätzliche Perspektiven vermitteln.

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Rüstungsexporte

Der Militäranalyst Franz-Stefan Gady sagte in der Sendung (in Minute 5:15): 

„Es gab heute auch die Nachricht, dass es ein neues Patriot-Abwehrsystem gibt. Die Luftverteidigung sehe ich als die kritischste Komponente gerade auf strategischer Ebene, was die militärische Lage in der Ukraine betrifft. Hier braucht die Ukraine vor allem Unterstützung von den USA, hier können wir in Europa auch nur teilweise die Lücken füllen.“

Liefern die USA ein weiteres Patriot-System? 

Die Ukraine soll einem Bericht der New York Times (4.5.25) zufolge schon bald weitere Hilfe aus den USA erhalten. Ein Patriot-Flugabwehrsystem, das in Israel stationiert war, soll demnach nach seiner Überholung in die Ukraine geschickt werden. Die Zeitung beruft sich auf vier derzeitige und ehemalige US-Beamte. James Hewitt, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus sagte der Zeitung, dass keine Einzelheiten über die Stärke und Platzierung von Verteidigungssystemen bekannt gegeben würden, Präsident Trump habe sich aber klar ausgedrückt, er wolle, dass der Krieg in der Ukraine ende und das Töten aufhöre. In dem Bericht wird außerdem ein ehemaliger Beamter des Weißen Hauses zitiert. Seinen Angaben zufolge wurde das Abkommen mit Israel bereits von der Biden-Administration im September, also vor der von Trump gewonnenen Wahl, abgeschlossen. Das US-Verteidigungsministerium teilte der New York Times zufolge mit, dass es der Ukraine weiterhin Ausrüstungsgegenstände aus zuvor genehmigten Paketen zur Verfügung stelle. Der Militärexperte Carlo Masala erklärte unserer Redaktion auf Nachfrage, dass es schon länger Gerüchte gegeben habe, wonach die Biden-Administration versucht habe, Israel davon zu überzeugen, Waffen an die Ukraine zu schicken. Voraussetzung sei jetzt, dass die Trump-Administration grünes Licht dafür gebe. Bislang habe sie das aber zu allen Vereinbarungen, die Biden getroffen habe, getan. Er gehe nicht davon aus, dass Trump die Versendung des Patriot-Systems verhindern werde.  

Experten gehen davon aus, dass die Ukraine bisher fünf Patriot-Systeme erhalten hat. Drei davon aus Deutschland (tagesschau.de, 11.4.25). Patriot zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Das Institut für Strategische Studien bezeichnet es als „Arbeitstier“ der US-Luftverteidigung. Es dient zur Abwehr von Flugzeugen, Marschflugkörpern und Raketen. Erstmals eingesetzt wurde es 1991 während des Zweites Golfkriegs (Operation „Desert Storm“). Dabei sollte es US-Truppen und Verbündete vor irakischen Scud-Raketen schützen. Der Name ist eine Abkürzung und steht für „Phased Array Tracking Radar for Intecept on Target.“ Seit seiner Einführung in den frühen 1980er Jahren wurde es immer wieder modernisiert (Quelle: tagesschau.de, 21.12.2022). 

Fazit: Wie von Franz-Stefan Gady in der Sendung richtig erwähnt, wollen die USA ein weiteres Patriot-System für die Ukraine bereitstellen. Diese Lieferung war allerdings schon von der Biden-Administration genehmigt worden, sie wurde aber erst jetzt öffentlich gemacht.

Weitere Hintergrund-Informationen zum Thema auf tagesschau.de

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Trumps Umfragewerte in der Ukraine

Rebecca Barth sagte in der Sendung (Minute 28:00 - 28:21):

„Viele Menschen in der Ukraine hatten tatsächlich sehr große Hoffnungen auf Donald Trump.  Die einen hatten Hoffnungen, weil er ist irgendwie nicht berechenbar und er greift härter durch und andere Leute, mit denen ich gesprochen habe, haben genau das gesagt: (…) „Irgendwas wird sich schon dann tun. Ein bisschen Bewegung kommt rein.“ Jetzt hat sich aber auch nur irgendwas getan. Für die Menschen in der Ukraine hat sich gar nichts verändert!“

Umfragen in der Ukraine: Kaum ein Ukrainer vertraut noch Donald Trump

Eine aktuelle Umfrage des in Kiev ansässigen ukrainischen Think-Tanks „New Europe Center“ bestätigt den von Rebecca Barth angesprochenen Vertrauensvorschuss der Ukrainerinnen und Ukrainer in US-Präsident Trump unmittelbar nach dessen Wiederwahl im November vergangen Jahres.   

