Fragen an Natalia Wörner

Beim Essen: Karla (Natalia Wörner, li.) mit ihrem Lebenspartner Jan (Alexander Beyer, re.).
Beim Essen: Karla mit ihrem Lebenspartner Jan. | Bild: ARD Degeto / Roland Suso Richter

In diesem Film der ARD-Krimireihe haben die Dreharbeiten in Rom stattgefunden – wie war es für Sie in dieser Stadt zu spielen?

Wir haben, bedingt durch die Pandemie, zwei Jahre später in Rom gedreht als ursprünglich geplant und das hat Rom noch mehr zu einem Sehnsuchtsort gemacht, als die Stadt es ja von Natur aus ist. Die Schönheit Roms hat mit ihrer Lebendigkeit und fühlbaren Geschichte zu tun. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in Rom drehe. Insofern waren mir viele Plätze vertraut und es entstand dann recht schnell ein eigener Alltag, der unmittelbar mit dem Rhythmus des Drehens verknüpft ist. Ich versuche stets eine Stadt antizyklisch zu erforschen, jenseits der Touristenströme – soweit das eben geht. Konkret heißt das, dass ich nach dem Dreh abendliche oder nächtliche Streifzüge durch die Stadt unternehme oder ganz früh morgens die Cafés in der Nähe ausspähe, bevor der Drehalltag mich in seine Arme nimmt. Ich hatte eine kleine Wohnung in der Altstadt – das hilft sehr, sich heimisch und ‚römisch‘ zu fühlen, anstelle eines anonymen Hotelzimmers irgendwo in der Stadt.

Die Drehorte, die wir für „Die Diplomatin“ gefunden haben, sind spektakulär und spiegeln die Pracht, aber auch die Modernität und die blinden Flecken der Stadt wider. Grundsätzlich lernt man eine Stadt, die man für eine gewisse Zeit arbeitend bewohnt, und ihre Menschen natürlich ganz anders kennen, als es einem mit einem ‚klassisch‘ touristischen Blick möglich ist. In Rom zu arbeiten bedeutet auch, sich dem Rhythmus und der Arbeitsweise der italienischen Kolleg:innen anzupassen. Zum Teil ist es auch recht chaotisch und unorganisiert gewesen – zum Schluss findet man jedoch für alles eine Lösung und der Sound, den die Italiener:innen so als Grundmelodie an den Tag legen, ist in der Regel sehr herzlich, warm und dem Leben zugewandt.

Ich habe die Zeit dort sehr genossen, habe viele neue Plätze, Restaurants und Museen entdeckt.

„Die Diplomatin – Vermisst in Rom“ ist bereits Ihr siebter Auftritt als Karla Lorenz. Wie hat sich Ihre Rolle entwickelt und wo steht Karla am Anfang dieses Films?

Ja – das ist ja das Spannende, wenn man eine Figur über einen so langen Zeitraum erzählt und sich mit ihr, wie in unserem Fall, auf so vielen Ebenen und in buchstäblich so vielen unterschiedlichen Welten bewegt und entwickelt. Mal abgesehen von den Drehorten, die wir seit 2014 bereisen, um „Die Diplomatin“ zu drehen: Thailand, Spanien, Prag, Berlin und jetzt Rom – ist in dieser Zeit eine politische Dynamik und eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung entstanden, die natürlich in unsere Geschichten einfließt und die Figur der Karla Lorenz wachsen lässt. Sie war und bleibt eine sehr eigenständige Denkerin, die manchmal sehr impulsgesteuert agiert und sich gleichzeitig keiner politischen Analyse entzieht.

Wir haben in dieser Zeit die Anschläge in Paris erlebt, Trump kommen und gehen sehen, die Pandemie durchlebt, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erfahren müssen und erleben den Klimawandel, der sehr viel infrage stellt. All das wird und wurde in unseren Filmen thematisiert – subtil und ohne Besserwisserei, das schätze ich an dieser Reihe sehr. Wenn ich an unseren Berlin-Film denke und wie sich Karla Lorenz mit dem russischen Botschafter angelegt hat, dann ist das aus dem Rückspiegel betrachtet schon visionär gewesen – auf alle Fälle mutig. In dem neuen römischen Film wird u.a. der Rechtsruck in Italien thematisiert, der ja bereits absehbar war und sehr realitätsnah eingeflochten worden ist (zumal das Drehbuch lange vor der Wahl im September 2022 entwickelt wurde, die Dreharbeiten fanden zu dieser Zeit bereits statt.)

