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Die Träume eines Realisten

Kofi Annans Autobiografie "Ein Leben in Krieg und Frieden"

Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan
Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan | Bild: dpa Picture-Alliance / Facundo Arrizabalaga

Als Botschafter der Weltgemeinschaft und Krisenmanager an den Brandherden rund um den Globus wurde Kofi Annan zu einem der international bekanntesten Politiker. 2001 erhielt er den Friedensnobelpreis - stellvertretend für die UN, aber auch für sein persönliches Engagement.

Mr. UN

Das Gebäude der Vereinten Nationen in New York
Das Gebäude der Vereinten Nationen in New York | Bild: imago / Ulmer

1938 in Ghana geboren, arbeitete er über vier Jahrzehnte in verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen: Er koordinierte die UN-Blauhelmoperationen in Somalia, Ruanda und im ehemaligen Jugoslawien und war UN-Sonderbeauftragter in Zagreb. Von 1997 bis 2006 stand er als erster Schwarzafrikaner an der Spitze der Organisation. Die Bekämpfung von Armut und Ungleichheit, mehr Bildung sowie die Überwindung der technologischen Kluft zwischen dem Süden und dem Norden erklärte er zu "Milleniumszielen".

Prägend für seine Tätigkeit im Dienst der Vereinten Nationen wurde dabei vor allem ein Erlebnis: "Als ich 18 Jahre alt war, wurde meine Heimat Ghana als erste Kolonie Afrikas unabhängig. Damals habe ich gesehen, dass Freiheit und Selbstbestimmung möglich sind. Auch wenn es ein langer Weg ist, und auch wenn es in Afrika in den letzten Jahrzehnten viele Probleme gegeben hat - diese Vision prägt mich auch heute noch", sagt er.

Der "beste Job der Welt"

Dennoch übernahm der Realist Kofi Annan das Amt des UN-Generalsekretärs - "den besten Job der Welt" - "mit der schmerzlichen Einsicht in die Grenzen unserer Macht". Allzu frisch waren die Erinnerungen an den grausamen Bürgerkrieg in Bosnien, an das Desaster in Somalia und den Völkermord in Ruanda, bei denen sich die Massaker unter den Augen der UN-Blauhelme ereignet hatten.

Doch gerade angesichts dieser traumatischen Erfahrungen war er entschlossen, die Vereinten Nationen zu einer Organisation zu formen, die nicht länger nur zuschaut, sondern die sich einmischt. Nach seiner Wahl zum UN-Generalsekretär setzte Kofi Annan deshalb alles daran, "dass wir militärische Einsätze mit der Billigung der UN ausrüsten, dass sie auch wirkungsvoll eingreifen und vor allem die Zivilbevölkerung schützen können".

Das Konzept einer Schutzverantwortung, einer "Responsibility to protect", der Vereinten Nationen gegenüber fundamentalen Menschenrechten war für ihn freilich nicht gleichbedeutend mit einer Lizenz zur Kriegführung im Namen des Friedens. Und Interventionen ohne verbindliche Regeln lehnte er stets ab.

Wie schwierig diese Gratwanderung war, musste er während seiner Amtszeiten wiederholt erfahren. Darüber gibt seine jetzt auf Deutsch erscheinende ebenso persönliche wie politische Autobiografie beredt Auskunft. Halb Memoiren, halb Geschichtsbuch, spannt "Ein Leben in Krieg und Frieden" den Bogen von seiner privilegierten Kindheit und Jugend während der ghanaischen Unabhängigkeitsbewegung bis in die Gegenwart.

Parforceritt durch die Konflikte der letzten 20 Jahre

Darin schickt uns Kofi Annan auf einen Parforceritt durch die Konflikte des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Bereits 1999 wurde der sich zuspitzende Konflikt in Serbien zur Nagelprobe für ihn. Überzeugt davon, dass es Zeiten gebe, "in denen die Anwendung von Gewalt zur Herstellung des Friedens berechtigt ist", billigte er als erster UN-Generalsekretär mit dem Kosovo-Einsatz eine militärische Aktion, die nicht vom Sicherheitsrat gedeckt war.

