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Ein Film mit Brisanz – "Tel Aviv – Beirut" von der israelischen Regisseurin Michale Boganim

Play"Tel Aviv – Beirut“ von Michale Boganim

Seit dem ersten Krieg 1982 gibt es keinen Frieden zwischen Israel und Libanon. Der scheinbare ausweglose Konflikt im Nahen Osten liefert den Hintergrund für die Geschichte von Myriam und Tanya: Zwei Frauen, die eine Israelin, die andere Libanesin entdecken, dass sie mehr gemeinsam haben als die Männer, die auf beiden Seiten der Grenze an der Macht sind, sie glauben lassen. Mit "Tel Aviv – Beirut" hat die israelische Regisseurin Michale Boganim einen bewegenden Film gedreht: über die Sinnlosigkeit des Kriegs und die Hoffnung, die in der Kraft der Frauen liegt. "ttt" hat die Regisseurin und eine der Hauptdarstellerinnen getroffen.

"Tel Aviv – Beirut" – die Geschichte zweier Frauen und ihrer Familien

Regisseurin Michale Boganim
Regisseurin Michale Boganim | Bild: Das Erste

Ein Film über einen Krieg, der nicht enden will: Israel gegen die libanesische Hizbollah: ein scheinbar ewiger Teufelskreis von Gewalt und Brutalität. Was Menschen in all dem Schrecken verbindet: Danach sucht, gar nicht naiv, die französisch-israelische Regisseurin Michale Boganim. "Tel Aviv – Beirut" ist die Geschichte zweier Frauen und ihrer Familien – einer israelischen, einer libanesischen – und der Grenze zwischen ihnen. "Mein Vater und mein Bruder, also auch die jüngere Generation hat im Libanon-Krieg gekämpft. Und jetzt muss ich sehen, wie auch mein 18jähriger Neffe zur Armee geht. Mir geht es darum zu zeigen, wie die das Ereignis, die Geschichte des Kriegs das individuelle Leben der Menschen bestimmt – in ganz intimer Weise", erzählt Regisseurin Michale Boganim.

Eine weibliche Perspektive auf den Krieg

Filmszene "Tel Aviv – Beirut", Regie Michale Boganim
Filmszene "Tel Aviv – Beirut", Regie Michale Boganim

Da ist Tanya, anfangs noch Kind. Ihre Eltern: libanesische Christen. Bei der ersten Besetzung 1982 hilft ihr Vater den israelischen Truppen. Ihre Mutter kommt ums Leben. Tanya überlebt, gerettet von einem israelischen Soldaten. In Tel Aviv wird er kurz darauf selbst Vater. Doch Myriam, eine in Israel lebende Französin spürt: Sie hat ihren Mann an den Krieg verloren. Sie wird ihren Sohn allein großziehen. "Ich wollte eine andere als die übliche männliche Perspektive auf den Krieg. Mir geht es um den Blick dieser beiden Frauen – die nicht an der Front kämpfen, aber auf sehr andere Weise leiden müssen", so Michale Boganim.

Der Film ergreift Partei für die Menschen

Regisseurin Michale Boganim und Schauspielerin Zalfa Seurat
Regisseurin Michale Boganim und Schauspielerin Zalfa Seurat | Bild: Das Erste

Der Film hält sich an Fakten und nimmt Partei – für die Menschen. 2000 zieht sich Israel aus dem Südlibanon zurück. Die Hizbollah feiert ihren Sieg. Tanya, inzwischen eine junge Frau und ihr Vater versuchen, dem Chaos zu entkommen: Als Israels "Kollaborateure" müssen sie die Rache der Terrormiliz fürchten. "Wer für Israel gearbeitet hatte, wurde im Libanon als Verräter angesehen. Sie mussten fliehen – so wie wir das jetzt wieder in Afghanistan gesehen haben. Aber man hat sie zurückgelassen, einfach komplett vergessen. Mein allererster Impuls war: an diese Menschen zu erinnern, ihnen ihre Stimme zurückgeben", erklärt Regisseurin Michale Boganim. Tanya und ihr Vater sind auf israelischer Seite in Sicherheit. Doch der Krieg hört für sie auch hier nicht auf.

Eine Rolle mit Risiken

Schauspielerin Zalfa Seurat
Schauspielerin Zalfa Seurat | Bild: Das Erste

Gedreht wurde auf Zypern. Zalfa Seurat, die Tanya spielt, lebt wie Michale Boganim in Paris. Neben ihr hatte die Regisseurin auch andere libanesische Schauspieler angefragt – und reihenweise Absagen erhalten. "Das Risiko bei einer Rückkehr in den Libanon war: Verhaftung und Gefängnis. Auch ich habe erstmal gezögert. Aber dann las ich das Drehbuch und war begeistert und berührt von der Geschichte. Und dann habe ich es eben riskiert", erzählt Schauspielerin Zalfa Seurat.

Der Krieg ist allgegenwärtig

Regisseurin Michale Boganim
Regisseurin Michale Boganim | Bild: Das Erste

Myriam, die als Krankenschwester Verwundete versorgt, hat Angst um Gil: Ihr Sohn ist jetzt alt genug für den Krieg. "Egal, auf welcher Seite eine Frau in Israel politisch steht – sie leidet, vom Moment an, in dem sie ihren Sohn zur Welt bringt. Denn er könnte zur Armee gehen! Ich glaube, für Frauen hat das Leben einen höheren Wert – sie wissen, was es heißt, ein Kind zu verlieren, ihre Kinder in den Krieg zu schicken", so die Regisseurin Michale Boganim.

Ein Film mit mutmachender Botschaft

Verloren im israelischen Exil erkrankt Tanyas Vater Fouad schwer. Das Drama nimmt einen dann doch etwas konstruiert wirkenden Verlauf. 2006: Die Hizbollah entführt an der Grenze drei israelische Soldaten. Ist Gil, Myriams Sohn dabei? "Es ist zu früh, um sich Sorgen zu machen. Nein. Ruf deinen General an, hier, bitte. Als ich noch im Libanon war, konnte ich dich auch nicht immer anrufen. Das weißt du doch, Myriam. Beruhige dich – er ist in der Armee!", Szene aus dem Film. Die weibliche Antwort auf solche Logik: Solidarität. Dass Myriam und Tanya einander begegnen: Man nimmt es dem Film ab, seiner mutmachenden Botschaft wegen.

Die Utopie von Frieden

Filmszene "Tel Aviv – Beirut", Regie Michale Boganim
Filmszene "Tel Aviv – Beirut", Regie Michale Boganim

"Tel Aviv – Beirut" wird zum hochemotionalen Roadmovie. Im Radio die Nachricht… "Dass mein Land von deiner Scheißarmee angegriffen wird. Es gibt Hunderte von Toten", Filmszene. "Es ist ein Trauma auf beiden Seiten. Aber in diesem Narrativ suchen wir erstmals gemeinsam nach einem Ausweg", erzählt Schauspielerin Zalfa Seurat. "Wir sind uns so nah: Und doch bleiben alle, Israelis und Libanesen, eingeschlossen in ihre Welt wie in Ghettos. Die Politiker – Männer! – auf beiden Seiten wollen es so: Sie lassen den Menschen mit Absicht keine Möglichkeit, einander zu begegnen", so die Regisseurin. Nur für Särge öffnet sich die Grenze. Tanyas Vater, Myriams Sohn: "Tel Aviv – Beirut" handelt vom Verlust. Aber auch, traurig schön, von der Utopie: Frieden. 

Autor: Andreas Lueg

Stand: 03.09.2023 19:24 Uhr

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Rundfunk Berlin-Brandenburg
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