Fragen an Friedemann Fromm (Drehbuch und Regie)

Herr Fromm, Sie sind preisgekrönter Regisseur einer Reihe von Filmprojekten, die eine Zeit beleuchten, die wir als "jüngere Zeitgeschichte" charakterisieren. Ihre Filme spiegeln eine "Epoche" wider, in der sich Ideale und Lebensvorstellungen rasant änderten. Was fasziniert Sie an diesen Schnittstellen historischer Entwicklungen?

Ich glaube, dass sich an diesen Schnittstellen das Leben in seiner ganzen Tiefe aufblättert, und dass die Menschen gezwungenermaßen an ihren Kern kommen. Das finde ich als Erzähler ein ungeheuer spannendes Potentzial, weil man den Menschen ins Herz und in ihre Abgründe blicken kann. Außerdem glaube ich, dass wir und die Welt, in der wir leben, von der Vergangenheit geprägt sind, und dass wir die Gegenwart um so besser begreifen, je mehr wir die Vergangenheit begreifen. Deutschland z.B., so wie wir es jetzt erleben, ist viel stärker von der ehemaligen DDR beeinflusst, als man gemeinhin denkt, da das allgemeine Gefühl ja ist, die alte BRD habe sich die DDR einverleibt. Das stimmt sicher auch in vielen Bereichen, aber schleichend hat sich in diesem Land auch ganz viel für den "Westen" verändert. Wir haben nun gemeinsame Wurzeln in Ost und West, und diese zu beleuchten, das ist spannend.

Wie haben Sie sich diesem komplexen Thema der "Wendezeit" genähert?

Viel Recherche, Gespräche mit Zeitzeugen. Das ist ja eines der großen Privilegien in meinem Beruf – dass man immer wieder neue Welten entdecken und erforschen kann.

Robert Schnyder bei der Vernehmung
Robert Schnyder wird wegen Beihilfe zur Republikflucht inhaftiert und im Vernehmungsraum von Falk verhört. | Bild: ARD / Julia Terjung

Wo liegt Ihr Fokus bei der zweiten Staffel von "Weissensee", die ja die Jahre kurz vor der Wende schildert?

Es geht auf der einen Seite um Zerfall – des Regimes, der alten Werte und Sicherheiten. Und es geht um Freiheit und Neufindung. Diese Zeit vor dem großen Umbruch hat ja durchaus Parallelen zu unserer Zeit, die ich auch als eine "Zwischenzeit" empfinde. Man spürt, dass große Veränderungen in der Luft liegen, und jeder geht damit anders um. Das reicht vom Festhalten am Alten, Angst bis zur Neugier und Aufbruch. Niemand wusste, wohin die Reise gehen wird – ebenso wie heute. Aber das Gefühl, dass die Reise begonnen hatte, brach sich immer mehr Bahn. Und das schlägt im Film auf alle Figuren durch.

Sie arbeiten mit einem tollen Schauspielensemble, von denen einige in der DDR gelebt haben. Wie wichtig sind Ihnen deren Hinweise und Anmerkungen?

Das ist ein großer Schatz, dass ich an diesen individuellen Erfahrungen teilhaben kann. Das war von Beginn an die Idee hinter der Besetzung, dass wir, wo es nur geht, Darsteller/innen wollten, die eine persönliche DDR-Erfahrung mitbringen. Ich bin davon überzeugt, dass das viel zur Glaubwürdigkeit des Formats beiträgt.

Die Serie hat eine sehr eigene, kühle Atmosphäre. Was war Ihnen bei der szenischen Umsetzung des Drehbuchs besonders wichtig?

Ich weiß gar nicht, ob ich da zustimmen kann, dass es eine kühle Atmosphäre ist. Die zweite Staffel ist insgesamt rauher – auch inhaltlich – als die erste, die ja sehr von der Romantik des Liebespaares lebt. Die zweite Staffel ist für mein Gefühl weniger verspielt – vielleicht erwachsener. Wir gehen ja mit der Entwicklung des Landes und der Figuren mit. Die Unschuld der ersten Staffel ist den Figuren natürlich verloren gegangen. Jetzt geht es darum, wie man mit diesem Verlust umgeht – vor allem auch für das Liebespaar. Wie geht man als Paar mit so ungeheuer tiefen Verletzungen um? Wie kann man seine Liebe schützen? Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Wie mutig bin ich in meiner Angst? Das sind zentrale Fragen für die Figuren, und das bestimmt auch die Erzählweise, wobei es ja immer wieder auch den Bruch gibt in den Humor.

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