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China: Wie Peking Moskau die Stange hält

PlaySergej Lawrow (l), Außenminister von Russland, und Wang Yi, Außenminister von China, stehen nebeneinander.
China: Wie Peking Moskau die Stange hält | Bild: picture alliance/dpa/XinHua / Zhou Mu

Seine Videos aus Odessa soll in China niemand sehen. Sie werden zensiert, denn Wang Jixian filmt den Kriegsalltag: "Ich habe gerade von einem ukrainischen Freund die Nachricht bekommen, dass eine alte Frau in seinem Nachbarhaus bei einem Raketenangriff getötet wurde." Seit vergangenem Jahr lebt Wang Jixian in der Urkaine, arbeitet als Programmierer. Während fast alle anderen Chinesen die Ukraine längst verlassen haben, harrt er aus. "Wenn ich die Menschen hier, meine Kollegen, meine Freunde, meine Nachbarn, ihre Kinder im Stich lassen würde, wenn ich wegginge, dann würde ich das den Rest meines Lebens bereuen und mit Selbstvorwürfen leben."

An seinem 37.Geburtstag schickt Wang Jiaxin ein Video aus Odessa. Explosionen sind zu hören. Was draußen in der Welt passiert, sehen die Menschen hier nur in Ausschnitten. Wenn die Touristen auf Chinas Großer Mauer über Russlands Krieg reden, hört sich das an wie die Propaganda der Pekinger Führung: "Russland ist um seine Sicherheit besorgt"; "Den Grund kann man in den Nachrichten sehen, es geht um Russlands Sicherheit"; "Die Beziehungen zwischen China und Russland sind stabil. Sie sind keine echten Freunde, sondern eher sowas wie Partner. Schuld daran ist vor allem der Druck durch die USA."

Pro-russische Stimmung gegen die NATO und gegen die USA

Handy und ein Tablet auf einem Tisch.
Auch in Chinas streng zensierten sozialen Netzwerken gibt es eine pro-russische Stimmung. | Bild: NDR

Pekings politische Sicht der Dinge gibt es täglich im chinesischen Staatsfernsehen. Hier werden auch russische Meldungen weiterverbreitet: Zum Beispiel, dass die Ukraine in Laboren angeblich Bio-Waffen herstellt. Auch in Chinas streng zensierten sozialen Netzwerken gibt es eine pro-russische Stimmung – gegen die NATO und gegen die USA. "Als nächstes ist China dran, wenn Russland verliert, wird der Westen uns in die Ecke drängen und angreifen", sagt eine Frau.

Am 1. April meldet sich Chinas Präsident Xi Jinping zu Wort. Beim Gipfel per Videoschalte mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel warnt Xi die EU davor beim Ukraine-Krieg "Öl ins Feuer zu gießen und die Spannungen anzuheizen." Die Führung in Peking bleibt Putin treu. Als wir fragen, was es für die Beziehungen zur EU bedeutet, wenn China weiterhin Putins Überfall auf die Ukraine nicht klar verurteilt, reagiert Wang Wenbin, Sprecher des Außenministeriums, gereizt: "Ihre Frage zur Verurteilung Russlands. Ich habe bereits die Position Chinas dargelegt, es passt nicht in die Zeit, so besessen an dieser Frage festzuhalten. Wie gesagt, wir hoffen, dass alle Parteien Dinge sagen und tun, die Frieden und Dialog fördern."

Ein neuer Kalter Krieg zwischen Demokratie und Autoritarismus?

Doch was tut China? Wir fragen den Politikwissenschaftler Wu Qiang, einer der wenigen im Land, der sich noch traut offen über Pekings Politik zu sprechen: "Das Hindernis ist, dass China nicht bereit ist, etwas zu unternehmen, nicht einmal Putin einfach anzurufen. China hat noch nichts Konstruktives beigetragen, sondern zuckt davor diplomatisch zurück." Dahinter stecke ein klares Kalkül der kommunistischen Führung: "Putin zu helfen heißt, Chinas Autoritarismus zu stärken. Das wird ein neuer Kalter Krieg zwischen Demokratie und Autoritarismus. Russland bleibt dafür ein unverzichtbarer Partner, selbst wenn es für Misserfolge sorgt."

Putin der Kriegstreiber und Xi, der ihm Rückendeckung gibt. Geeint in ihrer Rivalität gegenüber dem Westen. "Wir unterschätzen, wie wichtig Russland für Peking ist. Die strategische Partnerschaft mit Moskau ist ernst gemeint. Abgeleitet aus dem Bild, dass man sich hier in einer langfristigen Auseinandersetzung insbesondere gegen die USA aber auch weiter gegen den Westen positionieren muss, wird Peking Moskau nicht so schnell aufgeben", sagt Mikko Huotari vom Mercator Institut für China Studien.

China geht es um Vormachtstellung gegenüber dem Westen

Sergej Lawrow (l), Außenminister von Russland, und Wang Yi, Außenminister von China, stehen nebeneinander.
Peking hält Putin die Stange.  | Bild: picture alliance/dpa/XinHua / Zhou Mu

In Odessa ist der Chinese Wang Jixian wütend, dass viele Menschen in China den Krieg einfach hinnehmen: "Wenn sie noch Menschlichkeit in sich haben, sollten Sie wissen, dass man nicht einen Knopf drückt und dann nur einen Feuerball sieht. Wenn jemand den Knopf drückt, wird eine Familie zerstört, Leben werden durch diese Aktion ausgelöscht." Ein Appell an seine Landsleute. Die Führung in Peking aber will keine Gefühle. Ihr geht es um die Vormachtstellung gegenüber dem Westen und da ist Russland als Partner unerlässlich.

Autor: Daniel Satra, ARD-Studio Peking

Stand: 03.04.2022 20:38 Uhr

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