SENDETERMIN So., 14.07.13 | 23:30 Uhr

Versehrte Landschaften

Robert-Adams-Retrospektive "The Place We Live" in Bottrop

Robert Adams, Larimer County, Colorado; From The Missouri West, 1977  (Ausschnitt)
Robert Adams: Larimer County, Colorado (Ausschnitt) | Bild: Robert Adams / Robert Adams

Mit Lee Friedländer und Robert Frank gilt er als Klassiker der künstlerischen Fotografie und zählt zur ersten Riege der US-Gegenwartsfotografie: der 1937 geborene Robert Adams, dessen Lebensthema der amerikanische Westen ist. In Europa noch weitgehend unbekannt, ist sein großartiges Oeuvre hierzulande jetzt in einer umfassenden Retrospektive im Josef Albers Museum Quadrat Bottrop zu entdecken.

"The Place We Live" zeigt rund 300 Arbeiten des Amerikaners von seinen fotografischen Anfängen in den 60er-Jahren bis hin zu aktuellen Aufnahmen, die eine Protestaktion gegen den Irakkrieg in Oregon zeigen. ttt ist anlässlich der Schau an die Pazifikküste gereist und hat einen Mann getroffen, den die Wut umtreibt.

Lebensthema Wilder Westen

Der amerikanische Fotograf Robert Adams
Der amerikanische Westen ist das Lebensthema von Robert Adams. | Bild: WDRtv

Seit über vier Jahrzehnten setzt sich Robert Adams in seinen minimalistischen, streng komponierten Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit dem mythenbeladenen Wilden Westen auseinander - von den großen Ebenen über die Rocky Mountains bis zum Pazifik.

Anfang der 60er-Jahre war der Dozent für Literaturwissenschaften nach einem Studium in Los Angeles nach Colorado Springs zurückgekehrt und hatte dabei mit Entsetzen registriert, wie sich die Landschaft in der Zwischenzeit verändert hatte. Also wurde er zum Umweltschützer mit der Kamera. Meist mit einer großformatigen Plattenkamera hielt der Autodidakt in umfangreichen Serien die Verwandlung der Landschaft fest, prangerte in einer bewusst sachlichen Ästhetik die Wunden an, die unsere Zivilisation der Natur Jahr um Jahr schlug.

Robert Adams, Colorado Springs, Colorado; The New West, 1968-1971  (Ausschnitt)
Robert Adams: Colorado Springs, Colorado - aus der Serie "The New West" (Ausschnitt) | Bild: Robert Adams / Robert Adams

Einige seiner Fotobücher sind in den USA längst Klassiker: "The New West" etwa, Adams' Zyklus über die Urbanisierung Colorados, oder "Turning Back" über die Abholzung und Rodung gigantischer Naturwälder in Oregon.

"Was den amerikanischen Westen ausmachte, bevor wir ihn zerstört haben, war vor allem das Licht, das ist ganz einzigartig", sagt Robert Adams. "Und der Raum: Auf den Plains in Colorado konnte man den Horizont über 360 Grad sehen ohne irgendein Anzeichen von Zivilisation. Und die Stille. Die wunderbare Folk-Sängerin Rosalie Sorrels sagte einmal: 'Du gehst in den amerikanischen Westen, damit du deinen Namen hören kannst, wenn du gerufen wirst.' In dieser Natur spürt man, dass es etwas jenseits dessen gibt, was wir sehen können."

Zwischen Schönheit und Zerstörung

Robert Adams, North of Keota, Colorado, The Plains, 1965-1973 (Ausschnitt)
Robert Adams: North of Keota, Colorado | Bild: Robert Adams / Robert Adams

Diese monumentale, pastorale Schönheit - die einzigartige Weite des Himmels, der Prärie und des Ozeans - hat er ebenso dokumentiert wie die radikale Veränderung der Landschaft durch den Menschen: die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, den Kahlschlag, die Zersiedelung und Verschandelung durch Bevölkerungsverdichtung und mutwillige Baumaßnahmen, die Banalisierung der Lebenswelt durch rücksichtsloses Konsumgebaren und die das öffentliche Leben bestimmende Tyrannei des Populären. Schön und hässlich - dieser Gegensatz kennzeichnet Adams gesamtes Werk, das der Utopie des Wilden Westens das ökologische Desaster gegenübergestellt.

"Als die ersten Siedler nach Colorado kamen, fanden sie Jahrhunderte alte Wälder vor, riesige Bäume, die zum Teil über 1000 Jahre alt waren. Heute gibt es nur noch einzelne Reste davon in Nationalparks", sagt Robert Adams. "Aber alles andere ist weg. Der Kapitalismus hat die Natur komplett verändert um des reinen Profits willen. Es werden zwar neue Bäume gepflanzt, aber die werden nach 30, 40 Jahren wieder gefällt. Das hat also nichts mehr mit den amerikanischen Urwäldern zu tun."

In seiner gesellschaftskritischen Kunst zeigt Robert Adams en détail und ungeschönt die Folgen des mutwilligen Raubbaus an der Natur. Aber sie hält eben auch die Erinnerung an deren Schönheit wach. "Form ist ein Weg, den Sinn des Lebens zu suchen. Das versteht man am besten, wenn man am Pazifik steht und das ständig wechselnde Licht sieht. Man muss auf den richtigen Moment warten, um ein Foto zu machen. Natur ist ein Mysterium. Mein Vater sagte mir einmal: 'Alles ist schön, man muss nur lange genug warten, bis man es sieht.'"

Ausstellungstipp

Robert Adams: "The Place We Live"
Retrospektive des fotografischen Werks

30. Juni bis 29. September 2013

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Buchtipps

Robert Adams: What Can We Believe Where?
Steidl 2013
ISBN 978-3-86930-571-4, Preis: 25 Euro

Robert Adams: The Place We Live. A Retrospective Selection of Photographs, 1964-2009
3 Bde, Steidl 2013
ISBN 978-3-86930-533-2, Preis: 225 Euro

Stand: 13.10.2014 12:22 Uhr

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