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Bertrand Piccard und sein Solarflugzeug

Ein neues Flugabenteuer beginnt: Die Reise mit einem Solarflugzeug um die Welt.

Der Prototyp des Solarflugzeuges ist fertig
Der Prototyp des Solarflugzeuges ist fertig. | Bild: SWR

So etwas hat es noch nie gegeben. »Solar Impulse« ist völliges Neuland für Bertrand Piccard und sein internationales Team. Alles an diesem Flugzeug muss neu erdacht, konstruiert und getestet werden. Die Luftfahrtpioniere aus der Schweiz sind ihrem Traum, nur mit Sonnenenergie um den Globus zu fliegen, ein großes Stück näher gekommen: Der Prototyp mit der Kennung HB-SIA ist fertig: Mit 64 Meter Spannweite ist der Flieger so groß wie ein Passagierjet, wiegt aber nur 1.600 Kilogramm. Etwa 12.000 Solarzellen auf der Tragflächenoberseite liefern am Tage die Energie für vier Elektromotoren. Die Triebwerke sind Spezialanfertigungen mit extra großen Propellern und 10 PS Leistung. Sie sollen den Flieger am Tag auf eine Höhe von 8.500 Meter bringen. Nachts wird diese Höhe langsam abgeflogen. Die Elektro-Motoren laufen dabei auf Sparflamme mit Energie aus Batterien, die tagsüber mit Solarstrom geladen werden. Die Piloten müssen es durch die Dunkelheit schaffen, bevor die Akkus leer sind und die Sonne wieder neue Energie liefert – sonst droht die Notlandung.

Weltmeister im Gewicht sparen

Oberste Devise der Flugzeugbauer: Gewicht sparen wo es nur geht. Neue Produktionsverfahren mit Karbon machen's möglich. Ein paar Leute reichen, um den ganzen Rumpf zu tragen. Im Simulator machen sich die Piloten mit den Flugeigenschaften vertraut. Durch die große Spannweite bewegt sich der Solarflieger nur langsam in die Kurve – er verhält sich so träge wie ein Ozeandampfer, hat aber deutlich bessere Gleiteigenschaften als die modernsten Segelflugzeuge. Beim Kurvenflug müssen die Piloten darauf achten, nicht mehr als 15 Grad Schräglage einzunehmen, sonst könnte der Flieger in eine instabile Fluglage geraten.
Die Weltumrundung ist für Piccard weit mehr als ein Flug-Abenteuer - Solar Impulse ist eine Botschaft: "Wir möchten mit Solar Impulse zeigen, dass Energie sparen, erneuerbare Energien - nachhaltige Entwicklungen überhaupt - ein wunderbares und interessantes Abenteuer ist." Piccard ist überzeugt: Das Projekt ist gut für Wirtschaft, Finanzen und Politik – nicht nur für die Umwelt. Und er hofft, dass der Funke überspringt und alle Menschen begeistert, sie sollen sehen, welche Möglichkeiten neue Energien bieten.

Erste Weltumrundung im Ballon

Piccard hat Luftfahrtgeschichte geschrieben, als ihm vor 10 Jahren zusammen mit Brian Jones die erste Non-Stop-Weltumrundung im Heißluft-Ballon gelungen ist. Die Sache war knapp. Bei der Landung waren von 3,7 Tonnen Propangas gerade noch 40 Kilogramm übrig. Das war der Moment in dem Piccard sich geschworen hat, die nächste Weltumrundung ohne herkömmlichen Treibstoff zu machen.

Der Partner

André Borschberg ist Freund und Weggefährte Piccards. Er war von Anfang an dabei, ist Manager, Mitgründer und der zweite Pilot des Projekts. Für den Ingenieur und Profi-Piloten ist Solar Impulse die Krönung einer erfolgreichen Karriere. Für ihn ist Solar Impulse nicht nur ein Technologie-Projekt an dem er als Ingenieur besonderes Interesse hat, nicht nur ein persönliches Abenteuer, sondern auch eine Zukunftsvision. "Wir wissen", so sagt er, "dass wir fossile Energie einsparen müssen und wir wollen zeigen, dass wir dieses Ziel mit den entsprechenden Technologien erreichen können."

In 25 Tagen um die Welt

Wenn die Tests mit dem Prototypen abgeschlossen sind, wird das Flugzeug überarbeitet und eine endgültige Version gebaut. Damit soll es dann mit 70 Kilometer pro Stunde in fünf Etappen um die Welt gehen. Nach jeder Landung lösen sich die Piloten ab. Zwei Piloten sind zu schwer, sonst wäre auch ein Non-Stop-Flug möglich. 25 Tage wird der ganze Trip voraussichtlich dauern.
Davor muss alles bis ins kleinste Detail geplant und ausprobiert werden. Dabei zeigt sich das Team erfinderisch. Für einen Aerodynamik- und Ergonomie-Test wird das Cockpit kurzer Hand auf einen Van montiert. Dann düst das skurrile Gefährt mit dem Piloten an Bord über die Startbahn. Vibrations- und Belastungstests an den Tragflächen sollen zeigen, ob das Flugzeug heftigen Turbulenzen gewachsen ist. Es ist hohe Ingenieurs-Kunst, die Konstruktion superleicht und gleichzeitig stabil zu machen.
André Borschberg bringt es auf den Punkt: "Alle Bauteile, die im Belastungs-Test nicht kaputt gegangen sind, waren meist zu schwer". Deswegen haben sich die Konstrukteure der Sache von der anderen Seite genähert. Sie haben die Teile so leicht wie nur möglich gebaut und dann die Belastungsgrenzen getestet. Dann haben die Techniker die Schwachstellen ausfindig gemacht und so verstärkt, dass die Teile die geforderten Limits ausgehalten haben.

Virtual Flight

25 Stunden Nonstop sind beide Piloten schon geflogen – im Flug-Simulator. Sie gewöhnen sich an das 1,3 Quadratmeter kleine Cockpit und lernen mit Yoga und autogenem Training, gegen den Schlaf zu kämpfen. Schließlich dauert jede Etappe bis zu fünf Tagen. Angst hat da keinen Platz. "Ich habe keine Angst in dem Solarflugzeug zu fliegen", so Bertrand Piccard. "Ich habe Angst in einer Welt zu leben, in der wir eine Million Tonnen Erdöl jede Stunde verbrauchen. Das ist total sinnlos."
Im Herbst sind erste Testflüge geplant, und 2012 soll die große Reise beginnen. Wenn es möglich ist mit Solarkraft um die Welt zu fliegen, so hoffen die Pioniere, begreifen die Menschen, wie viel mit erneuerbaren Energien möglich ist.

Adressen & Links

Auf dieser Seite stellen Piccard und Borschberg ihr Projekt und das Team vor:
www.solarimpulse.com

Autor: Harald Brenner (SWR)

Stand: 25.07.2013 11:22 Uhr

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So., 16.08.09 | 17:03 Uhr
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