Karla Lorenz steht in Italien vor der Aufgabe, sich mit politisch Andersgesinnten, der kirchlichen Macht und dem Verhängnis der Korruption auseinanderzusetzen. Das ist viel und bedarf eines sehr guten Feingespürs für Grenzen, die noch nicht wirklich in Sicht sind. Und ja, Karla macht Fehler und bleibt ein Mensch. Das mag ich so sehr an ihr: Dass sie sich nicht scheut, sich immer wieder aus ihrer Komfortzone heraus zu bewegen und für den Teil Verantwortung übernimmt, der ihr aus dem Ruder läuft.

Als Diplomatin muss Karla Lorenz in Krisen verhandeln und schwerwiegende politische Entscheidungen treffen, gleichzeitig steht sie für ihre eigenen Werte ein. Haben Sie aus dieser Rolle auch für Ihr eigenes Handeln gelernt?

Ich würde eher sagen, ich stelle meinen Erfahrungsschatz der Rolle zur Verfügung (lacht). Als Schauspielerin ist es ein Geben und Nehmen mit den Rollen und den eigenen Erfahrungen. Es gibt Anteile von Figuren, die einen durchaus zum Nachdenken und Wachsen motivieren können. In der Regel ist es aber eher so, dass der/die Spieler:in der Figur sein Instrumentarium gibt. Das geht dann über den physischen Bereich in den seelischen oder auch ins psychologische Feld und mündet schließlich weiter im Handwerk. Das muss alles zusammen orchestriert werden – Schauspielerei zu erklären ist komplex, sie auszuüben ein Fest.

In dem neuen Film wird eine Entführung genutzt, um die Aufklärung eines Bauskandals zu erzwingen. Es stellt sich die Frage, wie weit man für seine Überzeugungen gehen darf. Haben die Dreharbeiten Ihre Meinung zu diesem Thema verändert?

Ich würde sagen, dass die Themen, die in diesem Film in den Fokus kommen, mich als politisch wachen Menschen täglich beschäftigen – auch jenseits der Dreharbeiten. Die Fragen, die sich in diesem Film verbergen, sind: Wie weit gehe ich, um kapitalistische Interessen zu vereiteln? Was bedeutet Moral und wer setzt die Maßstäbe? Wir erzählen u.a. auch von einer Generation, die mit anderen Wertvorstellungen, Nöten und Ängsten auf die Welt schaut, die wir geschaffen haben. Welche Macht hat die Kirche und wie hoch ist der Preis, den es dafür zu zahlen gilt? Bröckelt das patriarchale System an den richtigen Stellen und wohin bewegen wir uns in Europa politisch? Die Generation, die jetzt ins Handeln kommt, hat andere Ausgangspositionen und einen existentiellen Druck, den es nicht zu unterschätzen gilt.

Wie war es, für die Dreharbeiten zum siebten Film der ARD-Krimireihe wieder mit dem Team, inklusive Jannik Schümann, zu arbeiten?

Das Kernteam vor und hinter der Kamera ist eine sehr eingeschworene und gut intakte Gemeinschaft geworden. Doch wie immer, gibt es Veränderungen im Leben – insofern ist dieser Film auch mit einer Veränderung verknüpft. Nikolaus Tanz, die rechte Hand von Karla Lorenz, der wunderbare Jannik Schümann, wird den diplomatischen Dienst quittieren, da er zunehmend an der Kraft des eigenen politischen Handelns und Wirkens zweifelt. Seit dem ersten Film ist Jannik dabei und ich habe an meiner Seite einen jungen Mann erlebt, der sich entfaltet hat und zu einem der stärksten Schauspieler seiner Generation herangewachsen ist. So hat nicht nur unsere professionelle Verbindung, sondern auch unsere Freundschaft in diesen Jahren eine eigene Reise erlebt. Und das verbindet weit über den Beruf hinaus! Umso schwerer fällt mir der Abschied. Ich schätze Jannik sehr und er wird mir fehlen – doch ich weiß, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren werden.

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