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Das Rennen um Künstliche Intelligenz

Verliert Europa den Anschluss?

PlayRoboterfigur auf einem Warnschild mit Aufschrift Künstliche Intelligenz.
Verliert Europa den Anschluss? | Video verfügbar bis 16.07.2024 | Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde

Sie könnte Schuberts Unvollendete zu Ende komponieren. Sie könnte uns ersetzen. Oder uns hinausheben über unsere alte Existenz. Aber: Wem gehört sie eigentlich, diese KI? Es ist ein Wettkampf um Geld, Macht und Vorherrschaft. Amerikanische Tech-Konzerne investieren immer mehr in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, gerade erst hat Elon Musk den Start seines KI-Unternehmens xAI verkündet. Und auch China rüstet auf, in Sachen KI. Die neue Technologie wird die Welt womöglich revolutionieren - und unsere Werte, unsere Sprache, unsere Politik maßgeblich beeinflussen. Und die EU?

Kann die EU die Nutzung von KI sinnvoll regulieren?

Können europäische Firmen bei dem Rennen überhaupt mithalten oder werden wir von anderen abhängig? Kann die EU die Nutzung von KI sinnvoll regulieren oder schadet das der Wettbewerbsfähigkeit Europas? Forscher sehen eine Gefahr im geplanten "AI Act" der Europäischen Union. Ein neues KI-Modell lernt auf Super-Computern. Die kosten. Wir sind im Leibniz Rechenzentrum in München – Budget allein für diese Rechner: 96 Millionen Euro. Bei KI-Unternehmen in den USA ist es ein Vielfaches.

Hier lernt eine KI mit Daten zum Klimawandel. Eine KI, die im Alltag mit Menschen interagieren soll, braucht umfassendere Daten – zum Beispiel von Google. Es macht einen Unterschied, ob ein US-Unternehmen oder ein europäisches solche Daten verwendet.

"Von dem, der sie entwickelt, werden die Wertvorstellungen umgesetzt"

Dieter Kranzlmüller spricht in die Kamera.
"Auch eine KI ist in dem Sinne nicht neutral," so Kranzlmüller. | Bild: Screenshot/NDR

"Die ganzen Entwicklungen, die wir machen, in den Informationstechnologien, reflektieren immer unsere Einstellung zu dem, was wir dort tun. Auch eine KI ist in dem Sinne nicht neutral, sondern von dem, der sie entwickelt, werden die Wertvorstellungen umgesetzt," sagt Dieter Kranzlmüller, Leiter Leibniz Rechenzentrum München. "Wenn ich die Waffenpolitik in den USA hernehme – das wird bei uns ganz anders gesehen. Und ich kann mir schon vorstellen, dass eine KI auf eine Frage in den USA anders reagiert als wie es bei uns mit der Frage zu diesem Thema wäre."

Wie weit Künstliche Intelligenz in unser Leben eingreifen wird, wenn es um ethische und politische Entscheidungen geht, ist noch offen. Aber wir sollten darauf vorbereitet sein. Kann Europa den KI-Modellen aus den USA etwas Substantielles entgegensetzen? AppliedAI, sprich: "Angewandte Künstliche Intelligenz", ist eine Initiative, die sich mit genau dieser Frage beschäftigt.

Hohe Sicherheits-Standards könnten Innovationen blockieren

Andreas Liebl spricht in die Kamera.
"Meine Prognose ist, dass wir es nicht schaffen, einen europäischen Spieler aufzubauen," so Liebl. | Bild: Screenshot/NDR

"Wenn wir in Europa jetzt nur noch Anwender sind von Modellen, die von außerhalb von Europa kommen, dann sind wir gar nicht mehr in der Lage, mitzugestalten, mitzubestimmen, wie wir eigentlich leben wollen. Über die Art und Weise, wie wir diese Systeme nutzen wollen," sagt Andreas Liebl, Geschäftsführer von appliedAI. Sie beraten Unternehmen, damit wir gegenüber Google und Microsoft konkurrenzfähig bleiben. Ideal wäre ein großer europäischer KI-Player, der es mit US-Start ups aufnehmen kann.

"Die Größenordnung der Investments in diese Start ups ist einfach eine ganz andere als in Europa, wo wir vielleicht von nem Zehntel bis nem Hundertstel des verfügbaren Kapitals für eine einzelne Firma sprechen," so Liebl. "Meine Prognose ist, dass wir es nicht schaffen, einen europäischen Spieler aufzubauen." Totale Kontrolle durch KI – das will die EU durch ein KI-Gesetz verhindern. Gut, sagt Liebl. Aber zu hohe Sicherheits-Standards könnten europäische Innovationen blockieren. "Große Konzerne schaffen diese Anforderungen, kleine nicht."

KI gemeinsam weiterentwickeln

Robert Kaczmarczyk spricht in die Kamera.
LAION vertritt die Position, "dass man Open Source Forschung und Modelle und Code [...] für die Forschung möglichst frei zugänglich lässt," so Kaczmarczyk. | Bild: Screenshot/NDR

Von München an den Rand von Hamburg. KI, der wir vertrauen können – wie geht das? Robert Kaczmarczyk ist Informatiklehrer und Mitgründer des Netzwerks LAION. Es verbindet Wissenschaftlerinnen, KI-Entwickler und begeisterte Laien auf der ganzen Welt. KI muss allen gehören, sagen sie. Open Source heißt: Die Strukturen hinter einem Modell wie ChatGPT sollten kein Geschäftsgeheimnis sein, sondern offen – um sie gemeinsam weiterzuentwickeln.

"Das ist ja genau, wo wir gerade stehen. Und da versucht LAION die Position zu vertreten, dass man Open Source Forschung und Modelle und Code, also Programmiercode, öffentlich zur Verfügung stellen kann und für die Forschung möglichst frei zugänglich lässt," sagt Kaczmarczyk. Sollte Europa es tatsächlich nicht schaffen, einen KI-Giganten auf die Beine zu stellen, könnten Netzwerke wie LAION die Antwort sein. Eine deutsche Behörde, sagen sie, muss in Zukunft entscheiden, ob sie open-source-KI verwenden will oder geschlossene Modelle wie ChatGPT.

Neue KI-Modelle werden unser Leben verändern

Christoph Schuhmann ist Mitgründer von LAION: "Solange diese Modelle geheim gehalten werden und von den wahren Sicherheitsforschern bei Google und OpenAI kontrolliert werden, ist das Risiko von Intransparenz und von Zentralisierung von Macht. Und es ist niemals so sicher, als wenn die ganze wissenschaftliche Gemeinschaft kollaborativ das Ding verbessern könnte."

Wer die KI-Modelle entwickelt, wird auch unser Leben verändern. Maßnahmen wie das KI-Gesetz der EU sind wichtig – an den ungleichen Verhältnissen in dem Milliarden-Markt werden sie aber nichts ändern.

(Beitrag: Lennart Herberhold)

Stand: 16.07.2023 19:15 Uhr

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