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China: Wohin steuern die Proteste in Hongkong?

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China: Wohin steuern die Proteste in Hongkong? | Bild: NDR

Seit Wochen protestieren die Menschen in Hongkong. Was ursprünglich als Widerstand gegen ein neues Auslieferungsabkommen mit China begonnen hat, ist inzwischen zum Widerstand gegen den generellen Einfluss Pekings auf die Sonderzone Hongkong geworden. Und auch für das kommenden Wochenende sind wieder Demonstrationen angekündigt. Was veranlasst die Einwohner der Handelsmetropole, immer wieder auf die Straßen zu gehen? Was ist ihr Ziel? Oder sind es inzwischen viele unterschiedliche Zielsetzungen, die die Protestierer umtreiben? Und wie reagiert die chinesische Regierung in Peking?

Kampf für Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit

Er ist eines der Gesichter der Protestbewegung: Mo Wong von der Bürgerrechsbewegung Civil Union Rights Front. Seit elf Wochen organisieren er und seine Freunde Demonstrationen. Was als Protest gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz angefangen hat, ist längst ein Kampf ums große Ganze geworden: Um die Identität Hongkongs geht es und gegen den Einfluss des übermächtigen Chinas. "Hongkonger sollten in Hongkong das Sagen haben. Wir wollen dieselben Rechte haben wie zu der Zeit, als wir noch nicht zu China gehörten. Damals hatten wir Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Rechtssicherheit. Eben grundlegende Freiheiten", sagt Mo Wong. Jugendliche, Familien, Großmütter: Hunderttausende folgen dem Aufruf zur Demonstration. Viele haben wie Mo Gasmasken in ihren Rucksäcken. Zu oft hat die Polizei inzwischen Tränengas eingesetzt, auch gegen friedliche Demonstranten. Die Demonstranten fordern nun eine unabhängige Untersuchung der Polizei-Einsätze. "Unsere Polizei versucht uns schon mit denselben Methoden zu unterdrücken wie das in ganz China passiert", klagt Wong. Professor Ming Sing beobachtet zu Hause verschiedene Live-Streams, um sich ein unabhängiges Bild zu machen. Der Politikwissenschaftler sagt, Peking werde nicht aufhören, Hongkongs Freiheitsdrang zu stoppen und Hongkonger seien zunehmend bereit, zu kämpfen – auch mit allen Mitteln. "Viele Hongkonger merken, dass die Regierung immer autoritärer wird. Eine Breite Mehrheit, die Mitte der Gesellschaft, findet das inzwischen nicht mehr akzeptabel und sie sind zunehmend bereit, sich zu wehren. Das könnte langfristig zu großer politischer Instabilität hier in der Stadt führen", warnt er.

Uneinigkeit in der Bevölkerung

Manche Geschäftsleute machen ihre Läden an Tagen, an denen Demos angekündigt sind, einfach zu, aus Angst vor Randalen. Gemüsehändlerin Wong dagegen sagt, das könne sie sich nicht leisten. Sie ist vor zehn Jahren aus der Provinz nach Hongkong gekommen. Und wie viele zugezogenene Festland-Chinesen kann sie mit den Zielen der Protestbewegung wie Meinungsfreiheit und Demokratie wenig anfangen. "Die sollten jetzt endlich aufhören. Das ist schlecht für's Geschäft und für Hongkong. Was wollen die nur? Wir brauchen Stabilität. Und wenn die nicht aufhören, leiden wir am Ende alle darunter", verkündet sie selbstbewusst. Herr Yeung, der nebenan traditionelle chinesische Medizin verkauft, ist da anderer Meinung. Die Regierung habe viel falsch gemacht und die Demonstranten hätten jedes Recht, auf die Straße zu gehen. Er unterstütze das. Solange sie nicht gewalttätig seien. "Ich mache mir Sorgen, dass die in Peking irgendwann nicht mehr zuschauen, sondern Truppen hier einmarschieren lassen. Das wäre das Ende für Hongkongs internationalen Status. Ich hoffe wirklich, dass die nicht die Armee schicken."

Peking: Demonstranten sind Kakerlaken und Terroristen

Ganz unbegründet ist die Sorge wohl nicht. Hinter der Stadtgrenze, in der Nachbarstadt Shenzhen, lässt die Armee die Muskeln spielen mit Militärfahrzeugen und Truppenübungen. Und im chinesischen Staatsfernsehen wird der Ton jeden Tag schärfer. Die Demonstranten werden als Kakerlaken und Terroristen bezeichnet. Mo Wong sagt, sie hätten mit der Regierung in Peking den stärksten nur vorstellbaren Gegner. "Wir wissen nicht, ob die Welt uns am Ende helfen wird oder nicht, aber uns ist es nicht egal, was mit unserer Stadt passiert. Das ist unser Zuhause und sollte Hongkong eines Tages fallen und eine normale Stadt in China werden, dann haben wir uns wenigstens bis zum Ende gewehrt. Das ist unser Zuhause." Mo Wong und mehr als eine Million andere Hongkonger haben an diesem Sonntag nicht nur dem strömenden Regen getrotzt. "Wir sind nicht bereit einfach aufzugeben" – Das ist ihre Botschaft an Peking. Ob sie das dort nun hören wollen oder nicht.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Peking

Stand: 19.08.2019 08:45 Uhr

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