Die Umfrage erfolgte telefonisch unter 1.000 Personen ab 16 Jahren. Bewohnerinnen und Bewohner der besetzten ukrainischen Gebiete wurden nicht befragt:  

Im Befragungszeitraum 15.-27. November 2024 hatten noch 44,6% der Befragten viel bis komplettes Vertrauen in Trump, 47,2% hatten hingegen kaum oder kein Vertrauen in Trump. Vertrauen und Misstrauen hielten sich kurz nach der Wahl Trumps zum 45. Präsidenten also noch die Waage. Das Vertrauen der Ukrainer in Trump war damit höher als zur gleichen Zeit in vielen westeuropäischen Hauptstädten. 

Im April 2025 (Befragung 10.-24.4.) ergab die gleiche Umfrage ein deutlich verändertes Bild: Nur noch 7,4% der Befragten setzen viel bis vollständig Vertrauen in Trump, während 89% antworteten, sie hätten wenig bis kein Vertrauen in den US-Präsidenten.  

Fazit: Auf die Frage „Wie sehr vertrauen Sie US-Präsident Trump?“ antworteten im November 2024 44,6% der Teilnehmer einer Umfrage in der Ukraine, sie hätten viel bis komplettes Vertrauen in Trump. Im April 2025 ergab die gleiche Umfrage nur noch einen Zustimmungswert von 7,4%.

Siehe auch: https://neweurope.org.ua/en/analytics/100-dniv-trampa-i-90-ukrayintsiv/  

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Europäische Friedenstruppen in der Ukraine

Sigmar Gabriel sagte in der Sendung (bei Minute 42:15):

„Um eine wirkliche Abschreckung zu haben, gehen die Franzosen von Zahlen aus, die wir im Leben nicht auf die Beine kriegen. Am Anfang haben die von 200.000 Soldaten gesprochen.“

Im Falle einer Stationierung von Friedenstruppen in der Ukraine werden dafür nach Einschätzung von Präsident Wolodymyr Selenskyj mindestens 200.000 Soldaten benötigt. Eine geringere Zahl mache keinen Sinn, so Selenskyj in einer Rede beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos am 21. Januar 2025. In der Diskussion über die Zeit nach einem Waffenstillstand im Krieg Russlands gegen die Ukraine hatte der französische Präsident Emmanuel Macron europäische Friedenstruppen ins Spiel gebracht. Er hatte allerdings von etwa 100.000 Kräften gesprochen, wobei der Fokus auf der Absicherung eines künftigen Waffenstillstands und dauerhaften Friedens und nicht auf einer vollständigen Frontsicherung liegen sollte, erklärte uns der Militärexperte Carlo Masala auf Nachfrage.

Der Militäranalyst Franz-Stefan Gady hatte in unserer Sendung von insgesamt 36.000 bis 50.000 Soldaten gesprochen, die Europa in die Ukraine schicken könnte, um einen Frieden zu gewährleisten. Er wies darauf hin, dass für Russland etwa 600.000 Soldaten in der Ukraine im Einsatz sind. Nach einer Analyse der Sicherheitsexperten Claudia Major und Aldo Kleemann von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bräuchte es unter Berücksichtigung der ukrainischen Streitkräfte eine zusätzlich notwendige westliche Kontingentstärke von etwa 150.000 Soldaten. „Da diese Kräfte in ständiger Einsatzbereitschaft wären, käme die Notwendigkeit der Rotation dazu“, heißt es in dem Papier (swp-berlin.org, Januar 2025).

Die Wissenschaftler halten ein derartig großes Kontingent allerdings für illusorisch. Es würden entsprechende Verbände und der politische Wille fehlen. Fast alle europäischen Staaten würden einen solchen Einsatz ohne US-Beteiligung als zu risikoreich ablehnen. Eine britisch-französische Führungsrolle (wie von Frankreich vorgeschlagen) reiche den meisten Europäern nicht aus, schlussfolgern Major und Kleemann in ihrer Analyse (swp-berlin.org).

Der Militärexperte Carlo Masala weist daraufhin, dass es darauf ankomme, was die Soldaten in der Ukraine konkret machen sollten. Wenn es darum gehe, die gesamte Frontlinie abzusichern, bräuchte man tatsächlich zwischen 100.000 und 200.000 Soldaten. So ein Einsatz stehe allerdings gar nicht zur Debatte.  

Fazit: Anders als von Sigmar Gabriel in der Sendung angegeben, stammt die Zahl „200.000“ nicht von den Franzosen, sondern vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte europäische Friedenstruppen mit bis zu 100.000 Kräften ins Gespräch gebracht.

Weitere Informationen zum Thema: tagesschau.de

Stand: 05.05.2025