SENDETERMIN So., 02.07.23 | 23:05 Uhr | Das Erste

„Pageboy“

Wie sich Schauspieler Elliot Page aus der Rolle seines Lebens befreit hat

PlayElliot Page auf Fotografie.
Die Geschichte von Elliot Page | Video verfügbar bis 02.07.2024 | Bild: hr

Der Hollywoodstar Elliot Page. Vor drei Jahren hat er sich als transgender Person geoutet und ist inzwischen ein Mann.

„Nach all dem Schreiben und allem, was dahin geführt hat, war es super aufregend, das Buch dann tatsächlich in der Hand zu halten. Überhaupt kreativ zu sein, mich hinsetzen zu können, frei im Kopf und im Einklang mit meinem Körper. Dass ich dazu jetzt in der Lage bin, das war früher wirklich einfach unmöglich“, sagt Elliot Page.

Bekannt geworden ist der kanadische Schauspieler 2007 mit dem Film „Juno“ in der Rolle einer selbstbewussten 16-Jährigen, die ungewollt schwanger ist. Der Indie-Film wird ein Kinohit, sein Hauptdarsteller für einen Oscar nominiert.

Mit zunehmendem Erfolgt wird die Geschlechtsdysphorie wird schlimmer

Danach: Große Hollywoodproduktionen wie „Inception“, dem Blockbuster „X-Men“. Aus der jungen Schauspielentdeckung wird ein Hollywoodstar. Doch mit zunehmendem Erfolg steigert sich seine Geschlechtsdysphorie, das Gefühl, sich immer weniger seinem Geburtsgeschlecht zugehörig zu fühlen.

„So ziemlich alle meine frühesten Erinnerungen drehen sich um meine Überlegungen zum Thema Geschlecht und wie ich mich fühlte und wie vollkommen verwirrt ich darüber war, wie die Welt mich wahrnahm – im Gegensatz zu dem, der ich glaubte zu sein. Und das blieb so ziemlich mein ganzes Leben lang“, sagt Page.

Elliot Page wächst in Halifax, Kanada, auf. Pendelt zwischen seinen Eltern, die geschieden sind, seit er zwei ist. Er beginnt seine Karriere in der Serie „Pit Pony“.

Rote Teppiche werden zum Albtraum

Schon als Teenie fühlt sich Page zu Frauen hingezogen, doch seine Queerness versteckt er. Aus Angst seine Karriere zu gefährden, spielt er mit, trägt Kleider und Make-up, wozu ihn die Filmleute drängen. Am schlimmsten sind die roten Teppiche und die Oscarsaison in Hollywood.

Radikal ehrlich erzählt er in „Pageboy“ von den Folgen dieser Selbstverleugnung: Essstörungen, Depressionen, er kann sein Spiegelbild nicht ertragen, entwickelt Panik am Set, wenn er wieder in Frauenklamotten gesteckt wird. Und erntet dafür Anfeindungen.

„Das war für mich voller Bosheit, schädlich und zerstörerisch, aber ich glaube das haben viele gar nicht beabsichtigt damals“, sagt Page heute. „Ich denke, die Absicht war, mich zu beschützen, meiner Karriere zu helfen. ‚Du bist Schauspieler. Wo ist das Problem? Zieh einfach das Kleid an.‘ Eine Person hat sich inzwischen bei mir entschuldigt und gesagt: ‚Es tut mir so leid, ich wusste es einfach nicht.‘ Aber es ist egal, dass ich trans bin. Das ist wirklich egal. Ob ich trans bin oder ob ich eine cis Frau war, es spielt keine Rolle. Wir sollten die Menschen nicht in diese winzigen Schubladen mit diesen toxischen Erwartungen stecken.“

Der erste Schritt: Das Outing als gay

2014 macht er sich schließlich etwas freier von den Erwartungen anderer bei einer Human Rights-Konferenz in Las Vegas. Er outet sich als gay. Sein Mut wird gefeiert.

„Auf einmal fiel so viel Last von meinen Schultern. Die Leute, die ich am nächsten Tag traf, sagten: „Du scheinst so anders zu sein.“ Und ich war’s. Es war ziemlich bemerkenswert. Offensichtlich war das noch nicht der Punkt, wo ich letztendlich hin musste, aber es war ein riesiger Schritt nach vorn“, sagt Page. Endlich muss er seine Liebesbeziehungen nicht mehr verstecken.

Auch das Verhältnis zu den Eltern ändert sich: Während der Kontakt zum Vater abbricht, wird die Verbindung zu seiner Mutter, die seine Queerness zunächst nur schwer annehmen konnte, wieder innig.„Wissen Sie, mit meiner Mutter, das war definitiv eine Reise. Sie ist wie jeder von uns“, erklärt Page. „Wir gehen auf unsere Reisen und lernen und wachsen und entwickeln uns in allen möglichen Dingen weiter. In gewisser Weise hat meine Mutter mir erlaubt, ich selbst zu sein, als ich noch ein kleines Kind war. Aber das war eher in Momenten, wo die Außenwelt nicht da war, um über mich zu urteilen.“

2020 stellt sich Elliot Page erneut der Außenwelt und eröffnet auf seinem Instagram-Account, dass er transgender ist und eine Brustentfernung vornimmt. Ein mutiger Schritt, vor dem er lange zurückschreckte aus Angst und Scham.

„Ehrlich gesagt habe ich es mir irgendwie ausgeredet, weil es sich zu groß anfühlte. Der Gedanke: wie sieht das überhaupt aus? Du bist Schauspieler, das heißt, du machst deine Transition in der Öffentlichkeit. Ich wurde von solchen Gefühlswellen überrollt. Ich habe mir das dann so zurechtgelegt: ‚Egal, es reicht auch diese Klamotten zu tragen und mir noch engere Sport-BH´s zuzulegen, dann ist alles gut‘. Natürlich war damit nichts gut“, so Page.

In Zeiten von Anti-Trans-Rhetorik ein Zeichen setzen

Er hat es gewagt. Bekommt viel Zuspruch, gleichzeitig aber gibt es einen Backlash: Gesetzentwürfe in republikanisch regierten Bundesstaaten der USA, die Transrechte einschränken. Page nutzt das mediale Interesse an seiner Transition.

„In dieser Zeit, in der es so viel Anti-Trans-Rhetorik und Lügen über unser Leben gibt - eine ständige Entmenschlichung und diese Gesetzentwürfe: Weil ich das Privileg und die Plattform habe, fühlte es sich einfach richtig an, die Gelegenheit zu ergreifen, meine Geschichte zu erzählen.“

Page erscheint als erster trans* Mann auf dem Cover des Time Magazine. Angst vor einem Karriereende hat er nicht mehr. In der aktuellen Netflix-Serie „The Umbrella Academy“ wurde jetzt seine Transition ins Drehbuch geschrieben.


Beitrag: Wero Jägersberg

„Pageboy - Meine Geschichte“
Elliot Page
Übersetzt von: Stefanie Frida Lemke, Lisa Kögeböhn und Katrin Harlaß
S. Fischer Verlage, 2023
24 Euro

Stand: 03.07.2023 17:14 Uhr

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Hessischer Rundfunk
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