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USA: Jagd nach Lithium – Segen für Elektro-Autos?

PlayGrünliche Wasserfläche mit weißen Ablagerungen an der Wasseroberfläche.
USA: Jagd nach Lithium – Segen für Elektro-Autos? | Bild: NDR

US-Präsident Biden hat ein klares Ziel: die E-Mobilität massiv auszubauen. Dazu braucht die US-Industrie Lithium, um die Batterie-Produktion schnell ausbauen zu können. Aber die USA beziehen bisher nahezu ihr komplettes Lithium von ausländischen Zulieferern, zum Beispiel aus Chile oder China. Nicht erst seit der russischen Invasion möchte Biden sein Land unabhängiger von diesen Importen machen. Und in den USA sind große Lithium-Vorräte entdeckt worden, zum Beispiel in Nevada und Kalifornien. In Betrieb ist bisher lediglich eine Mine. In der Gegend um den Salton See in Kalifornien hoffen Investoren jetzt auf das große Geschäft.

An der Oberfläche ist nur zu erahnen, welch Schatz unter der Erde schlummert. Wasser – etwa 300 Grad heiß – und voller wertvoller Metalle. Seit Jahrzehnten erzeugen Geothermie-Kraftwerke mit dem Dampf des heißen Wassers hier Strom. Jetzt wollen Unternehmen zusätzlich ein ganz besonderes Metall herausfiltern: Lithium – für die Batterien von E-Autos.

Michael McKibben, Geologe an der University of California, sagt: Kein Thermalwasser-Vorkommen weltweit hat mehr Lithium als das hier in der Region um den Salton Sea im Süden Kaliforniens. "Das würde alles ändern! Kämen wir an dieses Lithium heran, wären die USA komplett unabhängig von Importen. Die Autohersteller würden das lieben! Weil sie dann geschützt wären vor Turbulenzen oder Kriegen, die Lieferketten unterbrechen."

Goldgräberstimmung am Salton Sea

Rund um den Salton Sea herrscht gerade Goldgräberstimmung. Früher kamen Urlauber hierher, inzwischen dominiert Trostlosigkeit. Das Imperial Valley ist eine der ärmsten Gegenden der USA, besonders viele Menschen hier sind arbeitslos. Das Lithium und dessen Weiterverarbeitung zu Batterien soll Jobs und Aufschwung bringen. Manche träumen vom "Lithium Valley" – in Anlehnung an das "Silicon Valley". Kaliforniens Gouverneur spricht gar vom "Saudi Arabien für Lithium".

Im "Buckshot Diner" in Niland, am Ufer des Sees, sitzen zur Mittagszeit vor allem Menschen auf der Durchreise, Arbeiter von außerhalb, und Rentner, die seit Jahren hier am Salton Sea die Wintermonate verbringen. Auch sie wünschen der Region den Aufschwung. Gerry Powers meint: "Lithium wäre ein großer Gewinn für die Gegend" und Carolyn Calkins ergänzt: "Definitiv. Es gibt hier ja nicht viel. Das würde sehr helfen." Ruben Hernandez betreibt das Restaurant gemeinsam mit seiner Frau. Wie die meisten hier hat er mexikanische Wurzeln. Nach der Mittagszeit muss er zurück zu seinem Zweit-Job auf einer Farm. "Sie sagen, dass zum Beispiel die Straßen verbessert werden würden, wenn wir hier Lithium gewinnen. Es entstünden Jobs, mehr Arbeiter kämen in unsere Gegend – das wäre sehr gut, auch für mein Geschäft! Und für die Gemeinde, die dann mehr Steuern kassieren könnte."

Große Lithium-Pläne – doch Experten sind skeptisch

Gelände aus der Vogelperspektive.
Auf dem Geländes des australischen Investors stehen noch nicht viel mehr als zwei Brunnen.  | Bild: NDR

Auch Rod Colwell von Controlled Thermal Resources hat die Goldgräberstimmung gepackt. Auf dem Geländes des australischen Investors stehen noch nicht viel mehr als zwei Brunnen. Doch schon im kommenden Jahr will er hier Strom produzieren, in zwei Jahren zusätzlich Lithium. Und: In seiner Vision entsteht darum herum eine ganze Industrie. "Das Ziel ist nicht nur, dass wir hier Lithium in Batterie-Qualität produzieren. Wir haben hier die Möglichkeit, alles von Grund auf neu zu entwickeln; auch die Weiterverarbeitung anzusiedeln, die Batterie-Produktion. Alles in unmittelbarer Nähe. Dazu der erneuerbare Strom aus dem Wasserdampf. Das würde die ganze Lieferkette so viel effizienter machen."

Große Pläne – doch Experten sind skeptisch. Das Lithium aus dem heißen Wasser herauszufiltern sei kompliziert sagt Lithium-Experte Joe Lowry: "Ich bin nicht gegen Lithium aus der Salton Sea Gegend. Was mich stört ist, wenn Leute so tun, als käme man da leicht heran. Denn wenn es einfach wäre, hätten wir das Lithium von dort schon längst. Lithium im Labor herausfiltern kann so ziemlich jeder, das ist leicht. Das Problem ist, es in nennenswerten Mengen zu extrahieren."

Nachfrage nach Lithium steigt rasant

Grünliche Wasserfläche mit weißen Ablagerungen an der Wasseroberfläche.
In Silver Peak in Nevada wird Lithium durch Verdunstung gewonnen. | Bild: NDR

750 Kilometer nördlich liegt Silver Peak in Nevada. Hier wird bereits Lithium durch Verdunstung gewonnen. Aber viel zu wenig. Die USA sind nahezu komplett abhängig von Importen. Schnell und viel Lithium könnten sie ebenfalls in Nevada abbauen. In den Bergen liegt es als Erz im Boden, könnte im Tagebau herausgebaggert werden. Zwei große Minen sind geplant, doch Gegner halten sie mit Klagen auf.

Und gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Lithium rasant an. Gerade hat ein deutscher Autokonzern in Alabama ein neues Batterie-Werk eröffnet. In den USA sollen schon 2030 die Hälfte aller Neuwagen elektrisch sein. Und ohne Lithium gibt es keine E-Autos.

Wird der Lithium-Schatz der Salton Sea Region den USA helfen? Der Geologe Michael McKibben schätzt: Ein bis zwei Jahre – dann werde man wissen, ob es gelingt, ihn zu bergen. Hoffnung für die Region hat er unabhängig davon: "Die Stromerzeuger müssen ihre Kraftwerke hier verdoppeln und verdreifachen, um den Bedarf an erneuerbarem Strom zu decken. Allein das wird viele Jobs schaffen – selbst wenn die Lithium-Gewinnung nicht funktioniert." Die Menschen um den Salton Sea dürfen also weiter vom Boom träumen. Doch wenn die USA schnell unabhängig werden wollen von Lithium-Importen, sollten sie wohl doch besser zunächst auf andere Vorkommen setzen.

Autorin: Kerstin Klein, ARD-Studio Washington

Stand: 27.03.2022 21:33 Uhr

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