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Zum 70. Geburtstag: Ausstellungen von Cornelia Schleime in Dresden

PlayEine Frau vor einem buten Hintergrund.
Zum 70. Geburtstag: Sonderausstellungen von Cornelia Schleime in Dresden | Video verfügbar bis 18.06.2024 | Bild: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Cornelia Schleime steht in ihrem Atelier bei Neuruppin und sortiert die wenigen verbliebenen Fotos ihrer künstlerischen Anfänge Ende der Siebziger in Dresden. Eines der Bilder zeigt den Bassisten ihrer damaligen Punkband auf den Elbwiesen, von Kopf bis Fuß eingewickelt in Alufolie und neben ihm: ein Schaf. Ein Sendbote überbordender Phantasie? Ein Gruß des Unbewussten? "Ich fand das irgendwie interessant. Ja, man dachte, das ist so ein Mann aus dem All." Cornelia Schleimes Kunst entsteht aus dem Prozess heraus. Seit jeher bedient sie sich unterschiedlichster Genres. Sie fotografiert, malt, filmt mit Super 8, macht Performancekunst.

Ihre unglaubliche Schaffenskraft macht sie zu einer der bekanntesten deutschen Künstlerinnen ihrer Generation. In Dresden wird sie dieser Tage gleich in zwei Ausstellungen gewürdigt.

"Alles war wie eine Last, die auf den Brustkorb drückte"

Schon früh hat sie den Wunsch, Künstlerin zu werden. Die gebürtige Berlinerin zieht mit achtzehn Jahren nach Dresden. Drei Jahre später beginnt sie hier Malerei zu studieren: "Dresden ist total idyllisch. Mein Empfinden war, dass alles, was dort passiert, in Zeitlupe stattfindet. Es gab kein Westfernsehen. Alles orientierte sich an der Vergangenheit. Alles wurde mythologisiert. Und das war, wenn man so ein junger Mensch ist wie ich damals, wie eine Last, die auf den Brustkorb drückte." Die junge Künstlerin möchte der grauen Wirklichkeit Poesie entgegensetzen, doch schon während des Studiums bekommt sie erste Repressalien zu spüren.

DDR erteilt Ausstellungsverbot für Schleimes "Müllkunst"

Als man ihr, nach Linie des dogmatischen Realismus, beibringen wollte, wie sie zu malen habe, schmiss sie "fuchsteufelswild" ihre Staffelei um, weil sie "die Dinge lieber in die Fläche kippen" wollte, so wie Matisse. Der Verweis folgte prompt. Der Verband Bildender Künstler der DDR bezeichnet ihre Kunst als "Müllkunst". 1982 erhält sie de facto ein Ausstellungsverbot. Aus Protest dreht Cornelia Schleime einen Super 8-Film, in dem sie ihre Gemälde symbolisch beerdigt.

"Eine Parabel für mein Lebensgefühl in der DDR"

Cornelia Schleime "Bondage": Schwarz-Weiß-Foto der Künstlerin in Fesseln
Cornelia Schleime "Bondage" | Bild: Städtische Galerie Dresden

In dieser Zeit beginnt sie ebenfalls performativ mit ihrem Körper zu arbeiten: "Ich habe immer versucht, eine Parabel zu finden für mein Lebensgefühl, was ich in der DDR hatte, dass ich mich einfach total geknebelt gefühlt habe, ein Gefühl des Eingeschlossenseins, das mich schon in meiner Kindheit verfolgte.“ Schleime schildert, wie sie in eine dunkle Kammer gesperrt wurde, wann immer sie "frech" wurde. Und wie glücklich sie war, als ihre Eltern mit ihr in eine neue Wohnung zogen, in der es keine Kammer gab: "Ich hatte endlich ein eigenes Kinderzimmer, aber ich bin nur in der neuen Wohnung rumgerannt und habe geguckt: Ist hier auch eine Kammer? Der Kinderzimmer hat mich gar nicht interessiert. Es gab im Bad so etwas mit einem Vorhang und da dachte ich: 'Oh, da können sie aber nicht zuschließen.' Irgendwann hatte ich dann die Idee mit den Stricken zu arbeiten."

Schauen in Dresden zeigen wichtigste Stationen ihres Schaffens

1993 entsteht die Serie "Bis auf weitere gute Zusammenarbeit, in der die Künstlerin ihre Bespitzelungsakten der Stasi ironisch verspottet: „Auf einmal kriecht mir diese DDR hinterher. Dann habe ich aber aus diesen Berichten eine Persiflage gemacht." In einem wird beispielsweise berichtet: "Sie besitzt kein KFZ und auch kein Grundstück." Mit diesem Satz untertitelt Schleime ein Foto, auf dem sie vor einem großen "Ami-Schlitten" posiert. In einem anderen Bericht heißt es: "Die Schleime soll in ihrem Beruf auch gut verdienen. Die Ermittelte ist gut gekleidet, sie trägt auch Westkleidung. Einen Freund hat man im Haus noch nicht gesehen." Darüber zu sehen: Cornelia Schleime, wie sie telefonierend auf dem Bett liegt und aufreizend viel Bein aus ihrem schwarzen Kleid blitzen lässt.

Cornelia Schleimes performative Fotoarbeiten und widerständige Underground-Kunst wird dieser Tage im Albertinum in Dresden gezeigt.

Anfang der 80er Jahre macht Cornelia Schleime immer wieder experimentelle Super 8-Filme. 1984 reist sie aus und im Westen beginnt sie wieder zu malen. Die Städtische Galerie Dresden beschäftigen sich mit den Arbeiten der Künstlerin aus ihrer frühesten Schaffensphase bis heute.

Zu allen Zeiten unangepasst, zu allen Zeiten faszinierend

Wiederkehrende Themen in Schleimes Malereien sind Menschen, die mit der Natur und Tierwelt verschmelzen. Und das Flechten von Haaren in unterschiedlichsten Formen. Zöpfe seien für Schleime ein Stilelement, sie könnten Antennen sein und stünden für die Bändigung von etwas Wildem: "Ich denke nicht stundenlang über so etwas nach, ich mach es einfach. Diese Zöpfe haben ja etwas mit mir zu tun. Abgesehen davon, dass meine Mutter nicht flechten konnte, stehen sie für etwas, das gebändigt werden muss. Daher rührt auch meine Affinität zu Tieren. Die lassen sich auch nicht wirklich bändigen. Man wird geboren und sofort in etwas gepresst. Und das ist etwas, was meinem Willen komplett widerstrebt: in irgendwas reingepresst zu werden."

Ihre 2019 auf der Vulkaninsel La Palma aufgenommenen Selbstinszenierungen zeigen die Künstlerin in fantastischen Kostümen. Cornelia Schleime überrascht immer wieder. Ihre Schaffenskraft scheint schier unerschöpflich. Jetzt feiert die Künstlerin ihren siebzigsten Geburtstag.

Autorin: Pamela Meyer-Arndt

Sonderschauen zu Cornelia Schleime in Dresden:
"Ich halte doch nicht die Luft an"
Bis 13. August im Albertinum Dresden

"ich lass mich nicht spannen, ich lass mich nicht flechten"
Bis 13. August in der Städtischen Galerie Dresden

Stand: 19.06.2023 09:36 Uhr

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Mitteldeutscher Rundfunk
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