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"Mein Weg nach Olympia"

Der Dokumentarfilmer Niko von Glasow begleitet Sportler zu den Paralympics 2012

Die Paralympischen Spiele sind weltweit das größte Sportereignis für Menschen mit körperlicher Behinderung. Sie sollen helfen, Barrieren abzubauen, und dazu beitragen, die Teilhabe von Behinderten an allen Facetten des gesellschaftlichen Lebens zu fördern. Aus kleinen Anfängen und nach einer wechselvollen Geschichte haben sich die Paralympics längst zu einem sportlichen Megaevent entwickelt. 4.200 Sportlerinnen und Sportler waren 2012 in London am Start.

"Sport ist Mord!"

Niko von Glasow
Für Niko von Glasow galt lange: "Sport ist Mord!" | Bild: WDRtv

Doch auch wenn 2,7 Millionen verkaufte Eintrittskarten von einem enormen Interesse an der Veranstaltung zeugen, so betrachten sie doch nicht alle positiv. Zu ihnen gehört zum Beispiel Niko von Glasow: "Ich dachte, die Paralympics sind eine Art Feigenblatt für die Gesellschaft. Da dürfen die Behinderten auch mal ein bisschen rumlaufen, so dass wir uns alle besser fühlen." Der preisgekrönte Regisseur, der als Contergan-Opfer mit verkürzten Armen auf die Welt kam, hat allerdings ein ohnehin ausgesprochen zwiespältiges Verhältnis zum Sport. Seit er als Kind gezwungen wurde, sich sportlich zu betätigen, galt für ihn: "Sport ist Mord!"

Diese kritische Distanz zur Welt der Körperertüchtigung, aber auch die Tatsache, dass er selbst behindert ist, erwiesen sich als Glücksfall für Niko von Glasows jüngstes Projekt. Für den Dokumentarfilm "Mein Weg nach Olympia", der am 17. Oktober in die Kinos kommt, hat er Athleten auf ihrem Weg zu den Paralympics in London begleitet.

"Wir waren uns sehr nahe"

Dabei interessierte ihn weniger der Sport als die Menschen: "Wie ticken die? Wie machen die das, zu solchen Höchstleistungen zu kommen? Und es war ganz interessant zu sehen, dass ich als behinderter Regisseur und sie als behinderte Sportler ähnliche Mechanismen haben. Wir waren uns sehr nahe."

"Mein Weg nach Olympia", Szenenfoto mit Christiane Reppe
Die Berliner Schwimmerin Cheistiane Reppe | Bild: Interfoto

Vier Athleten und eine Mannschaft hatte sich der Sportmuffel bei seinen Recherchen herausgepickt. Bei den Dreharbeiten in den USA, in Japan, Norwegen, Griechenland, Ruanda und Deutschland traf er den armlosen Bogenschützen Matt Stutzman, die einbeinige Berliner Schwimmerin Christiane Reppe, den gelähmten Boccia-Spieler Greg Polychronidis, die Tischtennisspielerin Aida Dahlen und die ruandische Sitzvolleyball-Mannschaft.

"Behinderte Sportler sind extreme Extremmenschen"

Niko von Glasow beim Tischtennis mit Aida Dahlen (l)
Selbstversuch: Niko von Glasow beim Tischtennis mit Aida Dahlen (l) | Bild: if... Productions/Hajo Schomerus / if... Productions/Hajo Schomerus

Niko von Glasow war bei ihrem Training dabei, hat sie in ihrem privaten Umfeld besucht und immer wieder nachgehakt - unvoreingenommen und durchaus provokant: "Ich kann einfach Fragen stellen, die normale, nicht behinderte Regisseure sich niemals trauen würden zu stellen." Der Filmemacher befragte seine Protagonisten nach den Gründen für ihren sportlichen Ehrgeiz ebenso wie nach ihren Sehnsüchten und Träumen. Und er scheute keine Peinlichkeiten, wenn er im Selbstversuch die unterschiedlichen Sportarten ausprobierte.

"Mein Weg nach Olympia", Szenenfoto mit Matt Stutzman
Behinderte Sportler wie Matt Stutzman "sind extreme Extremmenschen", meint Niko von Glasow. | Bild: Interfoto

Herausgekommen ist ein facettenreiches, sehr persönliches Porträt von Spitzensportlern, die sich allen körperlichen Handicaps zum Trotz immer wieder Höchstleistungen abringen. "Behinderte sind Extremmenschen, weil wir vieles kompensieren. Sportler sind auch Extremmenschen. Und behinderte Sportler sind extreme Extremmenschen", meint Niko von Glasow. "Aber das ist auch das Tolle an uns. Sagen wir mal so: Frauen müssen doppelt so gut sein wie Männer, und wir müssen zehnmal so gut sein wie Frauen."

Der berührende und zugleich amüsante Dokumentarfilm "Mein Weg nach Olympia" zeigt, wie viel Lebensmut und Stärke die Athleten aus dem Sport ziehen, und hat auch bei dem Regisseur selbst allerhand in Bewegung gebracht.

Die "wirkliche, die beste Olympiade"

Das gilt nicht nur für sein Verhältnis zu den Leibesübungen: "Ich hab gelernt, dass Sport Spaß machen kann und nicht alle Sportler Idioten sind - und ja, das war gut." Das gilt auch für die Einstellung zu seinem Körper: "Als Behinderter ist mein Körper nicht so richtig wichtig und auch offiziell nicht das Problem. Aber durch den Film habe ich gemerkt: Er ist eigentlich das Problem, und ich möchte ihn schon lieben können. Also meine Sympathie zu meinem Körper ist gesteigert worden."

Und nicht zuletzt ist Niko von Glasow heute davon überzeugt, dass die Paralympics die "wirkliche, die beste Olympiade" sind.

Stand: 10.11.2014 11:09 Uhr

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