In seine Amtszeiten als Generalsekretär fielen zudem die Anschläge des 11. September 2001 und die darauf folgenden Kriege in Afghanistan und Irak, mit dem die USA ihre eigenen Vorstellungen von der künftigen Weltordnung gegen die internationale Staatengemeinschaft durchzusetzen suchten und damit die Glaubwürdigkeitskrise der UN verschärften. Kofi Annan selbst verurteilte den Irak-Krieg als "illegal".

Blick hinter die Kulissen der Weltdiplomatie

Anschaulich und lebendig schildert Kofi Annan die Erfolge und Schwierigkeiten seiner Vermittlungsbemühungen im Auftrag der Vereinten Nationen, schreibt von fatalen Irrtümern, von Hilflosigkeit und nationalen Alleingängen, von Auseinandersetzungen mit den Großmächten wie mit Potentaten und Diktatoren.

Er nimmt uns mit in die Hinterzimmer der Weltdiplomatie, für die ihn die kulturellen Traditionen seiner Heimat Ghana bestens gerüstet hatten: "Wenn es Probleme und Meinungsverschiedenheiten gibt, trifft man sich außerhalb des Dorfes unter dem Palaverbaum und diskutiert. Wenn man am Abend noch keine Lösung gefunden hat, trifft man sich am nächsten Tag wieder, bis man einen Kompromiss erzielt. Das war für mich immer ein Modell auch für die großen Konflikte dieser Welt", sagt er rückblickend.

Kofi Annan im Gespräch mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am 29.02.2012 in Damaskus
Kofi Annan im Gespräch mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am 29.02.2012 in Damaskus | Bild: dpa / Sana Handout

Was auf lokaler Ebene funktionieren mochte, war im globalen Maßstab allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt. Das zeigte nicht zuletzt seine Rolle als Syrien-Vermittler. "Mein Mandat im Syrien-Konflikt habe ich im August 2012 niedergelegt, weil es keine echte Unterstützung im Weltsicherheitsrat gab. Die Großmächte unterstützten zwar meinen Friedensplan, aber als es darauf ankam, blockierten sie sich gegenseitig", so Kofi Annan. "Als ich meine Vermittlungsmission beendete, sagte ich zur Begründung, wenn die Welt sich nicht einig ist und gemeinsam Druck auf die Kriegsparteien in Syrien ausübt, wird es ein jahrelanges, sinnloses Blutvergießen in Syrien geben. Die letzten Monate haben mir auf grausame Weise Recht gegeben."

Mahnung, Vermächtnis und Appell

Doch trotz aller Rückschläge ist Kofi Annan bis heute ein unermüdlicher Werber für die Weltgemeinschaft geblieben. Den Glauben an die einende Rolle der Vereinten Nationen in einer zunehmend fragmentierten Welt mit ihren divergierenden Interessen hat er nicht verloren. Ebenso wenig wie an seine Vision einer UN, die nicht den Staaten, sondern den Menschen dient. Auch davon legt seine Autobiografie Zeugnis ab. Sie ist Mahnung, Vermächtnis und zugleich ein Appell an uns, sich einzumischen und sich zu engagieren, wo immer Menschenrechte mit Füßen getreten werden, der Frieden in Gefahr ist und Ungleichheit herrscht.

Buchtipp

Kofi Annan: Ein Leben in Krieg und Frieden
DVA 2013, Preis: 26,99 Euro
ISBN 978-3-421-04457-0

Veranstaltungstipp

Am 16. März spricht Kofi Annan im Rahmen der 13. lit.COLOGNE mit Joschka Fischer über "Ein Leben in Krieg und Frieden".

Stand: 20.06.2013 16:12 Uhr

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