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Griechenland: Zufluchtsort Hotel

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Griechenland: Zufluchtsort Hotel  | Bild: NDR

Hotelbesitzer Andreas Vassiliou ist überall, er kümmert sich um alles und um alle. Seine Schützlinge sind syrische Flüchtlinge. Die Kleinsten sind seine Liebsten. Mit ihnen hängt er sogar Weihnachtsschmuck auf. Wie kam es dazu? "Im Frühling trat das UN-Flüchtlingshilfswerk an Hotels heran und bat um Kooperation. Wir machten einen finanziell günstigen Vorschlag und wurden in das Programm aufgenommen. Was uns unterscheidet von anderen ist, dass wir den Menschen nicht nur ein Bett und Essen zur Verfügung stellen, sondern viele Aktivitäten anbieten", erklärt Vassiliou.

88 Syrer leben im Hotel. Sie sind alle hochtraumatisiert. Niemand will Nachrichten sehen in diesen Tagen. Nur eine Frau, die aus Aleppo stammt, beobachtet die Geschehnisse. "Ich verfolge alles im Internet. Mein Heim, meine ehemalige Schule – alles ist zerstört", sagt sie.

"Es ist unsere Pflicht zu helfen"

Wir sind auf der Insel Euböa, in dem kleinen verschlafenen Nest Rovies. Das Hotel von Andreas Vassiliou heißt auch Rovies. Und eigentlich ist es jetzt ein kleines syrisches Nest im griechischen Dörfchen. Schon am frühen Morgen gibt es Englischunterricht für die Kleinen. Andreas und sein Team besprechen sich für den Tag. Alle arbeiten hier als Freiwillige für wenig Geld. Für sie ist das Engagement eine moralische Pflicht: "Wir denken, dass alle Menschen eine Chance verdienen, ein Leben in Sicherheit zu führen. Aber es ist nicht nur unsere Pflicht zu helfen, sondern Europa muss auch ein Interesse haben neue Bevölkerungsgruppen zu integrieren. Wir brauchen sie", sagt Vassiliou.

Familie Al-Dawla
Deutschland wird Familie Al-Dawla aufnehmen. | Bild: NDR

In ihrem Zimmer treffen wir Familie Al-Dawla. Im Februar sind sie aus Syrien geflohen, illegal kamen sie nach Griechenland, lebten in verschiedenen Lagern. Seit einer Woche sind sie im Hotel. Die Bilder des Krieges, die Angst, sie steigen immer wieder auf: "Schrecklich war es, als wir durch das Territorium des sogenannten Islamischen Staates mussten. Wir marschierten zehn Kilometer. Meine kleine Tochter trug ich auf dem rechten Arm und meinen Sohn auf dem linken. Und plötzlich begannen der IS und auch die Freie Syrische Armee auf uns zu schießen. Die Schleuser brüllten: 'schnell, schnell.' Zum Glück kamen wir durch“, erinnert sich Vater Ijbar Al-Dawla.

Familie Al-Dawla hat Glück im Unglück: Deutschland ist bereit, sie aufzunehmen. "Ich möchte ein Haus haben, einen Job finden. Wir Syrer wollen nicht nur rumsitzen, wir wollen von unserer eigenen Hände Arbeit leben. Und wenn die Lage in Syrien besser ist, dann machen wir das, was die deutschen Behörden uns sagen", sagt Ijbar Al-Dawla. Die Organisation im Hotel funktioniert. Familie Al-Dawla ist erst eine Woche hier, bekommt aber schon Deutschunterricht.

Ein Geben und Nehmen in Rovies

Ein Bauer bringt Ware
Kooperation statt Widerstand: Die Einheimischen unterstützen das Projekt von Andreas Vassiliou und profitieren auch.  | Bild: NDR

Ein neuer Tag: Andreas Vassiliou treffen wir zusammen mit einem Bauer aus der Umgebung, der dem Hotel seine Ware bringt. Das war zu Beginn nicht selbstverständlich. Als Vassiliou sein Hotel im Frühjahr den Flüchtlingen zur Verfügung stellte, gab es im Dorf zunächst Widerstand gegen die Fremden. "Das Misstrauen legte sich erst, als die Einwohner sahen, dass es sich um traumatisierte Menschen handelt und nicht um Ungeheuer. Und wir schaffen mit unserer Arbeit Jobs in der Region, wir unterstützen die lokale Wirtschaft", sagt Vassiliou.

Am Nachmitttag nimmt Andreas eine Gruppe zum Fluss mit. Auch Ijbar ist dabei. Die syrischen Flüchtlinge sammeln den Müll ein. Doch es geht um mehr. "Wir wollen hier einen Lernprozess anstoßen: Die Menschen sollen ein Umweltbewusstsein und ein Gefühl für die Region und die Natur bekommen", sagt Vassiliou. Die Syrer machen das wirklich gern. Sie haben nicht das Gefühl, eine minderwärtige Arbeit machen zu müssen, ganz im Gegenteil. "Ich bin sehr froh. Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann. Dieses Land, die Menschen tun alles, um uns zu helfen. So kann ich wenigstens ein bisschen zurückgeben", sagt Ijbar Al-Dawla.

Manchmal kann es ganz einfach sein: Geben und Nehmen. Und Flüchtlingen eine bessere Zukunft ermöglichen.

Autor: Richard C. Schneider, ARD-Studio Rom

Stand: 13.07.2019 12:24 Uhr

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