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Haiti: Private Gesundheits-HelferInnen auf dem Lande

PlayMenschen warten vor einer Krankenstation

Die Situation für die Menschen in Haiti ist schwierig und für viele hoffnungslos. Die Regierung ist korrupt und nicht handlungsfähig, bewaffnete Banden reagieren große Teile des Landes. Die Gesundheitsversorgung ist zusammengebrochen. Private Hilfsorganisationen wie "Child Care Haiti" versuchen, vor allem Frauen auf dem Lande eine Basis-Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Klinik von Mare-Rouge kämpft gegen Müttersterblichkeit

Ismanie Joseph sitzt an einer Hauswand.
Ismanie Joseph ist täglich unterwegs, um aufzuklären. | Bild: NDR

Mare-Rouge im Nordwesten von Haiti – eine üppige tropische Landschaft, rote fruchtbare Erde. Doch das Leben für die Menschen, gerade für die Frauen, hier ist hart. Ruth folgt ihrer Oma Felicita Nonor auf Schritt und Tritt, lernt mit vier Jahren Bohnen zu säen. So hat es auch ihre Mutter gemacht. Doch jetzt nicht mehr, bei der Geburt von Ruth ist sie verblutet und hat sechs Kinder hinterlassen.  Mit 70 Jahren hat Felicita nun ein Kleinkind, dass sie versorgen muss. Dabei reichen die Kräfte kaum mehr sagt sie, und wie fast alle hier muss sie mit etwa zwei Dollar am Tag überleben: "Ich habe keinen Mann mehr, ich bin Witwe. Wenn jemand vorbeischaut und mir etwas zum Leben bringt, bedanke ich mich bei Gott."  

Bei Sherla setzen die Wehen ein. Sie ist in die Klinik von Mare-Rouge zu Dr. Cassion Bergel geeilt, weil er mit seinem Team gegen die Müttersterblichkeit ankämpft: "Eine Frau darf nicht sterben, wenn sie Leben schenkt. Das ist inakzeptabel!"  

Heute brummt es in der Klinik von "Child Care Haiti". Dass so viele Frauen zur Impfung gekommen sind, ist nicht die Regel, sondern ein Erfolg. Schulmedizin ist den meisten hier fremd, weil unbezahlbar teuer: Doch Impfung und Vorsorgeuntersuchung bekommen sie hier kostenlos. Vor der Klinik findet eine Aufklärungsveranstaltung. Es geht um Hygiene, die Bedeutung der Vorsorge und der Geburtenkontrolle. Sex ist ein Tabu-Thema, das hier gebrochen wird.

Geburten fast immer zu Hause

Schangere Frauen
In keinem anderen Land der westlichen Hemisphäre sterben so viele Mütter bei der Geburt.  | Bild: NDR

Geburten finden fast immer zu Hause statt. Das zu ändern ist die Mission von Hebammen, wie Ismanie Joseph von "Child Care Haiti ": "Es ist wichtig, weil wenn die Mütter zu Hause gebären, können sie das Kind verlieren, Infektionen bekommen, es könnten ihre Blutgefäße reißen. In der Klinik können wir uns um alles kümmern."  Jeden Tag ist die 47-Jährige darum unterwegs, geht raus zu den schwangeren Frauen, um aufzuklären.
In keinem anderen Land der westlichen Hemisphäre sterben so viele Mütter bei der Geburt. Sechs bis sieben Kinder zu gebären ist hier keine Seltenheit, dafür ein Risiko. Die vielen Kinder verschärfen die große Armut. Väter übernehmen oft keine Verantwortung und fallen als Unterstützung aus.

Betsilia Destin ist im siebten Monat schwanger, vergangenes Jahr erst hatte sie eine Fehlgeburt – doch wozu im Krankenhaus entbinden, fragt sie. Sie sei doch nicht krank. "Ich habe doch keine Angst vor dem Krankenhaus, aber zu Hause funktioniert es doch auch. Mal sehen. Ich denke Gott gibt mir das Kind zu Hause." So denken die meisten Frauen hier. Die für sie fremde Klinik macht Angst. Ismanie weiß, Vertrauen braucht Geduld. "Es braucht Durchhaltevermögen. Beim ersten Mal ist ihnen egal was du sagst. Beim zweiten und beim dritten Mal genauso. Dann beim vierten Mal kommst du und hilfst ihnen bei einer Arbeit und dann ändert sich ihr Denken."

Misline Germanie wurde in die Klinik gebracht und erfuhr dort, dass eine Fehlgeburt drohte. Tagelang hing sie am Tropf. "Ohne die Klinik hätte ich vermutlich bei zwei Geburten mein Leben verloren oder das der Kinder." Das sind Erlebnisse, die sich herumsprechen. Das Ismanie beraten kann, liegt an der Zusammenarbeit von "Child Care Haiti" mit "Brot für die Welt". Das Hilfswerk finanziert die Vorsorge und Beratung.  

Weiteres Projekt: "Clinique mobile"

Ein Arzt hält ein Neugeborenes im Arm.
Wieder eine erfolgreiche Geburt — Dr. Bergel strahlt. | Bild: NDR

Als es Nacht wird in Mar-Rouge erklingen aus der Ferne die Trommeln einer Voodoo-Zeremonie. Voodoo ist nicht die berühmte schwarze Magie, sondern eine anerkannte Religion in Haiti. Und die meisten Menschen hier bevorzugen die Behandlung des Heilers, des Hoguin, der Geister zur Hilfe anruft. Dr. Bergel sucht die Zusammenarbeit mit den Voodoo-Heilern, hat keine Berührungsängste. Der eine kümmert sich um den Geist der andere um den Körper, sagt er. "Der Heiler hat schon viele Patienten zu uns gebracht. Wir helfen also beide. Das ist eine Zusammenarbeit die Früchte trägt, die für den Patienten gut ist."  

Direkt in der früh ist Dr. Bergel auf dem Weg raus auf das Land mit der "Clinique mobile". Auch diese wird durch "Brot für die Welt" finanziert. Die Menschen außerhalb von Mare-Rouge haben schlicht nicht die Mittel, um in die Klinik zu kommen, also kommt die Klinik zu ihnen. Kostenlose Medizin und Behandlung, dazu der immer herzliche Dr. Bergel: "Ich liebe einfach das, was ich tue".                               

Unermüdlich kämpft das Team von "Child Care Haiti" auf allen Wegen für die Gesundheit, schafft so Vertrauen, um insbesondere Kindern und Müttern zu helfen. Für Sherla steht die Sie bringt eine gesunde Tochter zur Welt. Wieder eine erfolgreiche Geburt – es ist ihr schönster Moment und der größte Stolz: eine gesunde Mutter mit einem gesunden Baby.

Spendenkonto
Brot für die Welt
Bank für Kirche und Diakonie
IBAN: DE10 1006 1006 0500 5005 00
BIC: GENODED1KDB
Stichwort: Gesundheit

Autorin: Xenia Böttcher, ARD-Studio Mexiko   

Stand: 18.04.2021 20:38 Uhr

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Norddeutscher Rundfunk
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