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Wenn Deutschland austrocknet

Das Sachbuch "Zwischen Dürre und Flut"

PlayAusgetrocknetes Watt in Schleswig-Holstein.
Das Sachbuch "Zwischen Dürre und Flut" | Video verfügbar bis 16.07.2024 | Bild: picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/W. Rolfes

2022 erlebt Europa den heißesten jemals gemessenen Sommer. Und es ist das vierte Dürrejahr – nach 2018, 2019 und 2020 – in Deutschland, in kürzester Zeit. Ausgedörrte Landschaften, aber vor allem auch ein sinkender Grundwasserspiegel sind die Folgen. So wurde für den Dürresommer 2019 ein Wassermassendefizit von 43,7 Milliarden Tonnen in Deutschland gemeldet. Die Niederschläge reichen nicht aus, um die Speicher wieder zu füllen. Dazu kommt: Das durch Düngemittel eingesickerte Nitrat setzt dem Boden zu und verseucht Grundwasserschichten. Wasser – nicht ein Elixier, sondern das Elixier. Ohne geht gar nichts. Und bei allem Reichtum: Es wird weniger.

Sinkender Grundwasserspiegel

"Ich bin überzeugt, dass Wasser in Deutschland – und nicht nur in Deutschland – nach Energie und nach Gas das große Ressourcenthema wird," so Journalist Uwe Ritzer. "Eben mit dem Unterschied: Ohne Gas kann man unter Umständen auch anderweitig seine Wohnung heizen. Und man kann auch das Stromthema lösen - aber ohne Wasser? Das kriegen wir nicht hin!"

Wasser ist auch ein Wirtschaftsgut, wie der Journalist Uwe Ritzer in seiner wasserarmen fränkischen Heimat erlebte. Das unverzichtbare Allgemeingut sollte an einen Konzern verscherbelt werden. Bürger verhinderten das. Und das in Zeiten von Dürren und toten Wälder. Wasserland Deutschland ist abgebrannt. Und jetzt im Klimawandel: Kommt dann das Wasser, ist es oft zu viel.

Dazu der Klimawandel

Uwe Ritzer spricht in die Kamera.
"Inzwischen ist Deutschland eines der Länder, das am meisten Wasser verliert," sagt Ritzer.  | Bild: Screenshot/NDR

"Deutschland zählte ja zu den wasserreichsten Ländern. Inzwischen ist Deutschland aber eines der Länder, das am meisten Wasser verliert," sagt Ritzer. "Seit der Jahrtausendwende in etwa so viel wie der Bodensee, weil es zu immer längeren Trockenperioden kommt, weil in diesen Trockenperioden es auch immer wärmer wird mit der Konsequenz, dass man immer mehr Wasser braucht und bräuchte. Auf der anderen Seite gibt es zwar Niederschlag, nur der fällt entweder zur falschen Jahreszeit, oder er fällt ihm derart heftigen Mengen, dass der Boden nicht in der Lage ist, das aufzunehmen."

Bisher kommt Wasser einfach so aus dem Hahn. Aber was wenn nicht? Der Taunus in Hessen – ein wasserarmes Gebiet. 2018 fällt in Grävenwiesbach durch einen technischen Defekt die Versorgung aus. Und als der dann behoben war, gab es wegen Trockenheit weiterhin Notstände.

Ein neues System wird gebraucht

Roland Seel spricht in die Kamera.
"In 2018 wurde es uns allen so richtig bewusst, wenn Trinkwasser Notstand eintritt, [...] wie hilflos wir im Grunde genommen sind," erzählt Seel. | Bild: Screenshot/NDR

"In 2018 wurde es uns allen so richtig bewusst, wenn Trinkwasser Notstand eintritt, was es bedeutet und wie hilflos wir im Grunde genommen sind," erzählt Roland Seel, Bürgermeister Grävenwiesbach. "Und da fing der Prozess an, auch bei den Parteien, da bin ich sehr dankbar: Was können wir eigentlich machen? Was können wir selbst machen? Was bedeutet Trinkwasserversorgung? Welche Einflussmöglichkeiten haben wir? Und wo enden unsere Möglichkeiten?"

Weltweit sind nur 3% von Wasser Trinkwasser, und davon sind uns wieder nur 3% überhaupt zugänglich. Kommunen wie Grävenwiesbach bauen neue Auffangbecken, um das vorhandene zu bewahren - das kostet. Aber bundesweit wird weiterhin viel verschwendet, als Löschreserve oder als Sanitärwasser. Ein neues System wird gebraucht.

Das Problem wird auf den Einzelnen abgewälzt

Das Buchcover von "Zwischen Dürre und Flut" von Uwe Ritzer.
Das Buch von Ritzer zeigt eindrücklich, dass wir Wasser nicht mehr als selbstverständlich sehen sollten. | Bild: Penguin Verlag

"Wir duschen morgens, und das Duschwasser geht in den Kanal. Warum? Dieses Duschwasser sollte aufgefangen werden, in einem Hauswasserwerk, nenne ich es mal, durch einen Sandfilter und so weit gereinigt werden, dass damit die sanitären Anlagen, die Toiletten bedient werden," meint Seel. "Dann habe ich einen Liter, den ich zweimal verwende. Das müsste natürlich vorgegeben werden von dem Gesetzgeber. Ich meine sogar vom Bundesgesetzgeber."

Bei Not wird bisher vor allem an den persönlichen Verzicht etwa im Garten gedacht. Dabei wird das meiste Wasser von der Wirtschaft verbraucht. Rund 75% landen in der Industrie, zur Produktion oder als Kühlung, oder auf unseren Äckern. Eine durchaus mögliche sparsamere Verwendung wird hier bisher nicht eingefordert, wie Uwe Ritzer bemängelt:

Was muss jetzt passieren?

"Sie bekommen Wasser in Bayern, in Thüringen, in Hessen umsonst. In anderen Bundesländern zahlen sie marginale Centbeträge für das Wasser. Da ist null Anreiz damit verbunden, Wasser zu sparen oder sich Gedanken zu machen, wie man Wasser wieder verwerten kann. Ich warne wirklich davor, dass man dieses Problem jetzt privatisiert und glaubt das, wenn nur jeder Einzelne weniger Wasser verbraucht, was natürlich sinnvoll ist, aber es wird das Problem nicht lösen. Man muss an die Großverbraucher ran."

Ritzer plädiert auch für mehr Wasserschutz: Renaturisierung von Mooren, Schutz von Quellen, mehr Grünflächen in Städten. Eine Wertschätzung dieser anscheinend unendlichen, und doch so endlichen Lebensressource: Wasser. Der Autor Uwe Ritzer zeigt in seinem Buch "Zwischen Dürre und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand: Was jetzt passieren muss" eindrücklich, dass wir Wasser nicht mehr als selbstverständlich betrachten sollten.

"Zwischen Dürre und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand: Was jetzt passieren muss"
von Uwe Ritzer
ISBN: 978-3-328-11028-6
Preis: 20 Euro

(Beitrag: Thorsten Mack)

Stand: 16.07.2023 19:14 Uhr

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